„Rocky Horror Show“ bald in KölnWarum wir den Kult-Klassiker gerade jetzt brauchen
Sam Buntrock, Anfang Mai kehrt die „Rocky Horror Show“ endlich wieder nach Köln zurück. Sie haben ihre Inszenierung dafür noch einmal grundlegend überarbeitet. Wie weit sind Sie mit den Proben?
Sam Buntrock: Wir sind fast am Ende des Probenprozesses hier in Düsseldorf. Ich inszeniere die „Rocky Horror Show“ seit 2008. Dieses Mal war es freilich eine ganz besondere Erfahrung: Das ist die erste Show seit Beginn der Pandemie, bei der ich Regie führe. Eine große Herausforderung, aber es ist unglaublich kathartisch etwas zu erschaffen, für das hoffentlich wieder ein Publikum ins Theater kommen und es genießen wird.
Gerade diese Ausgelassenheit, für die die „Rocky Horror Show“ bekannt ist, hat man ja sehr vermisst.
Ja, sie ist ein Fest, ein Karneval – und sie verkörpert Intimität. All diese Dinge, die wir für selbstverständlich gehalten haben, sehen wir nun durch diese globale Erfahrung auf eine neue Art. Ich denke, die Show ist dafür perfekt geeignet. Sie spricht über Identität und Geschlecht und Dinge, die wirklich wichtig sind, aber sie ist dabei kein ernstes Stück. Wenn ich jetzt endlich wieder ins Theater gehen würde, wäre das genau die Show, die ich mir aussuchen würde.
Wie radikal wird sich Ihre neue Version von der vorherigen unterscheiden?
„Rocky Horror“ ist wie ein Kind das ständig wächst und sich weiterentwickelt. Ein Regisseur erschafft ja etwas, das nur während der Aufführung existiert. Da ist es ein unglaubliches Geschenk, wenn man immer wieder auf seine Arbeit zurückkommen kann. Nicht nur, um die Arbeit, sondern auch um sich selbst zu überprüfen. Die Show ist jetzt viel menschlicher geworden, auch wenn es mehr Schnickschnack und Bühnentricks gibt als früher. Wir basteln an der Inszenierung wie Frankenstein an seinem Monster, fügen Teile hinzu und nehmen Teile weg. Die „Rocky Horror Show“ funktioniert anders als jedes andere Theaterstück, an dem ich je gearbeitet habe. Sie ist unglaublich robust. Das entzieht sich jeder Logik.
In den 15 Jahren, in denen Sie an der Show arbeiten, ist viel passiert, gesellschaftliche Mentalitäten haben sich verändert …
… ja, und es spricht für ein Stück wie die „Rocky Horror Show“, dass sie das immer auch widerspiegelt. Vielleicht liegt das daran, dass es hier sehr darauf ankommt, was das Publikum zur Aufführung beiträgt. Es ist seine Show, beziehungsweise: Die eigentliche Show findet im Raum zwischen dem Publikum und der Bühne statt.
Nach 50 Jahren im Mainstream angekommen
Die Selbstverständlichkeit, mit der „Rocky Horror“ in den 1970ern Geschlechter-Fluidität zeigte, wirkt heute sehr hellsichtig. Wie hat die Show unser Empfinden beeinflusst?
Das ist eine Frage, über die wir immer wieder diskutieren. Das Stück ist offensichtlich unglaublich vorausschauend. Zu Beginn der 1970er Jahre gab es ja eine ganze Reihe von Künstlern, die in Bezug auf Geschlechter-Fluidität ihrer Zeit weit voraus waren. Ich habe eine Theorie dazu, warum es 50 Jahre lang gedauert hat, bis das Thema in der Mainstream-Kultur angekommen ist: Ideen und Veränderungen entstehen in der Jugend, aber erst sobald sie von den Älteren übernommen werden, verändert sich die Kultur im Allgemeinen. Und die Alten, das sind jetzt die Menschen, die Anfang der 70er Jahre jung waren.
Wie wird sich Ihre Neuinszenierung für die Zuschauer anfühlen?
Sie wird sich intimer anfühlen, ohne den Sinn für Größe zu verlieren. In den letzten fünf, sechs Jahren gibt es einen Trend im Theater, besonders im Musiktheater, etwas wirklich Spektakuläres abzuliefern. Aber gleichzeitig existiert der Wunsch nach einer intimen Erfahrung, das ist heute viel mehr in Mode als vor 15 Jahren, als wir anfingen. Wir wollen auf der Bühne etwas zeigen, das einen Einblick in die Natur unseres Zusammenlebens gibt, das zeigt, wie wir uns zueinander verhalten.
Kölner Termine ab dem 3. Mai
Der englische Regisseur Sam Buntrock inszeniert Musical, Oper und Theater an West End und Broadway. Und seit 2008 die „Rocky Horror Show“.
In Köln gastiert die „Rocky Horror Show“ vom 3. bis zum 15. Mai im Musical Dome (Di, Do, Fr 19.30 Uhr, Mi 18.30 Uhr, Sa 15 Uhr + 19.30 Uhr, So 14 Uhr + 18 Uhr), Karten ab 29 Euro
Nur wie erzeugt man auf der großen, bunten Musical-Bühne ein Gefühl der Intimität?
Das hat viel mit dem Casting zu tun. Wir haben versucht, Schauspieler zu finden, die wirklich miteinander spielen und nicht ihr eigenes Ding umeinander herum machen. Das ist nicht einfach, denn gleichzeitig müssen die Darsteller die Anforderungen des überhöhten „Rocky Horror“-Stils verstehen. Es ist ja nicht Ibsen. Aber wir haben dieses Mal wirklich eine ganz besondere Gruppe von Leuten.
Kommt denn jemand von der letzten Produktion zurück?
Ja, es kehren ein paar Leute aus dem Ensemble zurück. Aber wir haben einen neuen Frank’n’Furter, einen neuen Brad, eine neue Janet, einen neuen Riff Raff, eine neue Magenta, eine neue Columbia und einen neuen Eddie/Doktor Scott. Einige Fans werden bestimmte Darsteller vermissen, aber ich bin mir sicher, dass sie am Ende des Abends einen neuen Liebling haben werden, in den sie sich vergucken, und dass sie die Show dadurch auf eine andere Weise sehen werden.
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Haben Sie die Schauspieler während des Casting-Prozesses also öfters zusammen proben lassen, um ein Gefühl der Vertrautheit zu vermitteln?
Ja, das probieren wir immer ein bisschen. Aber wenn man das 15 Jahre lang gemacht hat, weiß man bereits in dem Moment, in dem jemand den Raum betritt, ob er oder sie der oder die Richtige ist, oder nicht. Wir mussten auch einige Rollen noch einmal neu besetzten, weil wir doch um einiges später auf die Bühne zurückgekommen sind, als wir das geplant hatten.
Wie hat sich die Theaterlandschaft nach mehr als zwei Jahren Corona verändert?
Ich habe bis zum letzten Sommer 10 Jahre lang in New York gelebt. Nach dem ersten Coronajahr bin ich frustriert weggezogen. Auf diese Weise habe ich drei Erfahrungen gemacht, in New York, am Londoner West-End und jetzt in Deutschland. Ich will ehrlich sein, ich glaube, es liegen ein paar schwierige Jahre vor uns, in denen wir unseren Weg langsam zurückfinden müssen. Aber die Menschen, die im Theater arbeiten, werden diese Herausforderung annehmen. Wir müssen das Wesen dessen, was es bedeutet, erzählende Kunst als Gemeinschaft zu erleben, noch einmal neu untersuchen. Es wird viele Überraschungen, Innovationen und Ideen geben. Ich hoffe nur, dass es nicht 50 000 Stücke über Covid geben wird, denn ich werde mir kein einziges davon ansehen.