AboAbonnieren

„Liebe AfD-Trolle..“ProSieben und Klaas positionieren sich gegen Rechts

Lesezeit 4 Minuten
Klaas Heufer-Umlauf dpa

Klaas Heufer-Umlauf 

Köln – Am Montagabend lief bei ProSieben eine für den Privatsender eher ungewöhnliche Dokumentation zur besten Sendezeit. In „Route 4“ geht es um die Seenotrettung von Flüchtenden auf dem Mittelmeer. Im Vergleich zum sonstigen Programm eher harte Kost, die zudem ausnahmsweise nicht von Werbung unterbrochen wurde.

Die Dokumentation aus dem vergangenen Jahr begleitet das Seenotrettungsschiff „Alan Kurdi“ der Organisation See-Eye über 15 Monate hinweg. Neben dramatischen Szenen auf dem Meer entstand auch Material in Ländern wie Niger, Tunesien, Libyen, Italien und Malta. Es geht um die tragischen Geschichten von Überlebenden der Flucht über den „großen Friedhof“ Mittelmeer und die engagierten Mitarbeitenden der Hilfsorganisation.

ProSieben: Klaas Heufer-Umlauf spricht über Seenotrettung

Im Anschluss an die preisgekrönte Doku moderierte Klaas Heufer-Umlauf eine Talkrunde zum Thema. Der 39-Jährige engagiert sich schon länger für die Seenotrettung, 2018 warb er um Spenden für eine Flotte von privaten Schiffen zur Seenotrettung. Im Gespräch am Montagabend waren die Journalistin Franziska Grillmeier, die „Sea-Eye“-Mitarbeiterin Sophie Weidenhiller, der Geflüchtete Zain Alabidin Al Kathir und Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, zu Gast.

Route 4 ProSieben

Szene aus der Doku „Route 4“ 

Mit diesem Programm blieb ProSieben erwartungsgemäß weit hinter seinen sonst gewohnten Quoten zurück. Das werbefreie Programm verfolgten laut „Quotenmeter“ 0,41 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von weit unterdurchschnittlichen 1,5 Prozent entsprach. Der Talk mit Klaas erhielt noch niedrigere Quoten.

ProSieben grenzt sich gegen „rechte Trolle“ ab

In den sozialen Medien erhielt ProSieben Anerkennung für die Aktion. „Danke, dass ihr den Stimmen von Menschen, die die Auswirkungen von Europas brutalem Grenzregime selbst erfahren und erlebt haben, so viel Gehör verschafft“, bedankt sich ein Mitarbeiter von Sea Eye. Eine andere Userin schreibt: „Klaas moderiert das ganze wirklich so gut mit seinen Fragen, das könnte er ruhig öfter bei politischen Themen machen“.

Natürlich bekommt ProSieben nicht nur Zuspruch für diese klare Positionierung pro Geflüchtete und die damit verbundene Kritik an der Flüchtlingspolitik der EU. User schreiben Kommentare wie „Ihr wurdet gerade von meiner Senderliste gestrichen“ oder „Pro7/Sat1 sind Teil der Systemmedien, sie berichten und propagieren das, was die Regierung vorgibt“, heißt es da unter Benutzung rechter Narrative und Formulierungen – auch wenn der Vorwurf wie in diesem Fall komplett an den Haaren herbeigezogen scheint.

ProSieben sieht sich bei Twitter schließlich zu klaren Statements gezwungen. Man werde eine Grenze bei unmenschlichen oder rassistischen Tweets ziehen.

Schon oft haben Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf gezeigt, dass sie ihrer früheren Rolle als Hipster-Clowns längst entwachsen sind. Noch immer stehen die beiden für Entertainment, das mit dem „Duell um die Welt“ oder „Joko & Klaas gegen ProSieben“ äußerst massentauglich ist. Ihre Bekanntheit nutzen der 43-Jährige und der 39-Jährige aber seit geraumer Zeit, um auf politische oder soziale Missstände aufmerksam zu machen – auf ihre ganz eigene Weise.

Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf engagieren sich gegen Rechts

Besonders die von ihrem Haussender beim erstrittenen 15 Minuten frei verfügbare Sendezeit, die ihnen als Sieger bei „Joko & Klaas gegen ProSieben“ zusteht, haben sie mehrfach auf unkonventionelle Weise genutzt. 2019 entlarvten sie die Parolen rechter Politiker mit dem „Entkräfter Pro Max“, der populistische Aussagen mit einem Faktencheck widerlegte.

Das könnte Sie auch interessieren:

In der aufgeheizten Stimmung in der Corona-Pandemie sendeten sie im Dezember 2021 einen Impf-Aufruf und positionierten sich klar gegen rechte Verschwörungstheorien und gegen Corona-Leugner. In der Sendung wurde es sogar staatsmännisch, denn Bundeskanzler Olaf Scholz trat mit einem Impf-Aufruf vor die Kamera. Die beiden Entertainer wurden von ProSieben unterstützt, indem der Sender einen Clip produzierte und verbreitete, der in 1,5 Minuten drei gängige Vorurteile gegen die Corona-Impfung widerlegte.

Ein verwandtes Thema hatten Joko und Klaas schon im März 2021 behandelt, als sie sich dem Pflegenotstand widmeten. Aus den 15 Minuten wurden allerdings sieben Stunden, in denen die komplette Schicht der Krankenpflegerin Meike zu sehen ist.

Am Dienstagabend, 25. Oktober, läuft die nächste Folge von „Joko & Klaas gegen ProSieben“. Bleibt abzuwarten, wie sich die beiden Entertainer schlagen und ob sie erneut frei verfügbare Sendezeit erspielen können.