Am 16. September ist Manga-Day. Mit dabei ist Sozan Coskun. Die Kölnerin hat gerade den ersten Band ihrer neuen Manga-Serie herausgebracht.
Samstag ist Manga DayDiese Kölnerin ist eine der erfolgreichsten Manga-Zeichnerinnen Deutschlands
Sozan Coskun, gerade ist der erste Band Ihrer neuen Manga-Serie „Kiela und das letzte Geleit“ erschienen. Erzählen Sie doch mal, wie Sie eigentlich zum Medium Manga gekommen sind.
Sozan Coskun: Zum Manga bin ich im Alter von sechs Jahren durch Animeserien wie „Pokemon“ oder „Sailor Moon“ gekommen, die damals auf PokitoTV, im Nachmittagsprogramm von RTL II liefen. So habe ich angefangen, im ähnlichen Stil zu zeichnen und mit 13 habe ich mir dann meinen ersten Shojo-Manga gekauft [japanische Comics für heranwachsende Mädchen, die Red.]. Auf der Leipziger Buchmesse gab es den Manga-Talente-Wettbewerb, den habe ich mit 14 Jahren gewonnen.
Was hat Sie so fasziniert an japanischen Comics?
Natürlich die Ästhetik, aber auch die Erzählweise. In den Mangas, die ich gelesen habe, gab es keine abgeschlossenen Episoden, nur fortlaufende Entwicklungen. Da musste man dranbleiben, durfte kein einziges Kapitel überspringen und der Ausgang war stets ungewiss. Ich habe dann Kommunikationsdesign in Düsseldorf studiert, meine Bachelor-Arbeit war gleichzeitig meine erste größere Manga-Serie, „Green Garden“, die habe ich anfangs selbst publiziert. Auf der Buchmesse 2019 in Leipzig habe ich Joachim Kaps das Projekt vorgestellt. So landetet ich dann beim Hamburger Verlag altraverse, „Green Garden“ habe ich 2022 mit vier Bänden abgeschlossen.
Sie arbeiten in einer Boombranche: Im deutschen Buchhandel gab es im vergangenen Jahr im Manga-Segment einen Umsatzanstieg von 25 Prozent. Der Jahresumsatz mit Mangas liegt inzwischen bei mehr als 100 Millionen Euro. Was, glauben Sie, macht den Erfolg aus?
Ich denke, das liegt an zwei Aspekten: Zum einen hatten junge Leute während der Pandemie viel Zeit und Mangas bieten eine hervorragende Ablenkung vom Alltag an, eine Realitätsflucht. Zum anderen haben die ersten Leute, die in Deutschland mit Mangas aufgewachsen sind, inzwischen selber Kinder. Vorher gab es da einen Generationskonflikt: Die Eltern haben Manga nicht verstanden. Sowieso hatten Comics in Deutschland lange kein gutes Image.
Ich habe auch nicht schlecht gestaunt, als sich meine Nichte von mir zum Geburtstag Boys-Love-Mangas wünschte, da geht es recht explizit um erotische Beziehungen zwischen Männern, das Zielpublikum sind aber junge Frauen …
Das ist ja das Schöne am Manga, dass hier jede und jeder das passende Buch für sich findet. Es gibt auch Mangas übers Kochen, oder über Sport. In Deutschland finden sie bislang nur ganz kleines Abbild vom japanischen Markt. Je größer der Markt, desto genauer wird das Abbild dieser Vielfalt, desto diverser wird die Manga-Welt.
Gibt es denn schon so etwas wie typisch deutsche Manga-Titel?
Ich finde, die Frage, woher der Autor kommt, sollte keine Rolle spielen. Inzwischen bemerkt man auch keine Qualitätsunterschiede zwischen deutschen und japanischen Mangas, das musste sich natürlich erstmal entwickeln. Vielleicht können wir noch mal eine andere Sichtweise einbringen. Wenn es Unterschiede gibt, dann handelt es sich am ehesten um kulturelle. Japan ist ja eine vergleichsweise konservativere Gesellschaft, da darf man zum Beispiel keine Nähe in der Öffentlichkeit zeigen. Daraus kann in einer Handlung ein Konflikt entstehen, das funktioniert in Deutschland nicht. Ein Unterschied fällt mir aber doch noch ein: Die deutsche Manga-Szene ist sehr weiblich geprägt. Wir sind auch beim Verlag bislang ausschließlich Frauen.
Woran liegt das?
Mit den ersten Mangas kamen auch die ersten mächtigen weiblichen Superhelden wie etwa Sailor Moon. Das hat viele junge Leserinnen begeistert. In amerikanischen Superhelden-Comics spielen Frauen ja eher die Nebenrollen.
In „Kiela“ haben wir es jedenfalls mit einer weiblichen Heldin zu tun, die an ein Unternehmen gerät, das seinen Kunden ein sicheres Geleit ins Jenseits garantiert. Ein ungewöhnliches Thema für ein junges Publikum.
Vielleicht, aber natürlich kommen auch junge Menschen mit dem Tod in Berührung. Das Thema in eine unterhaltende Geschichte zu verpacken, und zwar so, dass ich dabei auch in die Tiefe gehen kann, war nicht einfach.
Wissen Sie schon, wie das ausgeht, oder lassen Sie sich von der Geschichte treiben?
Die Schlüsselelemente der Serie habe ich im Voraus geplottet, zusammen mit meinem Verleger Joachim Kaps. Allerdings sind das nur die gröbsten Stichpunkte, mir ist total wichtig, dazwischen genügend Spielraum für die Feinheiten zu lassen.
Deutsche Serien belaufen sich oft auf wenige Bände, in Japan gibt es Serien, die über Jahrzehnte laufen …
Das liegt daran, dass in Japan oft ganze Produktionsteams an den Mangas arbeiten, in Deutschland arbeiten wir in der Regel allein. Es macht auch keinen Sinn, eine 100-bändige Serie zu entwerfen, wenn am Ende die Leserschaft fehlt. In Japan verstärken sich oft Mangas und ihre Anime-Verfilmungen gegenseitig. Nehmen Sie nur diesen unfassbar erfolgreichen Piraten-Manga „One Piece“, der läuft seit 1997, die Anime-Serie seit 1998. Jetzt steht gerade die Realverfilmung auf Platz 1 bei Netflix. Man denkt, „One Piece“, das kennt inzwischen jeder, aber nein, der Manga verkauft sich jetzt wieder wie verrückt.
Wie viele Mangaka gibt es eigentlich in Deutschland?
Wenn wir jetzt nur von denen sprechen, die für Verlage publizieren: eine Handvoll. Also bei meinem Verlag sind wir aktuell zu neunt, mit den anderen Verlagen kommen vielleicht noch vier dazu. Ich arbeite hauptberuflich als Mangaka, aber da bin ich eine der wenigen, das ist nicht die Regel. Ich hoffe, dass das Thema jetzt noch mehr in die Mitte der Gesellschaft rückt. Und dass es selbstverständlich wird, dass es auch Mangas aus Deutschland gibt.
Verraten Sie mit zum Schluss noch Ihre Lieblings-Mangas?
Für romantische Leser empfehle ich „Ein Zeichen der Zuneigung“, da geht es um eine gehörlose Studentin, die sich verliebt. Lustige Action bietet „Spy x Family“, das ist einfach megawitzig. Und dann noch ein toll gestalteter Fantasy-Maga „Mein Schulgeist Hanako“.
Der erste Band von Sozan Coskuns „Kiela und das letzte Geleit“ ist bei altraverse erschienen (196 Seiten, 8,00 Euro).
Am Samstag, dem 16. September, ist Manga Day. In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden in mehr als 1200 Buchhandlungen und Bibliotheken kostenlos Mangas verteilt, insgesamt rund 800.000 Bände. Mehr Infos unter https://mangaday.de/
Mangas machen inzwischen gut 80 Prozent aller verkauften Comics im deutschen Buchhandel aus. Nach Erzählender Literatur und Spannung bildet nun Manga das größte Marktsegment in der Belletristik.