Schauspiel KölnCharlotte Sprenger gibt mit „Kleines“ Einstand am Offenbachplatz
Köln – Zwei Adoptivgeschwister, Aaron und Claire. Sie ist missbraucht worden, genaues weiß man nicht, ist schwer traumatisiert. Er fühlt sich von seiner Adoptivschwester angezogen und schwer verunsichert zugleich. „Sie“, sagt Charlotte Sprenger, „ist sein Trauma.“
Die junge Regisseurin, Jahrgang 1990, hat sich das Stück der kanadischen Dramatikerin Hannah Moscovitch für ihren Einstand an der Außenspielstätte am Offenbachplatz des Schauspiel Köln ausgesucht. „Kleines“ feiert dort am kommenden Freitag seine deutsche Erstaufführung.
Eine glückliche Fügung. Sprengers Mutter hatte ihr einen Artikel über junge kanadische Autoren und Autorinnen zugeschickt, das Stück gab es bereits in deutscher Übersetzung – „und ich wusste sofort, das ist es.“
Ein Kind des Theaters
Sprenger ist ein Kind des Theaters, ihre Eltern sind die Schauspieler Victoria Trauttmansdorff und Wolf-Dietrich Sprenger. „Ich bin also schon als Kind unheimlich oft und gerne ins Theater gegangen“ sagt sie, „ohne, dass man mich dazu zwingen musste.“
Nur selber spielen, das wollte sie nie. Lieber erst einmal studieren. Doch schon während ihres Studiums hospitierte sie für Regie am Theater. „Und ich wusste nach dem ersten Tag auf der Probe, dass das das Richtige für mich ist.“
Im Alter von 23 Jahren hat Sprenger als Regieassistentin am Schauspiel Köln angefangen, hat unter anderem mit Stefan Bachmann, Moritz Sostmann und Bastian Kraft gearbeitet, sich an ihre ersten eigenen Inszenierungen gewagt, nach Texten von Fritz Kater, Wenedikt Jerofejew und der serbischen Dramatikerin Biljana Srbljanović. Mit Theaterblut und Schwertern könne sie nicht viel anfangen, sagt Sprenger. Umso mehr jedoch interessiere sie sich dafür, das Gefühl, dass in einem Text steckt, das Innerliche, nach außen zu kehren. „Mit was füllen die Schauspieler den Raum? Mir geht es um dieses Miteinander, wobei ich allerdings schon gerne die Führungsperson in diesem Miteinander bin. Ich finde, immer wenn Theater gut ist, geht es um Liebe. Ich will mich damit auseinandersetzen, was dieses Miteinander bedeutet.“
Liebe kann nicht alles heilen
Aaron und Claire, in Köln gespielt von Nikolaus Benda und Sophia Burtscher, die beiden Adoptivgeschwister in „Kleines“ seien ein wenig wie Adam und Eva, eine Urgeschichte der Liebe. Sprenger hat auch mit der Autorin gesprochen, sie gefragt, was sie an dieser Geschichte so fesselte. „Dass die Macht der Liebe eine Grenze hat“, antwortete Moscovitch.
„Dieser Gedanke“, sagt Sprenger, „das es einen Punkt gibt, an dem Liebe nichts mehr ausrichten kann, hat mich sehr erschreckt. Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass Liebe alles heilen kann.“ Das Stück sprenge zwar die Grenzen der Liebe auf, doch eröffne sich dahinter eine neue, sehr eigene Definition von Liebe.
Die Geschwister haben sich 14 Jahre lang nicht gesehen. Doch sobald sie wieder in Kontakt treten, schließen sie die Außenwelt aus, entsteht ein Erinnerungsraum, in dem Aaron und Claire immer mehr zu den Kindern von damals werden. „Wo fängt die Liebe an, wo hört sie auf?“, fragt Sprenger. „Hört sie überhaupt irgendwo auf, wenn man so eine gemeinsame Geschichte miteinander hat? Wenn man gegen alle Konventionen immer noch der jeweils wichtigste Mensch füreinander ist. Liebe kann der Anker sein, auch wenn es über eine gewisse Schmerzgrenze hinausgeht.“
Ort urbanen Lebens
„Kleines“ ist erst Charlotte Sprengers fünfte Inszenierung, nach drei Produktionen in der „Grotte“ des Schauspiels Köln und einer am Theater der Keller. Jetzt arbeitet sie nicht nur als Regisseurin, sondern leitet auch zusammen mit drei ebenfalls jungen Kollegen – Andrea Imler, Matthias Köhler und Pınar Karabulut – die Außenspielstätte am Offenbachplatz.
Die hat sich bereits als ein Ort urbanen Lebens neben der Baustellen-Brache etabliert und zieht mit ihrer Mischung aus neuen Stücken, Partys, Performances und Lectures ein sehr viel jüngeres Publikum an als die Hauptspielstätte in Mülheim.
Man lerne bei so einer Aufgabe viel dazu, sagt Sprenger, auch an administrativen Fähigkeiten. Die können auch nicht schaden, wenn sie irgendwann auch auf größeren Bühnen inszeniert. Vor allen hat sie in ihren ersten Berufsjahren jedoch viel über den Umgang mit Schauspielern gelernt. „Man muss entschieden sein. Und sollte wissen, wann man bestimmen und wann man loslassen muss, um den Flow nicht zu unterbrechen. Man muss die Verantwortung übernehmen und gleichzeitig Freiheit geben.“ Dazu bereitet sich Sprenger fleißig vor, sie brauche Sicherheit mit dem Text. Ist aber auch jederzeit bereit, das sorgsam Vorbereitete wieder zu vergessen. „Wenn Schauspieler gut sind, wissen Sie sehr viel mehr über Situationen als der Regisseur. Weil sie sie einfach spüren.“
„Der absolute Psychoterror“
Ein schwieriger Balanceakt. Der unmöglich immer funktionieren kann, in den entscheidenden Moment aber funktionieren sollte. „Und wenn man diese Mischung hinkriegt, dann fliegt mal an. Das spüre alle bei den Proben. Die Schauspieler spüren das, wenn du selber weißt, wohin es geht.“
Und wenn es mal schiefgeht? „Wenn dir das entgleitet, ist das der absolute Psychoterror. Der Beruf ist schon sehr anstrengend für den Kopf. Ich bin in solchen Fällen für absolute Ehrlichkeit. Man sucht ja zusammen. Und man sucht ja nicht nach einer Lösung, man stellt Fragen. Und es geht erst einmal darum, die richtigen Fragen zu stellen.“
Glücklich sei sie, wenn die Proben wirklich gut verlaufen. Wenn sie wisse, dass sie und ihr Ensemble wirklich hinter der Arbeit stehen. Dann könne man auch schlechte Kritiken verkraften. „Ein Freund von mir, der schon sehr erfolgreich als Regisseur arbeitet, hat mir geraten: „Denk immer daran, was du gerade machst, und nicht daran, was das für eine Auswirkung hat.“
Premiere in Köln
„Kleines“ von Hannah Moscovitch feiert am 3. Februar seine deutschsprachige Erstaufführung in der Außenspielstätte am Offenbachplatz des Schauspiel Köln. Für die Premiere sind noch Restkarten verfügbar.
Weitere Termine: 5., 9., 10., 12. 2.; 4., 10., 16., 22. 3., 20 Uhr