Schöpfer von TotoroWelche Filme von Hayao Miyazaki Sie gesehen haben sollten
Köln – Das Warten nimmt kein Ende. Seit vor drei Jahren ein neuer Film des wohl berühmtesten lebenden Animationsfilmers angekündigt wurde, freuen sich seine Bewunderer auf den neuen „Miyazaki“. Eigentlich sollte es schon 2020 soweit gewesen sein, doch nun wird es wohl doch noch einmal drei Jahre länger dauern bis „How Do We Live“ fertig sein wird. Der Grund dafür ist nicht die Corona-Krise, sondern der stetig wachsende Perfektionismus seines Schöpfers.
Der letzte Meister
Immer wieder hatte Hayao Miyazaki seinen Rückzug aus dem Filmgeschäft angekündigt, doch auch seinen 80. Geburtstag am 5. Januar wollte er nicht als Rentner verbringen. Während seine klassischen Filme gerade auf Netflix täglich neue Zuschauer gewinnen, steckt er selbst mitten in der Arbeit an seinem Abschiedswerk, einer persönlich gefärbten Coming-of-Age-Geschichte.
Dabei ist das von Miyazaki mitbegründete Studio Ghibli nicht nur die erste Adresse für handgemachten Animationsfilm, sondern auch eine der allerletzten, wo diese Kulturtechnik noch lebendig ist. Miyazakis Qualitätsanspruch steigt derweil noch immer. „Als wir »Mein Nachbar Totoro« gemacht haben, hatten wir nur acht Animatoren, wir haben den Film in acht Monaten fertiggestellt“, erklärt Miyazakis Weggefährte, Produzent Toshio Suzuki. „Am aktuellen Film arbeiten 60 Animatoren, aber wir schaffen nur eine Minute Animation pro Monat.“
„Fühlen Sie sich eher wie ein Hund oder wie eine Katze?“, wollte ein Reporter von Hayao Miyazaki wissen, als er 2005 in Venedig für sein Lebenswerk geehrt werden sollte. „I feel like Dango Mushi“, lautete die Antwort des Trickfilmschöpfers: Ein hartnäckiger Waldkäfer war es, mit dem sich der Meister des Anime in diesem Augenblick identifizierte. Geschützt von einem dicken Panzer macht dieser es sich in Baumrinden bequem.
Das Biotop, dem Miyazakis berühmteste Figuren entstammen, ist dagegen seine eigene Schöpfung, eine fantastische Parallelwelt, in der europäische und asiatische Märchenmotive zusammenfließen. Gleichermaßen bewohnt von Menschen, Tieren und Geistern, steht ihre Existenz immer dann auf dem Spiel, wenn diese Dreifaltigkeit bedroht ist. Dann kämpften die Schwächsten gegen die Stärksten: Die friedliebende Prinzessin Nausicaä gegen zwei zerstrittene Über-Mächte; ihre Amtskollegin, die mit Wölfen aufgewachsene Prinzessin Mononoke, gegen die Vernichtung ihres urtümlichen Waldes durch Menschenhand; oder der Wassergeist Ponyo gegen den eigenen Vater, einen mächtigen Zauberer. Ponyos Herz schlägt für einen kleinen Jungen. Und so schlägt das Mädchen alle Warnungen, die Hans-Christian Andersen gegenüber kleinen Meerjungfrauen ausgesprochen hat, einfach in den Küstenwind.
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Parallelen zu einer entfremdeten Menschenwelt, die auf Kosten der Natur lebt, sind schnell gezogen. „Ich bin im Grunde meines Herzens ein Pessimist“, bekennt Miyazaki. „Aber wenn jemand im Studio ein Baby bekommen hat, komme ich mit guten Wünschen und kann nicht einfach sagen: Besser wärst du nicht in diese Welt gekommen! Aber ich sehe nun einmal die Welt in eine schlimme Richtung laufen. Mit diesen widersprüchlichen Gedanken im Kopf mache ich meine Filme.“
Späte Würdigung im Westen
Seine halbe Karriere musste Hayao Miyazaki darauf warten, dass er auch im Westen als Filmkünstler anerkannt wurde – in Berlin gewann er als erste wichtige internationale Auszeichnung 2003 den Goldenen Bären für „Chihiros Reise ins Zauberland.“ Auch wenn die Geschichte des Anime bis in die Stummfilmzeit zurückreicht, wurde er erst mit Miyazaki weltweit als Kunstform wahrgenommen. Als Osamu Tezuka, der „Gott des Manga“ und Begründer der modernen Anime-Kultur, 1989 starb, war die westliche Welt noch nicht so weit.
Es war nicht leicht aus dessen Schatten zu treten, als der 1941 in Tokio geborene Miyazaki Anfang der 60er Jahre sein Handwerk in den konkurrierenden Toei-Studios lernte. Oft mit Disney verglichen, passt die surreale Freiheit von Miyazakis Erzählkunst eher zu Federico Fellini, die Wucht seiner Bildwelten zu Akira Kurosawa. Tatsächlich war der japanische Meisterregisseur ein erklärter Fan von Miyazakis vielleicht beliebtester Schöpfung, dem Waldgeist „Totoro“. Seine Einflüsse freilich liegen lange zurück: „Von der modernen Popkultur kenne ich fast gar nichts“, sagte er einmal. „Die einzigen Bilder, die ich mir regelmäßig ansehe, kommen aus dem Wetterbericht.“