AboAbonnieren

Sebastian Hotz aka El Hotzo„Wenn alle lügen, ist die Wahrheit egal“

Lesezeit 5 Minuten
Sebastian Hotz steht in einem blauen Pullover und einer hellen Jacke auf einer Bühne. Er spricht in ein Mikrofon

Sebastian Hotz, im Internet als „El Hotzo“ bekannt, hat seinen ersten Roman geschrieben

Als „El Hotzo“ hat er in den Sozialen Medien Millionen Follower - jetzt hat Sebastian Hotz einen Roman geschrieben.

Er ist aus der fränkischen Provinz nach Berlin gezogen. Hat den langweiligen Bürojob aufgegeben und arbeitet jetzt für das ZDF-Comedy-Format „Magazin Royale“. Und er ist als „El Hotzo“ extrem erfolgreich mit Sprüchen in den Sozialen Medien, wo ihm Millionen folgen.

Sebastian Hotz hat in wenigen Jahren einen Aufstieg geschafft, von dem viele träumen. Und jetzt erscheint auch noch sein erster Roman. Ob er sich manchmal wie ein Hochstapler fühlt? „Wenn ich in einer Redaktion zwischen Leuten sitze, die was studiert und jahrelang Praktika gemacht haben - und ich komm da einfach rein, weil ich ein paar Gags auf Twitter geschrieben habe: Das fühlt sich schon sehr hochstaplerisch an“, sagt er: „Diese Selbstzweifel, diese ständige Angst vor dem Auffliegen – die war schon immer in mir – auch schon, bevor ich Comedy im Internet gemacht habe.“

Sebastian Hotz hat 1,3 Millionen Follower bei Instagram

Vielleicht also ist die Geschichte, die Sebastian Hotz in „Mindset“ erzählt, viel näher an ihm dran, als es auf den ersten Blick scheint. Denn eigentlich hat er nicht viel gemeinsam mit seiner Hauptfigur. Die heißt Maximilian Krach und ist der Schwiegersohn, von dem Christian Lindner womöglich träumt: Ein junger BWLer im knöchellangen Slim-Fit-Anzug und schneeweißen Sneakern: „Entrepreneur, anerkannter Finanzexperte, Lifestyle-Coach, Success-Advisor und Gründer von KRACH CONSULTING“, wie es auf seiner Webseite heißt.

Sebastian Hotz ist dagegen eher so der Jeans-und-Kaputzenshirt-Typ. Und hat bislang der Versuchung widerstanden, seinen Erfolg im Internet zu maximalem Geld zu machen. Bei Follower-Zahlen von 1,3 Millionen bei Instagram und mehr als 550.000 bei Twitter hätten andere längst ihre besten Sprüche auf T-Shirts und Kaffeetassen drucken lassen. Oder wenigstens Werbung für angeblich nachhaltig produzierte Jeans oder Bio-Limonade gemacht.

Sowas schreit ja danach, sich darüber lustig zu machen!
Sebastian Hotz

Beim Lesen von „Mindset“ stellt sich jedoch ziemlich schnell heraus, dass Maximilian Krach ausschließlich heiße Luft vermarktet. Die Sportwagen, die teuren Uhren, die Immobilien, die gesamte Karriere: Alles Fake. In Seminaren mit dem Titel „GENESIS EGO. Schöpfe dein ICH“ erzählt er seinen treuherzigen Jüngern (mehr als zwölf sind es meistens auch nicht) irgendwas von Schafen, Wölfen, Disziplin und natürlich: Dem richtigen Mindset.

El Hotzo: Im Roman geht es um „menschliche Wärme“

Während sich Sebastian Hotz also bisweilen so fühlt wie ein Hochstapler, ist seine Hauptfigur tatsächlich einer. Und es bricht im Roman noch nicht mal eine Welt zusammen, als er schließlich enttarnt wird: „Wenn alle lügen, ist die Wahrheit egal“, sagt Sebastian Hotz lakonisch. Denn am Ende gehe es bei der ganzen Selbstoptimierung ja gar nicht um die Kryptowährung, die Statussymbole oder den flacheren Bauch. „Sondern um die menschliche Wärme, mit anderen ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.“ Es könne sogar wahnsinnig stabilisierend sein, sich gegenseitig anzulügen: „So funktionieren ganze Ehen.“ Und so funktionieren Plattformen wie Instagram, die uns einen schönen Filter über unschöne Realitäten legen.

Es wäre sehr leicht gewesen für Sebastian Hotz, sich einfach nur lustig zu machen über diese aalglatten BWLer und ihre peinlichen Verrenkungen beim Streben nach Status und seinen Symbolen. Das hat er natürlich auch („sowas schreit ja danach, sich darüber lustig zu machen!“) - aber nicht nur. Denn eigentlich ist dieser Maximilian Krach für ihn nur eine arme Wurst, die in eine neoliberale Weltanschauungsfalle geraten ist. „Ich wollte, dass man Mitleid hinter all dem Spott entwickelt.“

Sebastian Hotz: „Mindset“ ist ein politisches Buch

So gelesen ist „Mindset“ ein politisches Buch, was nicht überrascht. Schließlich sind auch die meisten von El Hotzos Sprüchen politisch: „Man kann aus dem Weltklimabericht auch viel Gutes ziehen, z.B. dass wir uns wahrscheinlich keine Sorgen um die Langzeitfolgen von Zigaretten machen müssen“, zum Beispiel. Oder: „Inflation sollte niemanden vor Probleme stellen, man kann ja einfach seinen Konsum an die steigenden Preise anpassen, z.B. nichts mehr essen oder weniger wohnen.“

Solche Gags haut er täglich in enormen Mengen raus: „Ich mache das alles wirklich sehr, sehr gerne und es macht mir riesigen Spaß. Aber irgendwann mal wird diese Endorphin-Quelle versiegen und ich muss mir irgendwas anderes suchen, damit ich glücklich werde.“ Romane schreiben zum Beispiel. Seine Gags sind für ihn „Fast Food und schnelle Belohnung“ – der Roman im Vergleich dazu wie ein über Stunden selbst gekochtes Essen: „Ich hoffe, das macht mich auch länger satt“, sagt er.

In „Mindset“ beschreibt er pointiert eine Gesellschaft im Selbstoptimierungs-Wahn: Noch erfolgreicher, noch besser, noch schöner, noch glücklicher. Doch wenn wir daran glauben wollen, dass mit dem richtigen Mindset alles möglich ist, heißt das im Umkehrschluss auch: Wenn es nicht läuft im Leben, liegt es nur an der falschen Einstellung. So etwas wie gesellschaftliche Strukturen oder Glück haben in dieser Erfolgserzählung keinen Platz. „Am Ende bist Du also für alles in Deinem Leben absolut selbst verantwortlich. Aber wenn du es nicht schaffst, wenn Du arm bist und kein gutes Leben hast – dann ist das ja nicht immer die Schuld eines antriebslosen Faulenzers.“

El Hotzo: „Plötzlich sind meine Follower-Zahlen explodiert“

So schreibt auch Sebastian Hotz seinen eigenen Erfolg nicht allein seiner grenzenlosen Genialität zu. Er sei einfach zur richtigen Zeit (mitten in der Pandemie) am richtigen Ort (den sozialen Medien) gewesen: „Und plötzlich sind meine Follower-Zahlen explodiert. Am Ende ist es ein unglaublich große Aneinanderreihung von sehr guten Zufällen für mich.“

Deswegen weiß er auch, dass dieser Erfolg in den Sozialen Medien genauso schnell wieder vorbei sein kann, wie er gekommen ist: „Dafür reicht ein Blick auf alle Internet-Hypes vor mir, die nicht gut gealtert sind. Und da schauen wir jetzt auch alle drauf und denken uns so: Oh - das fanden wir mal lustig?!“ Wer weiß, überlegt er – vielleicht wachen wir eines Tages auch alle mal auf und checken: „Ah, Sebastian Hotz – gar nicht so lustig. Können wir vergessen, eine Koryphäe von Anfang der 2020 er Jahre. Was ist eigentlich aus dem geworden?“ Aber für diesen Fall hat er ja jetzt vorgesorgt – Romanautoren altern gemeinhin besser als Internet-Hypes.