Sido liefert, im schwarzen Trainingsanzug, mit rotem Käppi und fetter Goldkette, satte zwei Stunden lang eine kluge Mischung aus alten und neuen Songs – auch gemeinsam mit seinem Sohn stand er auf der Bühne.
In der Kölner Lanxess-Arena erreichte er sowohl die „Glitzerglitzer-Zahnspangenträger“ als auch die Sentimentalen, die dem alten Gangsterrapper nachtrauern.
Seinen Misserfolg bei „The Voice of Germany“ steckt er mit einem breiten Grinsen weg: „Wer guckt das schon? Ich habe es mir auch nicht angeguckt.“
Köln – Meine Fresse. Was Du Dir alles leisten kannst, wenn sie Dich Legende nennen. Weil Du mit 38 schon 20 Jahre im Geschäft bist und die Kritiker über Dich ehrfurchtsvoll als einen Veteran-Rapper berichten. Du kannst mit Deinem Job für die Casting-Show „The Voice of Germany“ voller Selbstironie umgehen. Die „Glitzerglitzer-Zahnspangenträger“ im Publikum werden Dich dafür vergöttern, weil sie Dich davor gar nicht gekannt haben. Du kannst auf die großen Bühnen gehen und keiner wird Dir übelnehmen, dass „The Voice“ mit deutschem Gangsterrap ungefähr so viel zu tun hat wie Helene Fischer mit Feine Sahne Fischfilet.
„Ich bin Letzter geworden. Wer hat für mich angerufen?“, fragt Sido seine Fans in der ausverkauften Lanxess-Arena. Und steckt den Misserfolg mit seiner Kandidatin Freschta Akbarzada in der Talentshow mit einem breiten Grinsen weg. „Die einzige Ausrede die ich gelten lasse, ist, wenn ihr sie nicht gesehen habt. Aber wer guckt das schon? Ich habe sie mir auch nicht angeguckt.“
Thema durch. „Euer Papa muss Musik machen. Keiner macht das so wie Papa.“ Es gibt wohl keinen im weiten Rund, der dem widerspräche. Sido liefert, im schwarzen Trainingsanzug, mit rotem Käppi und fetter Goldkette, satte zwei Stunden lang eine kluge Mischung aus alten und neuen Songs. Klug deshalb, weil er sie alle abholt.
Die Sentimentalen, die dem alten Gangsterrapper immer noch nachtrauern und für die „Mein Block“ für alle Zeiten das authentischste aller Sido-Werke sein wird. Ja, man darf manche Sido-Songs durchaus Werke nennen. Aber wozu hinterherjammern?
Kuschelrap vom Feinsten
Die Werke werden bleiben, aber „Tausend Tattoos“, der Titelsong der Tour, ist eben leider auch geil. Und „Pyramiden“ vom neuen Album „Ich & keine Maske“, zu dem Sido den Popmusiker Johannes Oerding auf die Bühne holt. Einfach wunderbar radiotauglich. „Los wir schaffen etwas Großes, auch wenn’s nicht zu seh’n ist, etwas das für immer bleibt, für immer bleibt.“ Das ist Kuschelrap vom Feinsten.
Und dann holt Papa auch noch den Sohnemann auf die Bühne. Der ist inzwischen 19, begleitet ihn für ein paar Minuten am Schlagzeug. Es ist gerade mal 13 Jahre her, da hat Sido ihm den Song „Ein Teil von mir gewidmet“. Kinder, wie die Zeit vergeht.
Was dürfen die Fans am Ende dieses Wahnsinnabends noch erwarten? Die Info, dass Paul Würdig aus Ost-Berlin, wie Sido mit bürgerlichem Namen heißt, am 17. Dezember 2020 mit einer Weihnachtsshow wieder in Köln sein wird. Weihnachten mit Sido und Gästen im Palladium! Tommy Engel muss zittern.
Und - na klar. Den Song, den das Publikum mit einem rhythmischen „Tam-tadada-dada!“ den ganzen Abend über immer wieder eingefordert hat und der bei seiner Veröffentlichung im Jahr 2004 so richtig schön schocken sollte. Sidos Arschficksong ist 15 Jahre später nur noch ein Stück Folklore. Über das sich alle lustig machen.
Dagegen sind „Bilder im Kopf“ und „Schlechtes Vorbild“ echte Klassiker. Und Sido schon lange nicht mehr der, vor dem Eltern ihre Kinder warnen müssen. Im Gegenteil. Seine Texte gehören längst zum Lehrstoff ambitionierter Deutschlehrer, von denen zum Tour-Abschluss sicher auch etliche in der Arena waren.