Silvia Seidel„Anna hat mein Leben versaut“
Köln – In den 1980er Jahren stürmten wegen „Anna“ Zehntausende Mädchen in die Ballettschulen, Millionen verfolgten „Annas“ Geschichte im ZDF. Silvia Seidel, damals gerade 17 Jahre alt, versetzte Deutschland in einen „Anna“-Rausch. Ein zartes Wesen war sie, das in einer herzzerreißenden Story die Nation begeisterte.
25 Jahre später ist Silvia Seidel tot. In ihren letzten Lebenstagen wurde sie offenbar nur von der Wirtin ihrer Stammkneipe in München vermisst. Weil Silvia Seidel nicht wie gewohnt nachmittags bei ihr vorbeikam, klingelte die Wirtin nach einigen Tagen an Seidels Haustür, vergeblich. Die Polizei fand die Schauspielerin schließlich tot in ihrer Wohnung. Sie hatte einen Abschiedsbrief hinterlassen. Silvia Seidel wurde 42 Jahre alt.
Das Drama ihres Lebens war, dass sie mit 18 Jahren bereits den Zenit ihres Ruhms überschritten hatte. 1987 war sie mit dem ZDF-Weihnachtsmehrteiler „Anna“ berühmt geworden, in dem sie eine vorübergehend gelähmte Ballerina spielte, die am Ende ihr Glück findet.
Damals war ein Weihnachtsmehrteiler – mangels Konkurrenz auf dem Sendermarkt – noch eines der wichtigsten Fernsehereignisse des Jahres. Entsprechend überwältigend war der Erfolg für Seidel. Der „Bunten“ erzählte sie vor fünf Jahren: „Nach »Anna« stand ich unter Schock wie nach einem Unfall. 15 Jahre hat es gedauert, bis ich aufgewacht bin. Es passierte damals einfach zu viel in zu kurzer Zeit. Seitdem habe ich einen Großteil meines Lebens damit verbracht, »unberühmt« zu werden.“
Doch „unberühmt“ zu sein ist auch schmerzhaft. So jäh der Erfolg kam, so schnell ging er auch. Es folgten noch ein „Anna“-Kinofilm und ein Bambi. Danach wurde es still um Seidel. „Die Rolle hat mir mein Leben versaut“, klagte sie.
Mutter beging Suizid
1992 dann der tiefe Einschnitt: Ihre seit Jahren an Depressionen erkrankte Mutter nahm sich das Leben. In einigen Presseberichten warf man Seidel vor, sich nicht um ihre Mutter gekümmert zu haben. „Da war alles vorbei, alles“, erzählte sie 2011 der „Süddeutschen Zeitung“: „Alles, was ich gemacht habe, war eine Katastrophe.“
Silvia Seidel spielte fortan nur noch Gastrollen in Fernsehserien wie „Forsthaus Falkenau“ und „Rosenheim Cops“ – und musste immer wieder dieselbe Frage beantworten: wie es sich anfühlt, ein Ex-Star zu sein.
Tapfer berichtete sie dann von ihren Theaterengagements, doch zwischendurch brach die Wirklichkeit durch. „Ich bin oft arbeitslos und weiß nicht, wovon ich die Miete bezahlen soll. Ich bin froh, überhaupt noch Arbeit zu bekommen, muss nehmen, was ich kriegen kann“, sagte sie im vergangenen Jahr. Zuletzt soll auch die Beziehung zu ihrem langjährigen Freund in die Brüche gegangen sein.
Im Herbst stand eine Theatertournee an, doch dafür hatte sie wohl doch keine Kraft mehr. „Mir hat meine Angst viel kaputt gemacht. Sie ist das Gegenteil von Freiheit. Ich hatte so viel Angst und Selbstzweifel, dass ich schöne Momente nicht genießen konnte.“