Simone Stewens verlässt Kölner Filmhochschule„Vor Corona gab es ein Produktionshoch“
- Vor der Corona-Krise stand Köln als Film-Standort gut da: Es gab sogar einen Fachkräftemangel. An der Kölner Filmhochschule werden diese Fachkräfte ausgebildet.
- Nun verlässt die Leiterin Simone Stewens nach 18 Jahre die Internationale Filmschule Köln.
- Im Interview erzählt sie von Köln als Medienstandort, dem Wandel im Unterrichten an der Filmhochschule und den Herausforderungen für Studenten heute.
Frau Stewens, nach 18 Jahren verabschieden Sie sich als Geschäftsführerin der Internationalen Filmschule Köln. Was hat Sie damals gereizt, die Leitung der neu gegründeten ifs zu übernehmen?
Ich hatte zu der Zeit als Filmredakteurin beim Bayerischen Rundfunk einen tollen Job, aber so ein großer Sender ist auch eine sehr bürokratische Einrichtung. Was mich an der ifs reizte, war die Pionierarbeit in einer kleinen Institution, für die man erst einmal ein Ziel und eine Vision entfalten und dann neue Studiengänge und Strukturen Schritt für Schritt aufbauen konnte. Dies zusammen mit einem motivierten Team zu tun – das war der größte Reiz daran.
Was haben Sie in Köln dann vorgefunden?
Wolfgang Clement hatte im Jahr 2000 in den MMC-Studios bereits die Schule unter ihrem jetzigen Namen aus der Taufe gehoben. Was Initiator und Gründer Dieter Kosslick schon seit Mitte der 90er Jahre entwickelt hatte waren unterschiedliche Weiterbildungsprogramme für Film und Fernsehen. Der Nukleus, das erste Programm war die Schreibschule e. V., das sich an professionelle Autoren wandte, die aus dem Journalismus oder vom Theater kamen, aber keine Erfahrung mit dem Schreiben für Film besaßen. Später kamen Szenenbild, Requisite und andere Fächer wie Filmmontage und Animation hinzu. Die Schule war von Kosslick gegründet worden mit dem klaren politischen Ziel, den Strukturwandel in NRW Richtung Medien voranzutreiben. Für die Schule war damit der Auftrag verbunden, den florierenden Medienstandort, an den die Filmstiftung NRW schon damals viele internationale Kinoproduktionen lockte, mit qualifiziertem Personal auszustatten. Der Motor war tatsächlich der Strukturwandel weg von Kohle und Stahl.
Wie steht der Standort heute da?
Vor Corona haben wir festgestellt, dass es ein absolutes Produktionshoch mit mehr als ausgelasteten Kapazitäten gab, nicht zuletzt bedingt durch den aktuellen Serienboom. Bereits seit knapp zwei Jahren registriert die Branche einen zunehmenden Mangel an Fachkräften. Gesucht werden nicht nur Aufnahmeleiterinnen und Regieassistenten, sondern auch Produzentinnen sowie Regisseure, und besonders Autorinnen, die in der Lage sind, seriell zu schreiben. Auch vor 20 Jahren, als die ifs gegründet wurde, gab es mit der Etablierung der Privatsender eine ähnliche Situation mit hoher Produktionsauslastung. Mit unserem Bachelor-Studiengang Film fingen wir an, für unterschiedliche Spezialisierungen innerhalb der Gestaltung und Produktion narrativer Filme auszubilden. Gleichzeitig haben wir aber an der ifs immer versucht, den Markt nicht zu überschwemmen, indem wir unsere Kurse in den einzelnen Studienrichtungen mit maximal acht bis zehn Studierenden klein halten und in den Bachelor- und Master-Studiengängen nur alle zwei Jahre neue Studierende aufnehmen.
Nun gibt es in Köln mit der KHM noch eine weitere Filmschule. War das Verhältnis immer spannungsfrei?
Am Anfang gab es sicher Sorgen, dass nun eine Schule zu viel am Standort sein könnte. Wir haben aber sehr schnell den Dialog mit den Kollegen an der KHM begonnen und haben uns in der Folge an der ifs so positioniert, dass wir mit unseren Studienrichtungen und -programmen komplementär zur Kunsthochschule für Medien aufgestellt sind. Im Laufe der Jahre haben wir in der Lehre zunehmend zusammengearbeitet, wie zuletzt im Rahmen gemeinsamen Masterclass mit Wim Wenders. Für unsere jeweiligen Kamera-Schwerpunkte gibt es schon seit zehn Jahren gemeinsame Seminare, von denen die Studierenden sehr profitieren. Wir teilen uns sogar einen Technikpool mit High-End Kamera-Equipment.
Simone Stewens, geb. 1956 in Heidelberg, arbeitete als freie Journalistin für ARD und ZDF, bevor sie in die Filmredaktion des Bayerischen Rundfunk wechselte, u. a. moderierte sie hier das Magazin „kinokino“, Später war sie für Kino-Produktionen des BR zuständig. Von 2002 bis 2020 leitete sie die Internationale Filmschule Köln. Ihre Nachfolgerin ist Nadja Radojevic (40).
Was waren für Sie besondere Einschnitte?
Viele Entwicklungsschritte in der ifs waren getrieben von der digitalen Transformation. Film wurde zum digitalen audiovisuellen Medium. Das hat zu einigen inhaltlichen Innovationen an der ifs geführt, zum Beispiel zur Einführung der Studienrichtung VFX und Animation im Rahmen des BA Film oder zum Masterstudiengang Digital Narratives, in dem Formen des digitalen Erzählens erforscht und kreiert werden.
Hat sich auch die Herangehensweise der digital nativen Studierenden verändert?
Am Anfang habe ich das gedacht: Was kann man denen eigentlich noch beibringen? Aber wir haben sehr schnell festgestellt, dass die Digital Natives sehr intuitiv in den Umgang mit den Medien hineinwachsen. Also nicht systematisch, sondern durchs Tun. Man erreicht aber eine andere Qualitätsstufe, wenn man ein ästhetisches Bewusstsein verbunden mit handwerklichen Kenntnissen entwickelt, die über selbst gemachte Videos hinausgehen.
Das Gespräch führte Frank Olbert