Die perfekte Familienidylle trügt gewaltig. In der Werbeprospekt-Kulisse wohnen in diesem „Polizeiruf 110“ die wahren Fieslinge.
So war der „Polizeiruf 110“Der Traum von der perfekten Familie
In der Episode „Diebe“ geht es um viel mehr als um die Frage, wer der Täter oder die Täterin war. Es geht um Menschen, die ihren Traum von Familie leben wollen. Und dieser Traum sieht für viele aus wie das moderne Eigenheim mit Garten des Täter-Paars. Tipptopp eingerichtet, die Kinder hüpfen auf dem Trampolin, Würstchen auf dem Grill, Basketballkorb vorm Haus, der Rasenmäher-Roboter sorgt für gepflegtes Grün. Sie sehen aus, wie einem Werbeprospekt entsprungen. Doch dieser Traum kostet eben auch ein paar Euro, die sich das Ehepaar mit dubiosen Finanzprodukten ergaunert hat. Ausgerechnet bei gutgläubigen Senioren. Und als eine dieser Seniorinnen ihnen auf die Schliche kommt, wird sie erstickt.
Das Drehbuch dekliniert das Thema Familie auf allen Ebenen durch
Die perfekte Familienidylle trügt also gewaltig. Aber läuft es in der illegal besetzten Gartenlaube wirklich besser? Ja, die junge Mutter Mascha Kovicz (Meira Durand) liebt ihre fünfjährige Tochter über alles. Und bei Sonnenschein könnte man sich das Chaos mit den Graffiti-Schmierereien noch als romantisch schönreden. Aber schickt eine gute Mutter ihr Kind zum Klauen los? Und schießt sich selbst mit Drogen ab?
Das Drehbuch deklinierte das Thema Familie auch auf der Ebene der Kommissarinnen durch. Nach Jahrzehnten der Abwesenheit taucht plötzlich Katrin Königs (Anneke Kim Sarnau) Vater auf. Will er nach all den Jahren wirklich eine echte Annäherung? Die toughe Kommissarin ist misstrauisch, Anneke Kim Sarnau spielt sie gekonnt in ihrer Zerrissenheit aus schroffer Ablehnung und leiser Hoffnung.
Ihre neue Kollegin Melly Böwe (Lina Beckmann) hingegen scheint nur die nette Naive zu sein. Hoffentlich werden die beiden Figuren im längeren Zusammenspiel noch vielschichtiger.
Die Hauptrolle spielen bei diesem Fall eigentlich die Gefühle und nicht so sehr die Frage, wer Täter oder Täterin war. Es geht um Hoffnungen, Eitelkeit, Familie, gekränkte Liebe und um Gier. Wer mag, kann sogar Liebe oder Familienzusammenhalt darin erkennen, dass der Ehemann der Täterin versucht, seinen Kopf für ihren Mord hinzuhalten.
Regisseur Andreas Herzog lässt den Figuren für diese starken Gefühle genug Raum, Marcus Kanter findet dafür ebenso poetische wie plakative Bilder. Ein bisschen mehr Zurückhaltung hätte auch der Musik gutgetan. Die guten Schauspieler und Schauspielerinnen stehen für sich.