Im neuesten Kieler Tatort wird Borowski selbst zum Opfer eines Angriffs. Er lässt sich aber nicht stoppen und ermittelt im Krankenhaus einfach weiter.
So war der TatortBorowski ermittelt im Krankenhaus einfach weiter
Dass Tatort-Ermittler Borowski (Axel Milberg) einmal im Pyjama würde ermitteln müssen, hätten wohl die wenigsten erwartet. Der Kommissar wird mit einer schweren Kopfverletzung auf dem Parkplatz des Krankenhauses aufgefunden und kann gerade so gerettet werden. Was passiert ist, daran erinnert er sich nicht mehr genau. Da sind nur Fetzen von Billie Eilishs „bad guy“ und dem „Whistle Song“ aus Kill Bill, der Geruch von Zigaretten. Und hinter diesen Eindrücken lauert etwas, an das er nicht heranreicht.
In der Zwischenzeit ist ein Teenager auf der Flucht. Da ihr laufend Leute entgegenkommen und sie in ihrer Eile immer wieder angerempelt wird, stößt sie eine Radfahrerin zur Seite - die fällt unter einen heranrauschenden LKW und stirbt.
Der Tatort-Kommissar muss die Leitung abtreten
Für den Tatort mit dem Titel „Borowski und die Wut“ übernimmt Mila Sahin (Almila Bagriacik) vorsorglich die Leitung des Falls. Sie mahnt Borowski wegen der Gefahr einer weiteren Hirnblutung an, im Krankenhaus zu bleiben. Dort bleibt ihm aber auch genug zu tun, denn schon bald bekommt er Anrufe eines Mädchens, das von seiner Schwester Celina (Caroline Cousin) entführt wurde. Borowskis Nummer habe sie auf Celinas Arm gefunden. Der Ermittler kann aber ihren Nachnamen nicht mehr erfahren, bevor der Anruf abgewürgt wird.
Mit Sahins Hilfe erinnert sich Borowski, dass er Celina kennt. Er hat sie wegen eines Hinweises eines Mitschülers in einer Berufsschule aufgesucht. Er wollte noch zu Celinas Großmutter, da bricht seine Erinnerung ab. Die Ermittler fahren also zum Haus und finden die Großmutter ermordet vor. Außerdem entdecken sie, dass der Täter Borowski dort niedergeschlagen hat. Auf den Parkplatz des Krankenhauses, wo ihn der Techniker Sascha Seibert (Roger Bonjour) fand, hat ihn also jemand erst hingeschafft.
Damit verfolgen die Ermittler verschiedene Spuren. Sahin befragt Celinas Eltern. Besonders die Mutter (Alexandra Finder) zeigt sich sehr um ihre jüngere Tochter besorgt sind und traut der älteren Systemsprengerin mit ihren Wutausbrüchen alles zu. In einem von Sahins Besuchen hat sie aber ein blaues Auge und Sahin vermutet, ihr Mann (Jean-Luc Bubert) habe sie geschlagen. Borowski dagegen heftet sich an den Krankenhaustechniker Seibert (Roger Bonjour), der sich als Nachbar von Celinas Großmutter herausstellt. Und in Telefonaten mit Celina baut Borowski allmählich ein Vertrauensverhältnis zu ihr auf, während die Polizei wiederholt die Anrufe nutzt, um Celinas Handy zu orten. Sie kann aber jedes Mal entwischen.
Die Auflösung
Celina gesteht irgendwann, dass sie mit Seibert ein Verhältnis hatte. Und der wiederum gesteht, dass er wegen ihr am Haus der Großmutter war und sie nur tot vorgefunden hat. Da er auch Borowski für tot hielt, und Angst hatte, dass seine Frau durch seine Anwesenheit dort auf seine Affäre schließen würde, schaffte er Borowski auf den Parkplatz des Krankenhauses und stellte dann erst fest, dass er lebte.
Doch er ist auch nicht derjenige, der Borowski niedergeschlagen hat. Celina erzählt, sie habe ihre Schwester nur entführt, um sie vor ihrem gewalttätigen Vater zu retten. Der habe auch wegen seiner Geldsorgen die Großmutter getötet, die als erfolgreiche Geschäftsfrau ein reiches Erbe zu verteilen hatte. Außerdem ist sie schwanger von Seibert. Borowski glaubt ihr und bringt sie dazu, ihre kleine Schwester freizulassen. Die taucht unbeschadet zu Hause wieder auf. Borowski hält den Fall für gelöst und ist bereits in Feierabendlaune - er hat sich im Verlauf des Falles mit einer Mitpatientin verbandelt und braust mit ihr davon.
Der Fall bleibt bis zum Schluss spannend
Ein letztes Mal geht er aber zurück zum Haus von Celinas Großmutter, wo seine Erinnerung allmählich zurückkehrt. Auch Sahin ist skeptisch geblieben und kann Celinas Vater entlasten, was den Mord an Celinas Großmutter angeht.
In der Zwischenzeit ist Celina zu ihrem Liebhaber gegangen und stiehlt seinen jungen Sohn. Borowski erfährt über ein Telefonat von ihrem Plan, den Säugling und sich selbst in einem See zu ertränken, um Seibert die größtmögliche Verletzung zuzufügen. Borowski stiftet Celinas Mutter dazu an, ihre Tochter anzurufen, und auch wenn Celina um ihre Anerkennung förmlich verdurstet, erfahren die Zuschauer nicht, ob die richtigen Worte nun kamen oder nicht. Noch auf dem See ruft sie Borowski erneut an, und er hört noch am Telefon, wie sie ins Wasser springt. Erst als er selbst zum See fährt, erfährt er, dass Celina weder sich selbst noch das Kind ertränkt hat.
Fazit zu „Borowski und die Wut“
Mit etwas mehr Detailtreue hätten kleine Unstimmigkeiten in der Inszenierung vermieden werden könnten, etwa dass ein Knopfdruck auf einer Bluetooth-Box sofort ein Lied abspielt, Celinas Vater in einem Rennspiel wild auf alle möglichen Knöpfe seines Controllers herumdrückt, oder die Seiberts ihr Baby alleine in einem sperrangelweit offenen Auto liegen lassen, natürlich mit dem Schlüssel.
Das schmälert die Sehenswürdigkeit des stimmungsvollen Tatorts aber kaum. Dafür ist die Idee zu überzeugend, Borowski im Krankenhaus am Handy ermitteln zu lassen. So sieht man die Täterin erst ganz zum Schluss und muss nur anhand ihrer Stimme auf ihre Glaubwürdigkeit schließen. Sie bleibt dem Publikum ebenso wie Borowski ein Rätsel, und selbst am Ende, auch mit Wissen um ihren Mord und dem Umstand, dass sie beinahe ein unschuldiges Baby getötet hätte, bleibt da Mitleid für diese Systemsprengerin übrig. Zu verletzlich war dieses „Mama? Bist du noch da?“ bei ihrem Telefonat am See.
Passend also, dass auch die Regisseurin Friederike Jehn Mitleid mit ihren Zuschauerinnen und Zuschauern hatte und das Ganze auf einer aufbauenden Note enden ließ. Es bleiben einige Fragezeichen übrig. Auch wenn Celinas Vater vom Mord an seiner Schwiegermutter entlastet wird, verläuft die Andeutung der häuslichen Gewalt im Sande. Auch Celinas Verhältnis zu ihren Eltern bleibt größtenteils der Fantasie der Zuschauerinnen und Zuschauer überlassen. Das ist aber eine Stärke der Folge, denn einige starke Szenen regen diese Fantasie auch an. „Borowski und die große Wut“ ist ein spannungsreicher Tatort, der zu überzeugen weiß.