Im letzten Auftritt von Heike Makatsch als Ellen Berlinger muss die Hauptkommissarin einen Stalker aufhalten. Der Tatort „Aus dem Dunkel“ startete ambitioniert, konnte das hohe Spannungsniveau aber nicht halten.
So war der TatortDie Kamera selbst wird zum Stalker

Ellen Berlinger (Heike Makatsch) im Tatort „Aus dem Dunkel“
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„Aus dem Dunkel“ ist Ellen Berlingers letzter Auftritt als Tatort-Kommissarin. Wie der SWR mitteilte, wird der Mainzer Tatort nach nur fünf Folgen eingestellt, die Entscheidung sei aus finanziellen Gründen getroffen worden. Ihr Kollege Martin Rascher (Sebastian Blomberg) steht ihr im letzten Fall nicht bei, wie die Zuschauer aus einem Telefonat der beiden erfahren; warum genau bleibt aber unklar.
Einspringen muss Lukas Wagner (Ludwig Trepte). Dieser besichtigt mit Berlinger den ersten Tatort, der streng genommen keiner ist, ein Mord hat sich nämlich gar nicht ereignet. Das Opfer Amira Hassan ist selbst vom Dach gesprungen, allerdings, wie die Zuschauer zuvor erfahren, auf massiven psychischen Druck eines anonymen Anrufers hin, der sie schon eine ganze Weile gestalkt hat.
Darum geht es in Heike Makatschs letztem Fall
Zuvor hatte sich Amira Hassan auch Hilfe bei der Polizei gesucht. Thomas Engels (Andreas Döhler) reagierte sogar noch am Tag des Suizids, weil sie nicht ans Telefon ging, drang in ihre Wohnung ein und sah noch, wie sie vom Dach sprang. Für Lukas Wagner ein verdächtiges Verhalten. Er recherchiert, dass Engels schon auffällig geworden ist: Bei einer Schlägerei sei einer der Tatverdächtigen auf seinen Kollegen zugestürmt und Engels habe ihn erschossen, obwohl er unbewaffnet war.
Trotzdem mausert sich Engels allmählich als Berlingers Ersatz-Partner. Er hat auch einen eigenen Verdacht: Sein Chef Niklas Zerrer (Rainer Sellien) habe Amira Hassans Beschützer spielen wollen, diese habe aber nach Grenzüberschreitungen den Polizeichef mehr und mehr abgewiesen. Zwei Monate später fing dann das Stalking an. Und: Auch eine frühere Kollegin von Engels, Sonja Römer, sei an Zerrer geraten. Sie wurde dann ebenfalls gestalkt und irgendwann ermordet. Zerrer wiederum bestreitet die Vorwürfe und behauptet vielmehr, Engels wolle ihm schon länger etwas anhängen und komme schlichtweg nicht damit zurecht, dass er einen Menschen erschossen hat.
Der Antagonist in „Aus dem Dunkel“ ist ein Stalker
Inzwischen hat sich der Stalker schon ein neues Opfer ausgesucht: Julia Ritter (Susanne Wuest). Er lauert ihr in einem dunklen Parkhaus auf, zersticht ihre Reifen und fährt dann mit bedrohlichem Tempo knapp an ihr vorbei. Irgendwann dringt er sogar in ihre Wohnung ein und legt ihr Unterwäsche raus. Als sie bei der Polizei um Hilfe bittet, kommt sie natürlich an Zerrer und Engels, die beide ihre Hilfe anbieten.
Die beiden stellen sich aber als red herrings heraus. Das Auto des Stalkers wird schließlich zu einem Hinweis auf seine Identität. Offenbar war Daniel König (Matthias Lier) auf einer Party, in der Ritter mit ihrer Catering-Firma war - nur ein Zufall? Engels und Berlinger konfrontieren den Mann, den Engels als IT'ler der Polizei kennt. Wirkliche Beweise haben sie aber nicht.
Die Tatort-Ermittlerin wird selbst zum Opfer des Stalking
Währenddessen zieht Wagner in Ritters Wohnung, um auf sie aufzupassen. Immer wieder gibt es Fehlalarm, weil der Stalker in ihrem Namen Pizza bestellt oder mit einer falschen Wohnungsanzeige Fremde in ihren Garten lockt. Irgendwann taucht der Stalker doch mal selbst auf und tötet Ritters Katze. Der Druck wird so groß, dass die Polizei entscheidet, Ritter in eine andere Unterkunft zu bringen.
Die Zuschauer bekommen einen gewaltigen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern: Offenbar hat König sogar den Selbstmord von Amira Hassan gefilmt. Er beginnt nun auch Berlinger zu stalken, stellt sich gegenüber der Polizei aber selbst aber als Opfer dar. Berlinger kann schließlich mit einem Kaffeebecher, den er weggeworfen hat, nachweisen, dass seine DNA sich auch auf den Krallen der getöteten Katze befindet. Als sie ihn damit aber festsetzen will, reichen die Beweise nicht aus. Die Katze habe ihn zuvor auf der Straße angegriffen, seine Anwesenheit auf Ritters Party sei kein Verbrechen.
Engels gesteht schließlich, wieso er mit Niklas Zerrer so im Clinsch liegt. Die beiden hätten zusammen nach einer Schlägerei mehrere Verdächtige in ein leerstehendes Gebäude verfolgt. Als einer der Männer dann auf Zerrer losging und er rief, der Mann habe eine Waffe, erschoss Engels den Angreifer. Hinterher habe Zerrer dann behauptet, das Wort Waffe nicht gebraucht zu haben.
Das Opfer stellt sich dem Bösewicht
Letztlich ist es Ritter, die auf Konfrontationskurs mit dem Stalker geht. Sie will sich mit ihm verabreden, damit Wagner ihn erschießen kann. Der wiegelt zunächst ab. Als Ritter sich aber eigenmächtig zum verabredeten Ort aufmacht, fährt Wagner ihr hinterher, ohne Berlinger zu kontaktieren.
Dort findet er Ritter nicht. Der Stalker hat sie nämlich im Auto abgefangen und lotst sie nun stattdessen an eine Brücke, aus der sie sich stürzen soll. Wagner gesteht Berlinger seinen Alleingang, die mit Engels in Königs Wohnung eindringt und nach Hinweisen für seinen Verbleib sucht. Engels erinnert sich schließlich an die Aussage einer Ex-Freundinnen des Stalkers, nach der er sich von einer bestimmten Brücke stürzen wollte, sich aber nicht getraut hatte.
Dort können Wagner, Engels und Berlinger den Stalker stellen. Als Berlinger sich König unbewaffnet nähert, will der Stalker sie in den Tod reißen und bedroht sie mit einem Messer. Berlinger schreit „Waffe!“, wonach Engels den Stalker mit einem Schuss außer Gefecht setzt. Und als sie die Daten des Stalkers durchgehen, können sie auch nachweisen, dass Zerrer gegenüber der ermordeten Polizistin Sonja Römer völlig übergriffig war.
Fazit zum Tatort „Aus dem Dunkel“
Die größte Stärke der Folge ist wohl die unruhige Kameraführung (Namche Okon). Immer wieder lauert sie im Hintergrund, wanzt sich allmählich an die Opfer heran. Und selbst wenn sie dann nahe ist, hat man stets das Gefühl als Voyeur auf die Figuren zu blicken. Unter der Regie von Jochen Alexander Freydank kommt so ein visuelles Kunststück zustande, in dem die Augen des Stalkers simuliert werden.
Im Zusammenspiel mit den recht kreativen Übergriffen des Stalkers, ob er nun Essen zum Haus seiner Opfer bestellt oder eine Wohnungsanzeige schaltet, um Menschen an ihr Haus zu lotsen, wird so der immense psychische Druck eines Stalking-Opfers spürbar. Damit weist die Folge auf ein Problem hin, für das der Polizei immer noch die richtige Handhabe fehlt. Laut SWR ist Stalking mit 200.000 Anzeigen pro Jahr auch keine Randerscheinung.
„Beweise? Was denn für Beweise? Meine Leiche oder was?“
Der Antagonist ist aber auch eine Schwäche der Folge. Letztlich gelingt es der Inszenierung eher, den Stalker als bedrohlich darzustellen, wenn er sich unerkannt im Hintergrund bewegt. Sobald er dann leibhaftig in Erscheinung tritt, fällt die Spannung stark ab. Dafür, dass die Folge mit einem psychologischen Mastermind einsteigt, das mit Worten einen Menschen in den Suizid treiben kann, erweist sich der Stalker letztlich eher als plump und unbeholfen. Er klebt nicht in wahnhafter Obsession an eine Frau, sondern wandert scheinbar wahllos von einem Opfer zum nächsten.
Es ist also naheliegend, mit ihm einige Stilmittel des Horror-Genres einzusetzen, etwa dissonante Töne im Hintergrund oder kleinen Jumpscares - die sind aber selten effektiv. Auch wäre eine Andeutung darum, wie Julia Ritter nun trotz dieser schrecklichen Erfahrungen weitermachen wird, interessant gewesen. Die restlichen Nebenfiguren sind aber wunderbar geschrieben, besonders die des zunächst misstrauischen Thomas Engels, dem Berlinger zu neuem Vertrauen verhilft. „Aus dem Dunkel“ ist also eine solide letzte Folge für den Mainzer Tatort, der zumindest für Ellen Berlinger einen versöhnlichen Abschluss findet.