Die Oster-Folge des „Tatort“ hatte gute Krimi- und schlechte Politthriller-Momente. Corinna Harfouchs wird als Tatort-Ermittlerin neben Mark Waschke aber noch viel Freude machen.
So war der Tatort zu OsternLieber ein guter Krimi als ein mieser Politthriller
Die Entscheidung, Corinna Harfouch als neue Tatort-Ermittlerin in einem Zweiteiler zu feiern, war sicher klug. So haben die Zuschauerinnen und Zuschauer schon zu ihrem Einstand genug Zeit, um ihre Figur kennenzulernen.
Die hat einiges zu bieten. Susanne Bonard ist eine gestandene LKA-Persönlichkeit, die auch ein Standardwerk für Ermittler verfasst hat. Mittlerweile lehrt Bonard an der Polizei-Akademie, hat aber immer wieder mit rassistischen Vorfällen zu tun. Dass diese Vorfälle sich zu einem strukturellen Problem vermehrt haben, will die Direktion nicht wahrhaben - selbst als Bonard belastendes Videomaterial zugespielt wird. Stattdessen löst die Akademie das Problem, in dem sie die Beteiligten - darunter auch der Sohn des Direktors - kurzzeitig suspendiert. Dass auch eine Lehrkraft darin verwickelt ist, scheint die Akademie nicht zu stören.
Der Fall
Inmitten der Sichtung des Materials bekommt Bonard einen Anruf der Schutzpolizistin Rebecca Kästner (Kaya Marie Möller). Die hatte bereits an der Akademie ein schlechtes Verhältnis zu ihrer Dozentin. Bonard würgt die Schutzpolizistin ab und legt auf. Am nächsten Morgen ist Kästner Tod, alle Hinweise deuten auf Suizid. Robert Karow beginnt seine Ermittlung.
Erst muss Karow das verstörte Kind des Opfers suchen, das sich verschwiegen zeigt. Dann erbringt auch eine Befragung des Ehemanns höchstens einen Verdacht. Bei Kästners Einheit stolpert Karow förmlich in eine kleine Ansprache des Gruppenleiters Guido Konrad (Christoph Jöde), die an so manche Fußball-Halbzeitkabine in der Kreisliga erinnert („Körpersprache!"). Die ganze Einheit macht einen unangenehmen Eindruck; Zweifel an ihrem Vorgehen werden schnell als Zimperlichkeit oder Illoyalität herunterspielt. In diesem Umfeld wurde Kästner immer mehr zur Außenseiterin, so die Aussage ihrer Kollegin Tina Gebhart (Bea Brocks).
Da Kästner zuletzt mit Bonard Kontakt hatte, ruft Karow bei ihr an, wodurch die Dozentin von Kästners Tod erfährt. In der Akademie ereilt ihr ohnehin der Vorwurf des Denunziantentums. Also hängt sie ihren Job als Dozentin an den Nagel und kehrt zum LKA zurück, um im Fall Kästner zu ermitteln.
Die Auflösung
Karow und Bonard finden heraus, dass Rebecca Kästner ein Verhältnis mit Arne Koch (Sebastian Hülk) hatte. Dieser betreibt eine private, militärisch anmutende Sicherheitsfirma. Auch der Sohn des Polizeidirektors hat nach seiner Suspension dort Zuflucht gefunden; als Heimstätte für zu radikale Polizisten deutet sich bereits an, dass die Firma eine größere Rolle im Ganzen spielt.
Bonard findet schließlich heraus, dass Gebhart für die Sicherheitsfirma große Mengen von Waffen schmuggelt. Zusammen mit Karow stößt Bonard also auf ein ganzes rechtes Netzwerk, das große Umsturzpläne verfolgt. Ihre Ermittlung wird aber vom Verfassungsschutzmitarbeiter Reitemeier (Tilo Nest) ausgebremst, da sowohl Gebhart als auch Arne Koch für ihn arbeiten. Reitemeier meint, die Mordkomission solle sich um Mordfälle kümmern, nicht um Ereignisse von nationaler Tragweite. Gebhart fliegt trotzdem als Agentin des Verfassungsschutzes auf, am Ende wird sie von ihrem eigenen Polizei-Kollegen Konrad erschossen, der es einem syrischen Flüchtling anhängt.
„Nichts als die Wahrheit“ zeigt Probleme im Verfassungsschutz
Über eine Anwältin stellen Bonard und Karow Kontakt zu einem Journalisten her, der länger zu rechten Netzwerken ermittelt hat. Damit finden sie weitere Indizien dafür, dass die Sicherheitsfirma und ihr Besitzer Teil des rechten Terrornetzwerks sind. Karow und Bonard gelingt es schließlich, mit einem Zeugen den Mord an Gebhart aufzuklären, sie können dem Täter aber kein Geständnis abringen und ihnen fehlen Beweise.
Dann gelingt es ihnen auch, die geschmuggelten Waffen dingfest zu machen und Beweise dafür zu finden, dass der Präsident des Verfassungsschutzes (Thomas Dannemann) das nächste Ziel der Terrorzelle sein wird. Mit seinem Tod würde die Vizepräsidentin (Birge Schade) in sein Amt drängen, die sich politisch weiter rechts positioniert. Die Ermittler können ein Attentat auf den Präsidenten des Verfassungsschutzes letztlich nicht verhindern; und Arne Koch ermordet den Täter - seinen eigenen Schützling -, um seine Deckung als V-Mann zu halten.
Fazit
„Nichts als die Wahrheit“ ist einer dieser Tatorte, die nicht besser werden, wenn man sie ein bisschen sacken lässt. Im Kleinen kann er durchaus überzeugend und spannend erzählen, zum Beispiel in der Darstellung des Racial Profiling oder darin, wie Bonard „subtil“ aus der Akademie herausgeekelt wird. Auch das Duo aus Bonard und Karow verspricht noch viele spannende Ermittlungen; die beiden Rollen begegnen sich auf Augenhöhe.
Dazu trägt auch bei, dass Bonard nicht als blutjunge Ermittlerin dazustößt, sondern als gestandene Ermittlerin. Selbst der vor Selbstbewusstsein strotzende Robert Karow kommt kurz ins Stottern, als er erfährt, dass die Susanne Bonard in sein Revier kommt. Aber die Susanne Bonard war auch lange nicht mehr im Dienst, und ihre fehlende Routine kann die Spannung in die Höhe treiben, etwa wenn sie in einer kritischen Situation ihre Waffe fallen lässt.
Auf der anderen Seite strahlt sie Souveränität aus. Bemerkenswert ist die Szene, in der sie den Polizeidirektor konfrontiert: „Sind Sie Teil dieser Strategie oder sind Sie einfach nur gefährlich naiv?“; und ihm trotz seines unsäglichen Verhaltens rät, seinen Sohn aus der Sicherheitsfirma herauszuholen. Bonard ist eine glaubwürdige, gut geschriebene Figur.
Der Tatort hat relevante Themen, weiß sie aber nicht zu erzählen
Letztlich scheitert die Folge aber an ihrer eigenen Größe. Rassismus in der Polizei und Rechtsterrorismus sind hochrelevante Themen, die angesprochen werden müssen. Es erscheint auch logisch, das Thema entsprechend groß zu machen, damit bildet man schließlich die Realität ab. Diese Größe können aber nicht einmal die Figuren glaubwürdig rüberbringen. Symptomatisch ist etwa die Szene, in der die Ermittler die Todeslisten entdecken und die Beobachtung machen: „Das heißt, es geht um den Umbau des gesamten Polizei- und Rechtssystems!“ - „Wow, das ist echt groß.“ In der Welt der Tatort-Ermittler hat wohl ein Ereignis wie der Tod von Walter Lübke nicht stattgefunden, anders ließe sich diese gefährliche Naivität nicht erklären.
Kein Wunder also, dass die Folge ein mulmiges Gefühl hinterlässt, da stehen lediglich zwei Ermittler einem gewaltigen Rechtsruck im Weg. Das mulmige Gefühl, das ist wohl gewollt, aber auch die Ausblendung einer Zivilgesellschaft? Guter Polizeiarbeit? Der Politik? Des Konflikts zwischen Datenschutz und Terrorismusbekämpfung? Der Vergangenheit? Wie das alles auch in einen Film unterbringen, aber dann wiederum die Frage: Wieso einen unterkomplexen Film über ein überkomplexes Thema drehen? Wieso nicht einfach einen Krimi über Rassismus in der Polizei?