So wird der „Tatort“Ein Leben in Dunkelheit
Der Start war vielversprechend: Das neue Bremer „Tatort“-Trio konnte sich im Frühjahr durch ungewöhnliche Typen, eine reizvolle Besetzung und eine gute Geschichte profilieren.
Davon ist im zweiten Film „Und immer gewinnt die Nacht“ (12. Dezember, 20.15 Uhr, ARD) leider nicht mehr viel übrig geblieben. Das Drehbuch stammt zwar erneut von Christian Jeltsch, aber diesmal wirkt vieles von dem, was beim Auftakt noch originell anmutete, bloß noch bemüht.
Für „Tatort“-Fans
„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.
Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.
Das gilt vor allem für das Miteinander des Teams. Wenn sich zu den lebensfernen Dialogen auch noch eine nicht rundum überzeugende Leistung der Darstellerinnen gesellt, sieht das Ergebnis so aus, als lieferten sich Luise Wolfram und Jasna Fritzi Bauer einen Wettbewerb darum, wer die originellere Rolle spielt und die besseren Pointen hat.
Seltsamerweise hat Regisseur Oliver Hirschbiegel, eigentlich ein renommierter Vertreter seines Fachs („Das Experiment“, „Der Untergang“), bei der Führung auch weiterer weiblicher Mitwirkender nicht immer ein glückliches Händchen, sodass Dar Salim der konkurrenzlose Star dieses Films ist.
Wenig fesselnder Krimiplot
Womöglich würde die schauspielerische Sperrigkeit weniger ins Gewicht fallen, wenn die Krimiebene fesselnder wäre: Der Arzt Björn Kehrer (Markus Knüfken) ist am Containerhafen in eine Falle gelockt worden. Sein Kopf weist Spuren äußerster Brutalität auf; hier hat jemand seiner wilden Wut freien Lauf gelassen. Während daheim auf der Couch alle ahnen, dass Gewalttaten dieser Art stets einen Beziehungshintergrund haben, ermitteln Liv Moormann (Bauer), Linda Selb (Wolfram) und Mads Andersen (Salim) in ganz andere Richtungen.
Vielversprechendste Verdächtige ist eine junge Frau, deren geistig behinderter Bruder Hendrik Patient bei dem nun toten Arzt Kehrer war und im Koma liegt. Ann Gelsen (Anna Bachmann) ist einschlägig vorbestraft: Sie hat den Mann, der ihren Bruder Hendrik einst angefahren und damit die Behinderung verursacht hat, erschlagen.
Bachmann spielt in den „Wolfsland“-Krimis die Tochter des Kommissars und macht das ganz ausgezeichnet; sie ist auch hier einer der Gründe, warum dieser „Tatort“ trotz aller Einwände das Einschalten lohnt.
Salim ist für die Action zuständig
Ein weiterer ist Schauspieler Dar Salim: Andersens Arbeit als Undercover-Ermittler hat dazu geführt, dass in Kopenhagen ein Araber-Clan aufgelöst werden konnte. Als Belohnung winkt ihm ein Schreibtischjob; da arbeitet er lieber für die Bremer Kripo. Aber so leicht lässt sich die Vergangenheit nicht abschütteln: Der Teenagersohn eines von der Polizei erschossenen Clanmitglieds sinnt auf Rache.
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Wie der sonst so coole Andersen den Jungen von dessen Plan abbringt, ist eine der intensivsten Szenen des Films. Außerdem ist Salim für die Action zuständig: Ermittlungen auf einem Schiff, dessen Besatzung womöglich in den Mord verwickelt war, münden in eine Prügelei mit den Matrosen, die den Dänen kurzerhand über Bord werfen.
Völlig anderer Natur, aber nicht minder sehenswert sind die Begegnungen mit der zweiten prägenden männlichen Figur, weil Ernst Stötzner den gesundheitlich schwer angeschlagenen Kopf einer Zigarrenfirma mit großer Würde verkörpert: Claas-Heinrich Aufhoven hat Lungenkrebs und ebenso wie sein Unternehmen die besten Jahre lange hinter sich.
Trotzdem gibt er nicht auf und hofft, dass eine neue Kreation die Firma aus den roten Zahlen retten kann, zumal Vicky (Franziska von Harsdorf) ein erfolgreiches Konzept für den Onlinehandel ausgearbeitet hat.
Eine weitere Verdächtige
Sie ist sehr zum Unmut ihrer stocksteifen Mutter (Karoline Eichhorn) die Freundin von Ann Gelsen; so schließt sich der Kreis. Als sich rausstellt, dass Kehrer mit Vickys Auto überfahren worden ist, zählt die junge Frau ebenfalls zum Kreis der Verdächtigen. Die Krimiebene entspricht also im Großen und Ganzen den üblichen Gepflogenheiten.
Dass die beiden Ermittlerinnen ständig „verfickt“ oder „Fuck“ sagen müssen, wirkt allerdings wie der allzu durchsichtige Versuch, sich sprachlich von den älteren Ermittlerkollegen aus Köln, München oder Münster abzusetzen.