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So wird der TatortFelix Murot geht in die Matrix

Lesezeit 3 Minuten
Murot liegt in einer eckigen Wanne voller Wasser, auf dem Kopf hat er einen Apparat. Er scheint zu schlafen. Aus seinem Körper laufen zwei große Nabelschnüre.

Felix Murot (Ulrich Tukur) dringt im neuesten Tatort auch in sein Unbewusstes

Der neueste Tatort „Murot und das Paradies“ zeigt den Ermittler von seiner verwundbaren Seite. Der depressive Ermittler gerät wegen seiner Suche nach dem Glück in große Gefahr.

Eine Fliege, die jedes Mal gegen die Fensterscheibe fliegt, weil sie eben nur die nächste Lichtquelle ansteuert. An wen das Felix Murot erinnere? „An mich. An uns alle.“ Dieser Tatort beginnt mit einer Therapiesitzung. Felix Murot (Ulrich Tukur) liegt auf der Couch, sein Analyst Dr. Wimmer (Martin Wuttke) sitzt neben ihn auf einem Sessel. Man ahnt: Hier wird es tiefgründig zugehen, und auch der Titel „Murot und das Paradies“ macht auf eine mythologische Ebene aufmerksam. Der neueste Tatort wird am Sonntag, dem 22.10. in der ARD ausgestrahlt. Seine Premiere hatte er im 19. Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein.

Doch ein Tatort braucht neben Therapie auch einen Fall, und deswegen taucht bald die erste Leiche auf. Es trifft eine Investment-Bänkerin, die kuriorerweise keinerlei Spuren der Gewalt aufweist. Dass es ein Mord sein muss, da ist sich die Rechtsmedizinerin Dr. Dr. Kispert (Eva Mattes) sicher, denn das Opfer ist dehydriert. Zudem habe sie im Wasser gelegen, als sie starb. Und das kurioseste: Sie hat keinen Bauchnabel mehr, sondern stattdessen eine Art Port, über den man sie mit einer künstlichen Nabelschnur ernähren könnte. Ein kleiner, aber genialer Eingriff, auf den Murot und Magda Wächter (Barbara Philipp) sich keinen Reim machen können.

Der neueste Tatort erinnert an Matrix

Inzwischen beobachten die Zuschauer das mutmaßlich nächste Opfer: Wieder ein Börsenspekulant, der in der Schnelllebigkeit des Wallstreet-artigen Business kurz vor dem Zapfenstreich einen fragwürdigen Deal mit Klauen, Zähnen und Tastaturen vor seinem Vorgesetzten verteidigt. Am Ende ruft er aus seinem Lamborghini jemanden an, verlangt nach einem Termin. „Ich hab geliefert!“

Murot schaut sich derweil in der Wohnung des ersten Opfers um und trifft dort auf eine Frau, die sich als Ruby Kortus (Iona Bugarin) vorstellt. Sie behauptet, in einer Liebesbeziehung zum ersten Opfer gestanden zu haben, als Deko stehen sogar zwei Reliefs ihrer beiden Vaginas auf einer Kommode. Zu ihrer beruflichen Tätigkeit sagt sie nicht viel, Murot solle sie einfach googeln, am besten allein. Ansonsten bekommt er nicht viel Brauchbares aus ihr heraus. Und einen Bauchnabel hat sie auch. Also eine falsche Fährte?

Murot findet auf einer Party das Paradies

Der Lamborghini-Fahrer taucht schließlich auch als Leiche wieder auf, ebenfalls ohne Bauchnabel. Dieser ist aber nicht dehydriert, sondern erfroren. Trotzdem zeigt sein Gehirn eine seltsame Auffälligkeit, die man sonst nur von Suchtkranken kennt: Eine Region, die für das Glück verantwortlich ist, war unnatürlich lange aktiviert. Er starb also in einem Glücksrausch, den man sich als psychisch durchschnittlicher Mensch kaum vorstellen könne.

Das Ermittlungsteam ist recht ratlos. Über Ruby Kortus kommen sie schließlich auf eine große Geheimparty, zu der man nur erscheinen kann, wenn man am Tag des Events eine bestimmte Nummer anruft. Und als Murot auf diese Party geht, stößt er tatsächlich die Tür zum Paradies auf...

Fazit zum neuesten Krimi am Sonntag

Was auch immer man dem neuesten Tatort vorwerfen kann: Er ist interessant. Der Krimi stellt sich tiefgründigen Fragen, etwa, warum wir alle hier sind und was wahres Glück bedeutet. Dabei taucht die Folge tief in ein surreales Erzählen ein, das gut zu den zentralen Themen passt. Ein richtiger Krimi kommt dabei eigentlich gar nicht heraus, es ist eher ein Psycho-Thriller, wobei das „Psycho“ hier für Psychoanalyse steht.

Gerade in dieser Surrealität gerät die Inszenierung, die teilweise gewollt, teilweise vielleicht ungewollt gekünstelt wirkt, zur Geschmacksfrage. Zudem braucht man etwas Liebe für Science-Fiction, um diesen Tatort wertschätzen zu können. Es wird angespielt auf Matrix, auf 2001: Odyssee im Weltraum. Für diejenigen, die lieber einen klassischen Krimi schauen wollen und mit Sci-Fi nichts anfangen können, ist dieser Murot womöglich nichts. Lässt man sich dagegen auf Florian Gallenbergers (Buch und Regie) Spektakel ein, bekommt man einen großartig gespielten und kreativen Fernsehfilm zu sehen.