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So wird der „Tatort“Soll das die saarländische Antwort auf „Squid Game“ sein?

Lesezeit 4 Minuten
ARD/SR TATORT: DER FLUCH DES GELDES, am Sonntag (28.01.24) um 20:15 Uhr im ERSTEN.
Hauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov,re.) ermittelt auf eigene Faust. Die erste Spur führt ihn ins Spielcasino.

Hauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov,re.) ermittelt auf eigene Faust im Casino

Das „Tatort“-Team aus Saarbrücken verfolgt in „Der Fluch des Geldes“ eine Bande von Wettsüchtigen. Die Geschichte hat Glamour und Glaubwürdigkeit einer alten TKKG-Folge.

Ein Seeufer, ein Sack voll Geld, zwei Männer, die sich streiten. Wo befindet sich dieser See? In der Nähe von Saarbrücken. Wer sind diese Männer? Kriminalhauptkommissar Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Kriminalhauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov), das junge, leicht irre Ermittlerteam des Saarländischen „Tatort“, Kindheitsfreunde mit gemeinsamen Kindheitstrauma. Woher stammt das Geld? Vom letzten Banküberfall, den Schürks gewalttätiger Vater verübt hatte. Der Sohn hatte die Beute unter einem Baum vergraben gefunden und beschlossen, sie zu behalten.

Das konnte man in der vorangegangenen Saarbrücker „Tatort“-Folge sehen. Die wurde vor einem Jahr ausgestrahlt. Und weil auch Drehbuchautor Hendrik Hölzemann klar ist, dass sich niemand mehr erinnern kann, was am Ende von „Die Kälte der Erde“ passiert ist, nutzen die Kommissare ihren Streit als Gedächtnisstütze für verwirrte Zuschauer.

Eine Sekunde später ist das alles aber schon wieder völlig wurscht. Die Szene wechselt in ein Spielcasino, ein Mann tanzt eine Frau lasziv an, sie klaut ihm den Autoschlüssel und gesellt sich zu ihren drei Freunden, die in Helden-Zeitlupe aus dem Casino treten, als wären sie die Reservoir Dogs. Dabei sind es nur vier besonders armselige Würstchen, die sich die Langeweile (Saarland!) mit infantilen Wetten vertreiben. Das Casino sieht übrigens auch nur aus wie eine notdürftig aufgepimpte Tankstelle.

Fluch des Zufalls: Banküberfall, Autoklau, Oma tot

Jedenfalls unternehmen die vier Würstchen eine Spritztour mit dem Pick-up des Angetanzten. Und das just auf derselben Landstraße, die gerade Leo Hölzer nach dem Streit mit seinem Kriminalkollegen entlang trottet. Und die gerade Oma Rosie, die netteste Oma der Welt, in entgegengesetzter Richtung befährt. Um ein Haar touchiert der Pick-up Hölzer, der telefoniert empört seine Kollegin Pia Heinrich an, die verfolgt aus Lokalkolorit-Gründen gerade ein Spiel des 1. FC Saarbrücken im Stadion, schon macht es Rumms: Oma Rosie ist tot. Na, so ein Zufall!

Anschließend bleiben dem Zuschauer noch gut 80 Minuten, um sich zu entscheiden, was sie oder er unwahrscheinlicher findet: Dass niemand einem Kommissar Glauben schenken will, der ein offensichtliches Fremdverschulden anprangert, dass Hölzer sofort die schuldige Viererbande im Casino ausmacht, oder dass die zugedröhnte Gang, deren Freizeitgestaltung hauptsächlich daraus besteht, sich gegenseitig Verdächtigungen an den Kopf zu werfen, den aufdringlichen Superbullen mehr oder weniger sofort in ihre Wettgemeinschaft aufnimmt.

Wer wohl am längsten die Luft anhalten kann?

Ach nein, am schlimmsten strapazieren wohl die infantilen Wetten die Glaubwürdigkeit. Es geht um Hunderttausende von Euro und bald auch um Leben und Tod, doch gewettet wird, wer länger die Luft anhalten, wer schneller rennen kann, oder ob eine Taube in den nächsten zehn Sekunden hochfliegt. Im Presseheft sieht man eine der Protagonistinnen noch dazu beim Murmelspiel (Einstiegsdroge!), die Szene fiel der Schere zum Opfer. Ist das die Antwort des Ersten auf „Squid Game“? Oder fehlt nur noch die Baggerwette?

Überhaupt: Wer denkt sich solche Figuren aus? Omar El-Saeidi, unter Karin Beier im Ensemble des Schauspiels Köln, muss den typisch hitzköpfigen Südländer geben, inklusive Indoor-Sonnenbrille und hochgekrempelten Sakko-Ärmeln, Susanne Bormann die Spielsüchtige mit – Mini-Spoiler! – Kinderwunsch, Jasmina Al Zihairi die Zynikerin und Daniel Zillmann den Dicken (als solcher wird er jedenfalls ausschließlich tituliert). Es gibt alte TKKG-Folgen, die weniger klischeebelastet daherkommen.

Noch viel abstruser erscheint freilich Vladimir Burlakovs übereifriger, jede Regel des Gesetzes und des gesunden Menschenverstandes übertretender Ermittler. Nie zuvor ist jemand schneller willenlos in die Spielsucht abgerutscht. Und der Plot hat Löcher so groß wie das Saarland.

Überhaupt benehmen sich die Saarbrücker Kommissare nicht wie Amtspersonen, sondern wie zwei vorpubertäre Jungs, die im Wald mit einer Streichholzschachtel experimentieren. Und ihre Kolleginnen – Brigitte Urhausen und Ines Marie Westernströer, im Kölner Schauspiel gerade in der TV-Krimi-Parodie „Soko Tatort“ zu sehen – schütteln dazu mütterlich die Köpfe. Die Männer spielen Bruce Willis, Frauen checken bestenfalls mal kurz ein Nummernschild.

Immerhin: In Lena Katharina Krauses Bildern wetterleuchtet Saarbrücken so dramatisch wie das Ende von „Terminator 2“ und Daniel Hoffknechts Musik liefert die Spannung nach, die der Geschichte völlig abgeht. Es wirkt ein wenig, als hätte Hans Zimmer eine Runde Sackhüpfen vertont. Und Regisseur Christian Theede inszeniert den Wett-Schmarrn noch einigermaßen souverän.