Das Geschäftsmodell des Konzerns Meta erinnert an Tom Sawyer, der daran verdient, dass andere für ihn arbeiten.
Social mediaVerkehrte Abo-Welt bei Meta
Menschen nutzen soziale Netzwerke, um miteinander kommunizieren. Das Geschäftsmodell dieser Angebote besteht aber nicht darin, Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Es geht vielmehr darum, auszuwerten und zu vermarkten, wer mit wem kommuniziert und wer sich für was interessiert.
Seit Anfang November 2023 bietet Meta Facebook und Instagram im Abo an, damit man bei Nutzung der Dienste gegen Zahlung nicht zu Werbezwecken getrackt wird. Noyb, eine private Datenschutzorganisation um den Österreicher Max Schrems, stößt sich daran, dass man seiner eigenen „Vermarktung“ zwar mit einem kostenlosen Klick zustimmen kann, der Widerruf der Werbeeinwilligung aber nur in einem komplizierten Verfahren möglich ist.
Verhält sich Meta fair?
Wer es durchlaufen hat, muss dann auch noch – so die Rechnung – ein Abo für jährlich 251,88 Euro abschließen. Das sei rechtswidrig, denn die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlangt, dass ein Widerruf ebenso einfach sein muss wie die Erteilung der Einwilligung. Diese Rechtsfrage wird zu klären sein. Aber unabhängig davon stellt sich die Frage, ob sich Meta fair verhält.
Es ist kein Geheimnis, dass Facebook & Co. sich über Werbung finanzieren. So gut wie alles, was Menschen dort tun, wird gespeichert und verwertet. Zwar sollen die Inhalte von nicht öffentlicher Chats und Nachrichten tabu sein. Wer aber mit welchem Gerät, wann und wie lange mit wem kommuniziert – das wird registriert, verarbeitet und zu Werbezwecken verwendet. So bekommen die Anbieter viel über ihre Kunden heraus.
Verarbeitung von Daten setzt die Einwilligung der Nutzenden voraus
Meta, das Mutterunternehmen von Facebook, Instagram und WhatsApp teilt die Daten innerhalb des Konzerns und kann so per Abgleich noch genauere Nutzerprofile erstellen. Meta verdient daran, Werbung im Auftrag von Unternehmen auszuspielen, die zugeschnitten ist auf die individuellen Interessen der Nutzer, also der potenziellen Kunden von Unternehmen.
So viel Wissen über Menschen anzusammeln und zu vermarkten, verlangt eine rechtliche Erlaubnis. Im Juli 2023 hat der Europäische Gerichtshof eine Reihe von rechtlichen Möglichkeiten überprüft. Am Ende entschied das Gericht, dass Meta eine Einwilligung der Nutzenden benötigt, um die Daten für die Nutzung seiner Dienste zu den genannten Zwecken zu verarbeiten. Erforderlich ist also eine bewusste und informierte Zustimmung zur Vermarktung der eigenen Daten für Werbezwecke. Das Urteil hat Meta aber auch die Möglichkeit eingeräumt, seine Dienste kostenpflichtig anzubieten. Das ist dann erlaubt, wenn die Nutzenden die Wahl haben, entweder mit Geld oder mit ihren Daten für die Inanspruchnahme der Angebote zu zahlen.
Freikaufen von Werbung
Die Idee ist einfach: Wer Facebook & Co. kostenlos nutzen will, erlaubt Meta die Werbeansprache. Wer keine Werbung möchte, der muss Geld dafür bezahlen, dass Meta auf die Vermarktung der Kundendaten und damit auf die Werbeeinnahmen verzichtet. Dass die Daten nicht zu anderen Zwecken vermarktet werden, ist damit allerdings nicht gesagt. Meta spricht nur davon, „Werbung nicht mehr anzuzeigen“. Das heißt nicht, dass die dahinterliegende Datenverarbeitung (Targeting) bei zahlenden Nutzenden eingestellt wird.
Diese Art des „Freikaufens“ von Werbung nennt man „Pur-Modell“. Man bekommt das Angebot, was bei den Meta-Diensten in der Möglichkeit zur Vernetzung steht, „pur“ oder eben mit Werbung. Diese Art des Zahlens mit Daten kennt man auch von den Onlineangeboten von Verlagen. Redaktionen und Verlagshäuser müssen finanziert werden. Sie stellen mit hohem Kostenaufwand Inhalte bereit, und Qualitätsjournalismus hat nun einmal seinen Preis. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Geschäftsmodell etwa von Verlagen, die journalistische Inhalte im Netz bereitstellen, und Meta, das Kommunikationsplattformen vorhält.
Gegenstück zum Journalismus
Verlage bezahlen ihre Beschäftigten für deren Arbeit. Deshalb müssen sie dafür Geld von ihren Leserinnen und Lesern, ihren Userinnen und Usern verlangen oder sich anderweitig, etwa durch Werbung, finanzieren. Die Dienste von Meta zu nutzen, um dort Inhalte zu verbreiten, stellt gewissermaßen das Gegenstück zum Journalismus dar.
Zwar sind „Influencer“ oder „Content-Creator“ mit Journalisten vergleichbar, denn sie alle produzieren Inhalte. Die konsumierenden Nutzenden erzeugen wenig Inhalte, dafür aber zahlreiche Nutzerdaten. Sie bekommen dafür, dass sie den Dienst mit Inhalt füllen, aber kein Geld. Im Gegenteil: Sie liefern den Rohstoff für den Dienst, und sie haben unabhängig davon die Wahl: Sie können sich für die Nutzung vermarkten lassen, oder sie können für die Nutzung der Dienste zahlen, die sie mit ihren Daten selbst in Gang halten. Die Preise für das Abo wie noyb sie errechnet hat, können sich sehen lassen.
Zahlen fürs Posten – das ist so genial wie frech
Die Idee erinnert an Tom Sawyer, der sich daran bereichert, dass andere ihm die Arbeit abnehmen, einen Zaun zu streichen. Hier ist es ähnlich: Man zahlt dafür, dass man Meta am Leben erhält. Das kostet viel. Der Preis ist der eines Zeitungs- oder Filmstreaming-Abos, allerdings ohne, dass der Anbieter Filme oder Texte finanzieren muss. Es reicht aus, den Austausch zu ermöglichen und die Hand aufzuhalten. Meta klebt seinen Nutzenden auf diese Weise auch ein Preisschild von knapp 21 Euro im Monat auf. Vielleicht ist das tatsächlich der Betrag, den Meta an einem Nutzenden monatlich verdient. Damit, ob das so ist oder wie der Betrag sonst zustande kommt und ober er fair ist, dürfte sich hierzulande künftig das Bundeskartellamt beschäftigen.
Zahlen fürs Posten – so gesehen, ist das Facebook-Abo-Angebot so genial wie frech, und es steht für eine verkehrte Welt. Es ist, als würden Journalistinnen und Journalisten einen Verlag dafür bezahlen, dass er ihre Inhalte vermarktet. Wie wäre es, wenn Meta die Nutzenden umgekehrt dafür honorieren würde, dass sie das große Schwungrad der vermarktbaren Kommunikation für den Konzern drehen und dessen Geschäftsmodell überhaupt erst möglich machen?
Logiken des Online-Markts
Zugegeben: Dieser vermeintlich logische Gedanke läuft komplett quer zur Realität und den Logiken des Online-Marktes. Aber vielleicht wäre es ein Anfang, wenn Meta für die Nutzung seiner Plattform Abopreise aufriefe, die Nutzende auch tatsächlich zahlen können oder wollen. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass es nichts kostet, globale Kommunikationsräume zu schaffen und zu erhalten.
Die Plattform-Betreiber haben schließlich eine Menge Pflichten, und sie tragen Verantwortung. Sie müssen Personal beschäftigen, das nach dem Rechten sieht. Sie müssen komplexe Pflichten zur Löschung strafbarer oder unangemessener Inhalte erfüllen und prüfen, welche Aussagen im Rahmen der Gesetze erlaubt sind und welche als verbotener Hass entfernt werden müssen. Zudem kostet allein der Energiebedarf der Angebote ein Vermögen.
Aber ist das aktuelle Abo-Angebot fair? Ginge es nicht ein paar Hausnummern günstiger? Bei einem Preis, der über dem Rundfunkbeitrag liegt, dürfte Meta kaum plausibel machen können, dass sein Angebot ernsthaft kundenfreundlich kalkuliert ist. Vielleicht sollte der Konzern ihn zunächst durch zehn teilen und die Hälfte der Einnahmen dann für Projekte zur Rettung des Klimas einsetzen, das durch die weltweite Nutzung sozialer Netzwerke massiv beeinträchtigt wird. Dann würde das Motto: „Sharing is caring“ - „Teilen bedeutet kümmern“ - nicht mehr ganz so zynisch klingen.