Tournee-Ende in der Lanxess-ArenaJames Lasts letztes Konzert in Köln
Köln – Wie sich das anhört, wenn James Last – nachdem er mehr als 50 Jahre lang zeigefingerwinkend vor seinem Orchester stand – Abschied von der Bühne, vom Tourneeleben, ja vom seinen eigentlichen Seinsgrund nimmt? „Tschüss, bis zum nächsten Mal!“ So flapsig stößt es der alte Mann ins Mikrofon. Die Hälfte seiner Ansagen bis dahin hat er erfolgreich vernuschelt. Wie der nächstes Titel heißt, muss oft der Musiker ergänzen, der in diesem sein großes Solo spielt.
Aber das störrische „bis zum nächsten Mal“, das hat jeder verstanden. Auch weil das Orchester gerade noch den alten Schlager „Auf Wiedersehen“ angestimmt hat. Angekündigt war der Auftritt in der Lanxess-Arena indes als das letzte Konzert der letzten Tournee. Erst vergangenen Herbst hatte der 86-Jährige dem Tod ein Schnippchen geschlagen – Darmentzündung, Not-OP –, und es ist immer noch ein sichtlich angeschlagener und abgemagerter Last, der in Köln auf die Bühne schlurft. Allerdings wie gewohnt pünktlich auf die Minute.
Eine Endlosparty
„Non Stop Music“ hat er die Tournee betitelt. Das ist einerseits Zwangsoptimismus, schlägt andererseits den Bogen zur Schallplatte, mit der die Marke „James Last“ geboren wurde: „Non Stop Dancing ’65“. Eine Endlosparty, nur unterbrochen vom unvermeidbaren Umdrehen der LP-Seiten, bei der die Geräusche der Feiernden die Pausen zwischen den einzelnen Stücken überbrückten. Überm Teich war Brian Wilson nahezu zeitgleich auf nämliche Idee verfallen, „Beach Boys’ Party!“ heißt sein Ergebnis. Beide, der Jazz-Populist aus Bremen und der Pop-Visionär aus Hawthorne, Kalifornien, coverten übrigens „I Should Have Known Better“ von Lennon/McCartney auf ihren Feierplatten. Noch immer verleibt der Arrangeur James Last alles in seinen „Happy Sound“ ein, was in Dauerrotation im Radio läuft, „Story Of My Life“ von One Direction und Katy Perrys „Roar“, und natürlich auch Pharrell Williams „Happy“ – das hat ja geradezu nach dem freudestrahlenden Einsatz der Last-Bläser gelechzt.
Die Musik zur Zeit muss sich allerdings neben schunkelige Klassiker aus dem elterlichen Partykeller einreihen. Und so wird „Timber“ von Kesha und dem Spaß-Rapper Pitbull von „Rosamunde“ unterbrochen und mitten im Remix-Hit „Prayer In C“ vom Osnabrücker Großraum-DJ Robin Schulz ertönt plötzlich der Gartenzwerg-Marsch. Das kann man. je nach Standpunkt, radikaldemokratischen All-inclusive-Pop nennen, oder Gleichmacherei im Zeichen des Käse-Igels.
Nur über die handwerkliche Exzellenz der Musiker lässt sich nicht streiten. Das 34-köpfige Orchester verkörpert das Last’sche Stilprinzip: Oben schwenken die jungen Streicher fröhlich ihre Bögen, die Damen zumeist in knappen Cocktail-Kleidchen, unten agieren die alten Jazz-Hasen, wie der Trompeter Chuck Findley, der auch schon für Steely Dan, B.B. King, die Rolling Stones Miles Davis und in Jay Lenos Tonight Show Band geblasen hat. In Köln spielt er ein zum Niederknieen schönes „Somewhere“, ein Stück, dass selbst diese interessante Grauzone zwischen hoher Kunst (Leonard Bernstein! Das Adagio aus Beethovens letztem Klavierkonzert!) und Massenkitsch bewohnt.
In der fühlt sich auch James Last am wohlsten, gerne hätte man an diesem Abend noch mehr seiner Eigenkompositionen gehört. „Morning’s At Seven“ wird kurz angespielt, „Biscaya“ gibt es in voller Länge, und es klingt immer noch nach jenen fernen Abenden, die man mit seiner Familie stumm und zufrieden auf dem Sofa abgesessen hat, im Widerschein des ZDF-Showprogramms.
Kartoffel-Western
Und zum Glück greift auch der „Einsame Hirte“ noch einmal zur Panflöte. Ein Titel, der alles vereint, was am Last’schen Werk so schön und so schrecklich ist: Ein Fußgängerzonen-Instrument beschwört hier in Anlehnung an Ennio Morricone das fiktive Genre des Kartoffel-Westerns herauf (einziger Beitrag: Peter Schamonis Film „Potato Fritz“ mit Paul Breitner). Eigentlich sollte „Einsamer Hirte“ auf dem Album „Filmmusik ohne Filme“ erscheinen, viele Jahre später hat dann Quentin Tarantino mit „Kill Bill: Vol.1“ den Film zur Musik gedreht. Spätestens da verwandelte sich auch für den Last-Verächter Kitsch in Coolness, aber genau diese Spannung ist eben in beinahe jedem Last-Arrangement angelegt.
„Wegen mir könnte das Konzert noch die ganze Nacht dauern“, verrät ein Fan dem Rezensenten, er und seine Freunde hatten schon das ganze Konzert mit „Hansi!“-, „Chuck!“- und „Sauber gespielt!“-Rufen begleitet. Unten tanzen Paare vor den Sitzreihen Walzer. Und ziehen darauf zur Polka durch den Saal, gelbe Regenschirme mit Entenschnäbeln hochhaltend. Sie haben sich ihren inneren Partykeller erhalten. Und freuen sich nonstop auf die nächsten letzten Konzerte.
James Last wird wohl ewig weitermachen. So lange er noch mit dem Zeigefinger winken kann.