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Kölner Entführungsopfer Erlemann bei „Maischberger“„Meine Kindheit war mit elf Jahren beendet“

Lesezeit 4 Minuten

Entführungsopfer Johannes Erlemann zu Gast bei Sandra Maischberger.

Habgier gilt als von anderen als abstoßend empfundenes, rücksichtsloses Streben nach materiellem Besitz. Beispiele ließen sich aus vielen Bereichen der Gesellschaft aufzählen. Moralisch gehört die Habgier zu den geächteten menschlichen Eigenschaften, und zählt strafrechtlich als Tatbestandsmerkmal des Mordes. „Motiv: Habgier“ hieß daher die Sendung von Sandra Maischberger, die mit ihren Gästen diskutierte: Warum planen und begehen unbescholtene Menschen plötzlich kaltblütig Verbrechen? Warum geht das Empfinden von Gut und Böse verloren?

In der Runde wurden drei Kriminalfälle vorgestellt, in denen habgierige Täter agierten. Neben den Betroffenen komplettierten die Experten Dr. Sigrun Roßmanith (Psychiaterin) und Axel Pütter (Polizeihauptkommissar) die Runde der Gäste. Erschütternde Fälle kamen in der Sendung zur Sprache. Der Fokus lag auf der Sicht der Opfer. Der Zuschauer erfuhr, mit welcher Akribie und Hinterlist die Taten geplant waren. In zwei Fällen töteten Auftragskiller einen Menschen für 1000 Euro.

Im ersten Fall berichteten Anke und Patrick Rexin (Mutter und Bruder des Mordopfers) von dem aufsehenerregenden Mordkomplott, der 2012 Berlin erschütterte. Der Ex-Freund von Christin Rexin setzte einen Auftragskiller auf die 21-jährige Pferdewirtin an. Ohne ihr Wissen schlossen er und seine Mutter acht Lebensversicherungen auf Christin ab. Nach zwei fehlgeschlagenen Mordversuchen wurde sie schließlich von einem Auftragskiller für 1000 Euro erdrosselt. Anke und Patrick Rexin erzählen von einem schier unglaublichen Geflecht, das die Täter aufgebaut hatten. Beide berichten, wie schwer ihnen später die Gerichtsverhandlung gefallen sei, vor allem, weil das Opfer wie ein „Ding“ behandelt worden sei.

Spektakulärer Kölner Fall

Sandra Maischberger befragte die Experten: Wie sind solche Taten erklärbar? Psychiaterin Roßmanith sprach von Gier und Macht als Antrieb. Sie verwies darauf, das Böse sei die Kehrseite des Menschen. Täter seien narzisstisch und zögen auch andere, meist „schwächer“ ausgebildete Charaktere mit hinein. Axel Pütter erläuterte, dass die Habgier immer wieder ein Motiv sei, wie beispielsweise bei der Aussicht auf finanzielles Aussorgen oder Schuldentilgung. Roßmanith fügte noch hinzu, dass der pathologische Grad der Täter steige, je besser das Verbrechen geplant sei.

Mit Johannes Erlemann kam ein Fall zur Sprache, der 1981 für Schlagzeilen sorgte. Der 11-jährige Sohn eines Kölner Finanzunternehmers wurde auf dem Heimweg von drei Männern gekidnappt. Sie sperrten den Jungen 14 Tage lang in eine Holzkiste mitten im Wald. Nach der Übergabe eines Lösegeldes kam der Junge frei. Welche Spuren hat das Verbrechen hinterlassen, fragte Maischberger.

Unverblümt erzählte Erlemann von den Folgen des Verbrechens: „Meine Kindheit war mit elf Jahren beendet.“. Klar und reflektiert kann Erlemann von seinen Erlebnissen berichten, die er auch gerade zu Papier bringt, wie er erzählte. An die Familie Rexin gerichtet, sprach er ihnen seinen Respekt aus und versuchte sich sogar in der Relativierung seines Martyriums: „Ich lebe!“.

Sigrun Roßmanith führte nochmals dazu aus, dass das Destruktive dem Menschen innewohne. Täter würden wie im Fall Erlemann ohne Gewissen ein Kind opfern, weil sie keine moralische Instanz besäßen. Außerdem sei sie beeindruckt davon, wie kontrolliert Johannes Erlemann heute über seine Entführung sprechen könne.

Oft sind Täter Familienmitglieder

Yvonne Holthaus schilderte anschließend ihren Fall: Ihre Mutter wurde Opfer eines grausamen Mordes, der ebenfalls für 1000 Euro von einem beauftragten Killer ausgeführt wurde. Sie selbst geriet sogar in Verdacht, die Tat begangen zu haben. Doch dann stellte sich heraus, dass ihre Vater, im Zuge eines Scheidungsstreits um Geld und das Sorgerecht ihrer kleinen Schwester, der Auftraggeber war. Der Mann gestand die Tat erst nach einer Revision für einen Deal mit der Staatsanwaltschaft, und er wollte Yvonne Holthaus glauben machen, das sei alles taktisch fingiert.

Narzissmus und die Grenze zum Größenwahn attestierte ihm die Tochter dafür. Polizist Axel Pütter fügte an, es seien häufig Familienmitglieder, die aus Habgier zu solchen Taten fähig seien. Angesichts der geschilderten Fälle, sei er fassungslos, dass Menschen für 1 000 Euro getötet würden.

Eine abschließende Diskussion konnte sich mangels Sendezeit nicht mehr entfalten. Sandra Maischberger blickte mittels dreier Kriminalfälle in menschliche Abgründe. Dass die erschütternden Fälle keinen Zuschauer kalt ließen, verschleierte nicht den Mangel an komplexerer Themengestaltung. Zu einsilbig gerieten dann auch die Erklärungen der Experten, und den eingangs gestellten Fragen wurde zu wenig auf den Grund gegangen.