Das Londoner Auktionshaus Sotheby’s versteigert Freddy Mercurys Nachlass. Das Manuskript des Queen-Hits „Bohemian Rhapsody“ brachte 1,3 Millionen Pfund ein.
Sotheby's-AuktionDas verrät Freddy Mercurys Nachlass über den Queen-Sänger
„Ich habe niemanden“, hat Freddie Mercury mit blauem Kugelschreiber auf den 1974er-Kalenderblock der Fluglinie British Midways gekritzelt, „niemanden, den ich mein Eigen nennen kann.“ Die Punkte über seinen i’s steigen wie kleine Testballons in den Papierhimmel auf. Ein paar Seiten weiter ist aus der Klage eine Frage geworden: „Kann irgendjemand jemanden finden, den ich lieben kann?“ und vielleicht hat Mercury nie wieder mit solcher Gospel-Inbrunst gesungen wie auf der Queen-Single „Somebody to Love“.
Fast 50 Jahre später kann man den Entwurf zum Songtext in den Londoner Ausstellungsräumen des Auktionshauses Sotheby’s begutachten, zusammen mit rund 200 anderen Artikeln aus dem Besitz des Sängers, die ab dem 6. September versteigert werden. 2000 Bieter aus 61 Ländern hatten sich zur Auktion angemeldet.
Die Auktion „Freddie Mercury: A World of His Own“ soll angeblich rund 30.000 Gegenstände umfassen. Sie stammen allesamt aus Mercurys letztem Wohnsitz, Garden Lodge, ein georgianisches Herrenhaus mit Garten in Kensington, von einer hohen Backsteinmauer vor neugierigen Blicken geschützt. Hier ließ es sich gepflegt einsam sein, denn ebenso wie die Abwesenheit eines geliebten Menschen, fürchtete Mercury die Erfüllung seiner Träume: Je größer sein Liebespech, schreibt er in seiner Autobiografie, desto besser gelängen seine Songs: „Wenn ich erst einmal jemanden gefunden habe, eine dauerhafte Beziehung, verpufft die ganze Recherche für wunderbare Lieder.“
Der Sänger ließ ja auch niemals seine berühmte Zahnfehlstellung richten, weil er fürchtete, der Eingriff könnte seine Stimme verändern.
Die einzige Person, gegenüber der sich Mercury jemals völlig öffnen konnte, war Mary Austin, mit der er von 1969 bis 1976 zusammen war, also bereits vor der Gründung von Queen – aber auch noch, während er seinen Sehnsuchtsruf „Somebody to Love“ komponierte. Die Beziehung endete, als er Austin gestand, dass er Männer liebte, doch die Freundschaft bestand fort. In seinem Testament vermachte er ihr den Großteil seines Vermögens und die Villa in Kensington, laut der BBC mit den Worten: „Du wärst meine Frau geworden, es hätte sowieso dir gehört.“ Sie hatte das Haus damals auch für ihn ausgesucht.
Nun, 32 Jahre nach dem Tod ihres Beinahe-Verlobten, hat sich Mary Austin entschlossen, die Schätze von Garden Lodge zu veräußern, inklusive der grün gestrichenen hölzernen Rundbogentür des Anwesens. Dem, wie es im Ausstellungskatalog heißt, „Tor zu Freddies Welt“, einer „Ikone unter den Denkmälern der Londoner Populärkultur“, übersät mit Graffiti-Botschaften glühender Verehrer und Verehrerinnen. Das Tor brachte nach 20-minütigen Bieterkampf 412.750 Britische Pfund ein und überstieg damit den Schätzpreis von 15.000 bis 25.000 Pfund bei weitem.
Kaum ein Künstler aus der heroischen Zeit der Rockmusik kostete den Schausteller-Aspekt des Geschäfts so genüsslich aus wie Mercury, verglichen mit seinem mal pfauen- mal machohaften (aber nie ganz ernst gemeintem) Bühnengebaren wirkten David Bowie oder Elton John nachgerade introvertiert. Doch der Mensch hinter der Rampensau blieb von hohen Backsteinmauern eingehegt.
Umso spektakulärer ist jetzt der Blick auf all die schönen Dinge, mit denen Mercury seine Einsamkeit veredelte: Jugendstil-Büsten der keuschen Diana und von Antinous, dem früh verstorbenen Geliebten des römischen Kaisers Hadrian, als Rauschgott Bacchus; eine Lampe von Tiffany und eine kleine Schnurrbartbürste von Cartier; Gemälde und Zeichnungen von Goya, Dalí und Picasso; eine umfangreiche Kimono-Sammlung sowie etliche andere Kunstgegenstände japanischen Ursprungs; Katzenutensilien (und eine Weste mit Bildern seiner sechs Katzen); private Polaroids, die den Künstler in den drolligsten Verkleidungen zeigen, allein und mit Freunden (die gab es also doch); der Yamaha-Stutzflügel, auf dem viele der bekanntesten Queen-Songs komponiert wurden, unter anderem die „Bohemian Rhapsody“.
Das Klavier wurde jetzt für 1,7 Millionen Pfund (rund zwei Millionen Euro) versteigert und blieb damit unter dem Schätzwert. Das Originalmanuskript des Queen-Hits „Bohemian Rhapsody“ – 15 Seiten Bleistift- und Kugelschreibernotizen – erzielte dagegen einen stolzen Verkaufspreis von gut 1,3 Millionen Pfund. Unter anderem ist aus Mercurys Entwürfen ersichtlich, dass er die Mini-Operette ursprünglich „Mongolian Rhapsody“ nennen wollte.
Außerdem: etliche seiner Bühnenkostüme, in denen Mercury gewissermaßen den Sprung über die Backsteinmauer wagte. Etwa der von Mercurys Lieblingsdesignerin Wendy de Smet entworfene weiße Catsuit aus Dehnsatin, mit taillentiefem Reißverschluss-Ausschnitt, mit gesteppten Vogelfederapplikationen an Brust, Armbündchen und ausgestellten Hosenbeinen. Der Sänger trug ihn im berühmten Werbevideo zu „Bohemian Rhapsody“ und auf der anschließenden Tour zum Album „A Night at the Opera“. In diesem so eng wie nur eben möglich genähtem Kostüm war Mercury der Götterbote seines Künstlernamens, schneller als das Licht, unfassbar.
Oder die Kombination aus schwarzer Lederjacke und roten Elastan-Leggings, verziert mit schwarzen Bändern, die ein aderartiges Muster bilden und sich über dem Po zum Tanga vereinen: Mercury trug sie, als er 1982 mit Queen zum ersten und letzten Mal in der amerikanischen Show „Saturday Night Live“ auftrat und „Under Pressure“ sang. Viel offener konnte man seine verborgene Sexualität kaum zeigen.
Schließlich kann man auch das von Diana Moseley entworfene Ensemble aus Krone und Umhang erwerben (Schätzpreis 60.000 bis 80.000 Euro), in dem Freddie Mercury im Sommer 1986 zum jeweiligen Höhepunkt seiner letzten Konzerte mit Queen über die Bühne stolzierte. Der Sänger verlieh sich dazu auch sein eigenes Adelsprädikat: „The Great Pretender“, der große Blender: „Ich bin einsam“, singt er im gleichnamigen Lied, „doch niemand sieht es mir an.“