Stargeiger trennt sich von „Lady Inchiquin“Frank Peter Zimmermann gibt millionenteure Stradivari zurück

Lesezeit 3 Minuten

Ein Mann und seine Geige: Frank Peter Zimmermann mit der mittlerweile zurückgegebenen Stradivari

Köln/Düsseldorf – „Frank Peter Zimmermann spielt eine Stradivari aus dem Jahr 1711, die einst dem großen Geiger Fritz Kreisler gehörte.“ Dieser Satz steht im Beiheft der jüngsten CD des in Köln wohnenden Geigers, einer schönen Mozart-Einspielung, auf der die frische, elegante Leuchtkraft des Instruments, die kantable, aber nicht sentimentale Süße seines Grundklangs optimal zur Geltung kommt.

Vorbei, vorbei – Zimmermann wird seine „Lady Inchiquin“ vielleicht nie mehr spielen. Er hat sie, nachdem er mehr als zehn Jahre lang mit ihr aufgetreten war – vor einem Monat noch in Köln im WDR-Konzert unter Jukka-Pekka-Saraste mit Sibelius – am Wochenende einem Geigenbauer übergeben, der sie am morgigen Dienstag dem Eigentümer aushändigen wird: der Düsseldorfer Servicegesellschaft Portigon AG. Von deren Rechtsvorgänger, der landeseigenen WestLB, hatte er das Instrument einst geliehen. Der Künstler selbst ist, das teilte sein Duisburger Berater Karl-Joachim Hytrek mit, am Wochenende mit einem anderen Instrument zu Konzerten nach New York enteilt.

„Ganz große Tragödie“

Wie er sich dabei fühlt, weiß man nicht. Man kann es sich aber vorstellen, denn Zimmermann, der am kommenden Freitag 50 Jahre alt wird, hatte den sich abzeichnenden Verlust im November als „ganz große Tragödie“ bezeichnet: Die „Lady Inchiquin“ sei „wie die große Liebe meines Lebens“, nach der er „viele Jahrzehnte gesucht“ habe.

Hintergrund der Rückgabe an Portigon: Die AG muss – EU-Gesetze schreiben das so vor – im Zuge der Abwicklung der zerschlagenen WestLB auch deren millionenschwere Sammlung veräußern. Dazu gehören neben 400 Kunstwerken – unter anderem von Signac, Macke, Moore und Picasso – und der „Lady Inchiquin“ zwei zwei weitere Spitzeninstrumente: die Stradivari „Ex Croall“ von 1684 und ein Cello von Joseph Rocca aus dem Jahre 1860. Letztere sollen sich bereits wieder im Besitz von Portigon befinden.

Entsprechend seines Sponsoring-Vertrags, der ein Vorkaufsrecht für Zimmermann vorsieht, hatte der Geiger jüngst auf der Basis der Gutachten von zwei Instrumenten-Experten Portigon ein Kaufangebot unterbreitet. Die Rede ist von fünf Millionen Euro. Dieses Angebot liegt aber, so Hytrek, unter dem Betrag, der im Leihvertrag ebenfalls festgelegt ist. Dieser beträgt angeblich 5,8 Millionen Euro.

Zimmermann hätte also noch eine knappe Million drauflegen müssen – wozu er nicht bereit oder in der Lage war. Indes: Warum – diese Frage drängt sich auf – gelingt es eigentlich nicht, für die doch überschaubare Differenzsumme ein Sponsorenkonsortium zusammenbekommen, das dem prominenten Violinisten – er vertritt immerhin zusammen mit Anne-Sophie Mutter international die deutsche Geigenspitze – den Behalt seiner „Lady“ ermöglicht?

Ganz ist die Sache allerdings so oder so noch nicht ausgestanden – der Virtuose will das Angebot, die Stradivari zu erwerben, noch bis Ende kommender Woche aufrechterhalten. Ein gutes Ende könnte für ihn auch noch aus einer anderen Richtung winken: Die NRW- Regierung versucht derzeit, die Portigon-Sammlung – ausdrücklich inklusive der Musikinstrumente – über ein Stiftungsmodell für das Land zu retten. Dazu sollen Kulturministerin Ute Schäfer zufolge Kultur- und Finanzministerium in den kommenden Monaten „verschiedene Möglichkeiten prüfen“. Zeitnot gebe es nicht, weil aktuell kein Verkauf drohe.

Auf Nimmerwiedersehen im Tresor

Allerdings gibt es einem Gerücht zufolge einen fernöstlichen Bieter, der stark an der „Lady Inchiquin“ im Sinne einer Kapitalanlage interessiert ist. Eine einschlägige Veräußerung aber könnte bedeuten, dass das Instrument auf Nimmerwiedersehen in irgendeinem Tresor verschwindet. Dann hätte nicht nur Zimmermann, sondern auch „seine“ Stradivari das Nachsehen: Dadurch, dass man sie nicht spielt, werden solche Instrumente nämlich nicht besser.

Müssen jetzt auch die vielen anderen Künstler, die ihre „Strads“ und Guarneris und Amatis von Großbanken geliehen haben, um diese zittern? Besonders ermutigend auf sie wird die Causa Zimmermann jedenfalls nicht wirken. Anne-Sophie Mutter freilich braucht sich keine Sorgen zu machen: Sie nennt tatsächlich beide von ihr gespielte Stradivaris ihr Eigentum.