Die Wiener Autorin und Comiczeichnerin Stefanie Sargnagel kommt mit ihrem Buch „Iowa“ zum Cologne Comedy Festival.
Stefanie Sargnagel über FPÖ-Wahlsieg„Diese Selbstzerstörung macht mich fassungslos“
Frau Sargnagel, die Rechtspopulisten sind in Österreich am vergangenen Wochenende mit 29,2 Prozent erstmals Sieger bei einer Parlamentswahl geworden. Wie geht es Ihnen damit?
Die FPÖ steht zwar zum allerersten Mal auf Platz eins. Aber wir hatten die FPÖ jetzt schon mehrfach in der Regierung. Und es fühlt sich ein bisschen an wie etwas, das man eigentlich schon längst hätte überwunden haben sollen. Und jetzt wird es sich schon wieder von Neuem abspielen.
Sie sind also ganz gelassen?
Naja, das jetzt auch nicht gerade. Die FPÖ leugnet ja unter anderem den Klimawandel. Und dass die Leute die trotzdem wählen, obwohl wir hier gerade eine schwere Hochwasserkatastrophe hatten – diese Selbstzerstörung macht mich schon fassungslos.
Sie haben mal „Haben sie Euch ins Gehirn geschissen?!“ als Slogan für ein Wahlplakat vorgeschlagen...
Das war natürlich polemisch, obwohl andererseits – ich komme ja auch aus einer Familie, in der Leute FPÖ wählen. Und mit dieser Polemik stelle ich mir vor, wie ich so einen Verwandten am Kopf packe und sage: „Bist du völlig blöd geworden?! Dein Dorf war gerade überflutet!“ So auf die Art irgendwie. Also als Spruch, der noch ein bisschen Hoffnung hat, die Menschen irgendwie wachrütteln und zur Vernunft bringen zu können.
Macht Sie der Rechtsruck in Europa kämpferisch oder eher hoffnungslos?
Es gibt zurzeit schon sehr viele Themen, bei denen ich hoffnungslos bin - gerade angesichts der Klimakrise. Aber ich war gerade eine Woche auf Lampedusa mit den Aktivistinnen der Sea Watch. Da wurde ich eingeladen, einen Luftraumüberwachungsflug mitzumachen. Und da lernt man so viele engagierte Aktivist:innen kennen. Das hat mich dann doch wieder hoffnungsvoller und kämpferischer gestimmt. Es ist ja auch so ein Phänomen: Wenn man Erfolg hat als Schriftstellerin bekommt man Geld, man hat viele Termine, man ist gefragt. Und für mich ist es deswegen wichtig, mich auch wieder mehr politisch zu engagieren - das geht dann nämlich tatsächlich schnell verloren. Mittlerweile habe ich die Theorie, dass das Methode hat: Man entzieht der künstlerischen Subversion den Boden mit guten Gagen.
In Ihrem Buch „Iowa“ schreiben Sie über Ihre Zeit im Mittleren Westen der USA, wo Sie an einem Kleinstadt-College kreatives Schreiben unterrichtet haben und im Anschluss noch ein bisschen gereist sind. Sehen Sie die USA seitdem mit anderen Augen?
Alle Klischees, alle Geschichten, alle Regionen in den USA sind ja popkulturell verarbeitet. Große Überraschungen erlebt man da kaum noch. Was mich trotzdem überrascht hat: Die Obdachlosigkeit in Kalifornien. Wie krass verelendet dieses Land ist. Und das hat mich auch daran erinnert, was ein Sozialsystem bedeutet. Was für viele Amerikaner ja gleichbedeutend ist mit einer Art kommunistischer Diktatur. Überall sieht man dort Bilder, die man eher dem sogenannten globalen Süden zuordnen würde. Wenn man zum Beispiel nach Bangladesch reiste, würde man eher solche Armut erwarten. Aber gerade Kalifornien verspricht Glamour und gilt ja auch als ein Land der Träume, wohin es alle Künstler zieht.
Gab es von Anfang an den Plan, dass aus Ihrem Aufenthalt ein Buch werden könnte?
Ja, ich dachte mir, wenn ich nach Amerika reise, dann wird es da schon etwas zu erzählen geben. Deswegen war ich dort erstmal ziemlich verzweifelt, weil überhaupt nichts passiert ist und ich ohne Auto in dieser kleinen Stadt in Iowa auch sehr eingeschränkt war in meinem Handlungsraum. Ich hatte eigentlich mit dem Schreiben begonnen, weil ich immer das Gefühl hatte, so viel zu erleben, ein aufregendes Leben zu führen und mich ständig in extremen Situationen wiederzufinden. Das war immer sehr leicht zu erzählen. Und dann war ich mit meinem Erlebnishunger plötzlich mit dieser Reise überhaupt nicht ausgelastet. Deswegen bin ich überrascht, wie gut das Buch dann am Ende angekommen ist. Man kann anscheinend auch über Ödnis ganz gut schreiben.
Stellen Sie Ihren Humor manchmal selbst infrage?
Es ist schon immer interessant darüber nachzudenken, weil sich einem manchmal überhaupt nicht erschließt, warum etwas lustig ist. Gerade bei absurdem Humor und gerade bei humoristischen Texten ist es wirklich oft nur ein kleines Wort oder eine kleine Verschiebung der Pointe, die wahnsinnig viel ausmacht. Außerdem ist Humor total abhängig vom Kontext. Ich mache vielleicht im Freundeskreis viel schlimmere Witze als in der Öffentlichkeit. Weil viel davon abhängt, in welchen Räumen man sich befindet. Zum Beispiel habe ich mich früher sehr gerne lustig über die linke Szene gemacht. Jetzt mache ich das weniger, weil ich eine größere Reichweite habe und auch von vielen konservativen, eher bürgerlicheren Menschen gelesen werde. Ich habe dann das Gefühl, dass das nicht richtig eingeordnet wird.
Die erste Zeit in Iowa haben Sie zusammen mit der Musikerin und Autorin Christiane Rösinger verbracht, die 25 Jahre älter als Sie ist und sich über die Sensibilität der Millenials mokiert. Können Sie das nachvollziehen?
Witze, die ich vor zehn Jahren gemacht habe, finde ich mittlerweile nicht mehr angemessen. Da hat tatsächlich viel Sensibilisierung stattgefunden. Gleichzeitig will ich aber auch nicht auf Eierschalen gehen. Ich finde es auch immer wichtig, dass man sich trotzdem was traut. Und Humor ist auch dazu da, dass man ein bisschen die Grenzen auslotet. Wenn ich meine eigenen alten Texte mal wieder lese, kann man auch immer sehr gut nachvollziehen, was für eine gesellschaftliche Veränderung stattgefunden hat.
Glauben Sie, es war früher einfacher, witzig zu sein?
Ich glaube, Witze machen erfordert mittlerweile ein bisschen mehr Mut. Denn die Sozialen Medien können gnadenlos sein - dabei muss es ja auch mal möglich sein, einen Fehler zu machen. Je dogmatischer gewisse Szenen oder Milieus sind, desto mehr Witze muss man eigentlich machen. Umso autoritärer etwas ist, desto wichtiger ist die Auflehnung. Und das kann man ja auch mit Humor machen. Das Subversive am Humor macht mir am meisten Spaß. Und ich erlebe, dass das sehr dankbar aufgenommen wird. Gerade wenn Menschen befangen sind, etwas Falsches zu sagen - und das ist natürlich eher in akademischen Milieus der Fall. Gerade dann sind Witze oft sehr fruchtbar.
Die politische Lage ist ja auch gerade alles andere als lustig.
Schlechte Situationen bringen oft den besten Humor hervor – gerade Galgenhumor, den ich besonders mag. Das ist oft sehr fruchtbar, zumindest bei mir. Ich habe auch Freunde, die sagen, dass ich viel lustiger war als ich noch depressiver war und es mir schlechter ging. Wenn man eine schwere, klinische Depression hat - dann ist es das vielleicht nicht hilfreich für die Kreativität. Aber Kreativität kann auch eine Bewältigungsstrategie sein, um mit sehr langweiligen, beklemmenden Situationen umzugehen.
Ihre Reise-Begleitung Christiane Rösinger kommt zwangsläufig viel vor in dem Buch und hat auch Kommentare in Fußnoten beigetragen.
Ich habe sie immer wieder mal nach Feedback gefragt, einfach so von Autorin zu Autorin. Aber natürlich habe ich auch immer wieder mal gefragt, ob die Darstellung von ihr in Ordnung ist. Sie ist ja auch eine öffentliche Person und – wie soll ich sagen? - eine starke Persönlichkeit, die sich nicht gerne was sagen lässt. Sie hat gemeint, sie hätte am liebsten jeden zweiten Satz rausgestrichen, aber irgendwann musste sie das ja auch zulassen, sonst hätte ich das Buch gar nicht schreiben können. Für sie war das nicht so einfach, dass jemand anderer über sie schreibt. Aber durch ihre Kommentare in den Fußnoten konnte sie dann ein wenigstens ein bisschen was relativieren.
Jetzt sind Sie teilweise wieder zusammen mit Lesungen aus „Iowa“ unterwegs - unter anderem auch in Köln.
Ich finde ja immer das Schreiben wahnsinnig zäh - dieses alleine zu Hause Sitzen, nur vor dem Computer. Das Auftreten ist eigentlich das, was mir Freude bereitet – sowohl Christiane Rösinger als auch ich sehen uns ja vor allem als Entertainerinnen. Wir stehen einfach gerne auf der Bühne.
Sie haben gesagt, Sie waren verzweifelt, weil in Iowa absolut nichts los war. Sind Sie überrascht, dass das Buch jetzt trotzdem - oder gerade deswegen - so erfolgreich ist?
Nach der Abgabe hatte ich ganz lange gar keine Lesungen verabredet, weil ich mich so geschämt habe und dachte: Das wird jetzt mein Tiefpunkt. Deswegen war ich tatsächlich überrascht, dass die Rückmeldungen so positiv sind. Ich habe das Gefühl, ich habe ein ganz neues Publikum gewonnen. Es kommen plötzlich sehr viele ältere Frauen zu meinen Lesungen - dieses Generationen-Thema interessiert viele. Und die Leute mögen es glaube ich, dass Christiane und ich zwar schon feministisch sind und uns auch als Linke verstehen - aber halt gewisse Dogmen dann doch nie so ernst nehmen. Und uns selber auch nicht.
Stefanie Sargnagel, geb. 1986, studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien Malerei, verbrachte aber mehr Zeit bei ihrem Brotjob im Callcenter. Seit 2016 ist sie freie Autorin – ihre beiden Bücher „Statusmeldungen“ und „Dicht“ waren Bestseller. 2022 verbrachte sie mehrere Wochen in Iowa, wo sie an einem kleinen College Kreatives Schreiben unterrichtete. Von dieser Zeit erzählt sie in „Iowa“ (Rowohlt, 304 Seiten, 22 Euro).
Vom 11. Oktober bis zum 3. November gibt es mehr als 150 Veranstaltungen beim Cologne Comedy Festival. Stefanie Sargnagel liest mit Christiane Rösinger am 28. Oktober im Kölner Gloria - die Veranstaltung ist schon ausverkauft.