Ein 16-Jähriger hat einen prominenten Baum in Nordengland gefällt. Der „Sycamore Gap Tree“ landete sogar im Nekrolog von Wikipedia.
„Sycamore Gap Tree“ gefälltGehört ein Baum in das Totenverzeichnis von Wikipedia?


Die Luftbildaufnahme zeigt den gefällten Sycamore Gap Tree im nordenglischen Northumberland.
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Man sollte als Journalist keinen Tod vermelden, bevor man nicht selbst, oder eine Nachrichtenagentur eine Bestätigung eingeholt hat. Die Neugier gebietet trotzdem den regelmäßigen Blick in den Nekrolog von Wikipedia, dem beständig aktualisierten Totenverzeichnis der Online-Enzyklopädie.
In der deutschen Wikipedia findet sich zudem ein ausgegliederter „Nekrolog für Tiere“. Zuletzt ist hier der Hauskater Leon gestorben, der als „Campus Cat“ der Augsburger Universität medialen Ruhm erlangte. Einen Nekrolog für Pflanzen gibt es nicht.
Das ist vielleicht aber nur eine Frage der Zeit: Die englischsprachige Wikipedia hat nun den „Sycamore Gap Tree“ in seine Totenliste mitaufgenommen, ein mächtiger Berg-Ahorn, der in einer Senke des Hadrianswall in Nordengland Wurzeln geschlagen hatte. Zum Mediendarling wurde der rund 300 Jahre alte Baum durch einen großen Auftritt im Kevin-Costner-Film „Robin Hood – König der Diebe“ (1991). Ein schöner Baum, man hört The Mamas & The Papas schmachten: „Birds singin' in the sycamore trees/Dream a little dream of me.“
Nun hat ihn ein 16-Jähriger am Donnerstagmorgen mit einer Kettensäge gefällt. Der Vandale wurde inzwischen verhaftet. Ein Motiv für seine Tat ist noch nicht bekannt. Auf der Wikipedia-Seite des „Sycamore Gap Tree“ führen interne Links unter anderem zu den Kategorien: „Kriminalität in Northumberland“ und „Zerstörte einzelne Bäume“.
Da muss man an das vom Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben postulierte „Wood Wide Web“ denken, an den Wurzeln angedockte Pilznetzwerke, mit deren Hilfe Bäume miteinander kommunizieren. Dies sei freilich, schreiben jetzt US-Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“, keinesfalls wissenschaftlich belegt, etliche Untersuchungen stünden noch aus, alles andere sei reines Wunschdenken.
Der Baum, lernen wir, kennt also eventuell gar kein Netzgetuschel. Schade. Aber der Mensch darf dennoch um ihn trauern.