Wunderbar wild und rasant ist das Stück „Pupo“ der Choreografin Sofia Nappi im Depot 2 des Kölner Schauspiel - aber auch ohne klares Thema.
Tanz KölnPuppen-Märchen auf globalem Trip
So sieht es also aus, wenn die grandiose Ästhetik von Hofesh Shechter - erfunden vor etwa 20 Jahren - Schule macht. Israelisch-britisch bittere Männlichkeit verwandelt in italienisch-amerikanische feminine Menschenfreundlichkeit, aber in Momenten fast so wunderbar wild und lässig, choreografisch kleinteilig und rasant wie beim Original.
Die aus Italien kommende und in New York an der Ailey School ausgebildete Sofia Nappi begeistert sich unverkennbar für Shechters Raves. Für die zur Horde zusammengerotteten Tänzerinnen und Tänzer, die synchron über die Bühne grooven, dazu garstig grinsen und Urban Dance, Folklore, zeitgenössischen Tanz mixen. Und vielleicht hat es auch seine Richtigkeit, dass ein so grandioser Stil wie der von Hofesh Shechter irgendwann seine Adepten findet. Sofia Nappi jedenfalls hat sofort diverse Tanz-Preise abgeräumt und wird von Kompanien wie dem Nederlands Dans Theater oder dem Staatsballett Hannover als Gastchoreografin engagiert.
Der hölzerne Pinocchio hat die Choreografin inspiriert
Was sich allerdings in Nappis in Köln erstmals in Deutschland aufgeführten Stück „Pupo“ nun gar nicht vermittelt, ist: ein Thema. Die hölzerne Puppe Pinocchio soll Nappi inspiriert haben. Tatsächlich ruckelt sich in der schönen Eröffnungsszene des Abends ein Tänzer allein im dämmrigen Licht durch die Gelenke. Er scheint die Beweglichkeit seines Körpers erst zu entdecken, keck triumphierend, ein bisschen selbstverliebt - so könnte in der Tat ein Breakdance-Pinocchio aussehen.
Doch welche Ideen genau Sofia Nappi dann in der Geschichte einer Disziplinierung und Menschwerdung fasziniert haben, bleibt rätselhaft. Die sieben Tänzerinnen und Tänzer begegnen sich mit gleichförmig rebellischem Krumping, Funk, Popping, mit schluffig gekrümmten Oberkörpern und hyperaktiver Schlaksigkeit. Sie deuten auch schon mal abrupt Gewalt an - eine „Genickbruch-Geste“, ein Strangulieren, danach wird das ‚Opfer‘ am Bein von der Bühne geschleift.
Doch letztlich bleibt alles heiter und wird von viel zu laut eingespielter Musik überspült, in der Chopin-Klassik, Ambient, Jazz und Ethno-Pop das Puppen-Märchen auf einen globalen Trip schicken. Die Selbstfindung des Holzlümmels als Kollektion weltweiter Einflüsse? Sofia Nappi selbst ist für diese Identitätsbildung wohl das beste Beispiel. Das nächste Mal bei Tanz Köln dann wieder ein Original: Fünf kurze Arbeiten des einzigartig stilbildenden Choreografen Marco Goecke.
Nächste Vorstellung bei Tanz Köln: 18./19.02.2024 „Dark Matter II“ von Marco Goecke im Staatenhaus.