Im Dresdner Fall „Katz und Maus“ stehen die „Tatort“-Ermittler von der ersten Sekunde an unter Druck. Unser Fazit: Viel besser kann ein Fernsehfilm nicht sein.
So war der „Tatort“ aus DresdenPeter Schnabels letzter Fall?
Der Fall
24 Stunden. So viel Zeit gibt er der Polizei, um 150 Kinder aus ungelösten Vermisstenfällen zu finden. Sollte sie es nicht schaffen, wird er die Journalistin töten. Das Ermittlerteam mit Karin Gorniak (Karin Hanczewski), Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) stürzen sich in die Ermittlung.
Die ersten Spuren laufen aber ins Leere. Der Entführer scheint in seinem Video Hinweise zu einem Ort zu vergeben, dort vermutet er die entführten Kinder. Doch auch nachdem die Ermittler diesen Code geknackt haben, können sie ihn nicht finden und die Kinder schon gar nicht. Mit Ablauf ihres Zeitlimits wendet sich Schnabel mit einem Appell an den Entführer, er solle Burkhards Leben verschonen.
„Katz und Maus“ zeigt den Inszenierungsdrang der Verschwörungsgläubigen
Der Entführer ist nicht überrascht. Er ist tief im Netz der Verschwörungserzähler verwickelt, folgt einem ominösen Streamer namens „Grinsekatze“, der eine entsprechende Maske trägt. Grinsekatze verbreitet auf einer Plattform allerlei Fakenews, etwa dass die Polizei im Fall der vermissten Kinder verwickelt ist (es erinnert an die Pizzagate-Verschwörung, die auch in der Folge erwähnt wird). Also tötet der Entführer die Journalistin und hat sich schon sein nächstes Opfer ausgesucht.
Peter Schnabel wirft des Nachts frustriert seine Currywurst in den Müll und läuft durch das nächtliche Dresden. Unter Schein von Straßenlampen wird er vom Entführer angegriffen und niedergerungen, während im Hintergrund „Lose Your Soul“ von den „Dead Man’s Bones“ spielt, dem Duo von Ryan Gosling: „I get up in the morning, put my dreams away, I get up, I get up, I get up again …“
Die Auflösung zum „Tatort“ aus Dresden
Als der Entführer das Video mit dem festgehaltenen Schnabel im Internet hochlädt, sendet er damit einen unbeabsichtigten Hinweis: Schnabel buchstabierte seinen Kolleginnen den Namen „Zoe“ mit Klopfzeichen. Damit gibt er die Identität seines Entführers preis, denn Zoe war ein angeblicher Vermisstenfall, in Wahrheit war sie nur von ihrem gewalttätigen Vater Michael Sobotta (Hans Löw) geflohen. Gorniak und Winkler können das durch seine Exfrau Nathalie Kissel (Christina Hecke) bestätigen.
Vor Sobottas Wohnung sehen sie den Entführer kurz, können ihn aber nicht dingfest machen. Immerhin finden sie dort einen Hinweis auf Grinsekatze, in Wahrheit ein Teenager mit Namen Holger Kirbach (Paul Ahrens), der mit den Verschwörungserzählungen vor allem Klicks und damit Geld generieren will. Gegenüber den Ermittlerinnen zeigt er sich kooperativ, aber ohne Reue und rät ihnen dazu, Feuer mit Feuer zu bekämpfen.
Die „Tatort“-Ermittler schlagen den Entführer mit seinen eigenen Waffen
Erst als sie Zoes ehemaligen Freund ausfindig machen, finden sie auch Zoe (Alida Bohnen) und können beweisen, dass sie nicht entführt wurde. Sie hoffen, mit ihrer Hilfe den Täter zum Umdenken zu bewegen. Doch selbst als Sobotta Zoe mit eigenen Augen sieht, kann der Entführer es nicht wahrhaben. Er hält seine Tochter für eine Schauspielerin.
Katz und Maus | Tatort
Zuletzt greift das Ermittlerduo zu drastischen Maßnahmen. Sie folgen Grinsekatzes Rat und inszenieren die Befreiung der vermissten Kinder in einem Video. So gewinnen sie die nötige Zeit, um einen geheimen Raum in Sobottas Wohnung zu finden. Dort befreit sich Schnabel in einem günstigen Augenblick. Beim Handgemenge mit dem Entführer trifft ihn ein Schuss. Das Team kann nur noch rechtzeitig zum Suizid des Täters anrücken, während Schnabel verblutet. Kommt er vielleicht durch oder war es das für Peter Schnabel? Die Streicher im Hintergrund lassen Schlimmes erahnen. Ebenso wie Winkler und Gorniak kämpft man um ihn, möchte auch auf die Wunde drücken, um die Blutung zu stoppen.
Fazit zum „Tatort“ aus Dresden
Viel besser kann ein Fernsehfilm nicht sein. Als Sobotta das von der Polizei inszenierte Video hochlädt und laufend aktualisiert, um die Anzahl der Zugriffe zu beobachten, wird die Befriedigung sichtbar, den eigenen Namen mit der Verschwörung reingewaschen zu haben. Das eigene Versagen ist vergessen, die Welt hat Unrecht.
Die Musik und das Licht verschaffen der Figur den Raum, in der sie sich bewegen kann. Hier wirkt Dresden wie Gotham, wie ein Ort, in dem ein bisschen Gerechtigkeit nur denkbar ist, wenn man sie sich selbst erkämpft. Sobotta ist zu tief in seiner Fantasie versunken, kein Argument wird ihn von seinem Irrtum überzeugen können. Spätestens mit Schnabels Entführung wird das deutlich. Jeder, der mal gegen diese Wand gefahren ist, diese völlige Unempfänglichkeit für die Realität, wird Schnabels zunehmende Frustration bei Gesprächen mit Sobotta nachfühlen können.
Aus der Konfrontation von Sobotta und Schnabel ergeben sich großartige Szenen mit einem Thema, das leider immer noch aktuell ist. Um dem gerecht zu werden, kommt in dieser Folge alles zusammen, von den Dialogen bis hin zu Licht und Kamera. Und so gelungen die Inszenierung ist, so sehr scheitern die Ermittler trotz Opferbereitschaft im Kampf gegen die Verschwörung, für die ihre ratio kein Gegenmittel zu sein scheint. So gehört der Schluss der Folge dem Streamer mit der Katzenmaske, der weiter die Deutungshoheit an sich reißt.