KritikDDR, Emotionen, November-Stimmung – Dieser „Tatort“ war perfekt platziert
Berlin/Köln – Der alleinstehende Nachbar von Robert Karow (Mark Waschke) hatte wochenlang in seiner Wohnung gelegen und niemandem war es aufgefallen. Der Berliner Kommissar kannte ihn nicht, hat nichts bemerkt. Die geschäftige Vermieterin wollte möglichst schnell renovieren und alle Spuren beseitigen. Da erklärte Karow die Wohnung kurzerhand zum Tatort, er glaubte nicht an einen natürlichen Tod. Nina Rubin (Meret Becker) war anfangs skeptisch, doch dann ergab die Obduktion, dass der Mann aus nächster Nähe erschossen worden war.
Die Auflösung
Entmietung durch Genickschuss? – die angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt schien nichts unmöglich zu machen. Doch die Vermieterin hatte nichts mit dem Mord zu tun. Er war eine verspätete Hinrichtung. Der Tote hatte als junger Mann die Familie von Hajo Holzkamp (Christian Kuchenbruch) ausgelöscht, der Junge hatte als einziger überlebt.
Holzkamp lernte später in der Psychiatrie Liz (Britta Hammelstein) kennen, auch sie hatten traumatische Kindheitserlebnisse aus der Bahn geworfen. Sie war es auch, die mit dem ehemaligen DDR-Richter Gerd Böhnke (Otto Mellies) gemeinsame Sache machte. Der Jurist hatte damals ein Todesurteil gegen den Mörder verhängt, das aber nicht vollstreckt worden war. Nun übten er und Liz Selbstjustiz.
Die Kommissare
Karow und Rubin taten sich in der Vergangenheit oft schwer miteinander. Dieser „Tatort“ bescherte dem Publikum jedoch einige sehr intime Momente zwischen den beiden. Der sonst nach außen so harte Ermittler zeigte sich ungewohnt dünnhäutig. In einer Szene sprachen er und Rubin über den Tod und die Frage, ob es ein Leben danach gibt.
Für „Tatort“-Fans
„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.
Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.
„Die Zeit zwischen Tod und Begräbnis ist für die Seele verwirrend“, sagte Rubin und zeigte ihm ein jüdisches Trauerritual. „Machen Sie das dann auch für mich – wenn ich nicht mehr da bin?“, fragte der Kommissar. „Du bist nicht alleine, Karow.“ Eine großartig gespielte, berührende Szene. Da bedauert man es sehr, dass Meret Becker im kommenden Jahr aus der Reihe aussteigen wird.
Fazit
Drehbuchautorin Sarah Schnier warf im neuen Berliner Fall „Das Leben nach dem Tod“ einen Blick auf ein wenig beachtetes Kapitel der DDR-Geschichte. Dort gab es im Strafrecht bis 1987 die Todesstrafe. Dieses Thema verknüpfte sie geschickt mit den großen Themen: Schuld, Angst, der Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt und der Einsamkeit vieler Großstädter.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Planer der „Tatort“-Sendetermine treffen ja manchmal merkwürdige Entscheidungen und zeigen einen Fall, der im Hochsommer spielt, im Winter oder anders herum. Doch „Das Leben nach dem Tod“ war perfekt platziert.
Mehr November-Stimmung geht kaum. Regisseur Florian Baxmeyer und Kamerafrau Eva Katharina Bühler ließen zu keinem Zeitpunkt heimelige Stimmung aufkommen. Drinnen war alles trist und düster und bei den wenigen Außenaufnahmen regnete es meistens. Der perfekte Rahmen, um über Tod, Vergänglichkeit, Einsamkeit und Schuld zu reflektieren. All das wurde von hervorragenden Schauspielerleistungen getragen. Ein starker „Tatort“ aus Berlin.