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So war der „Tatort“Auch die Hauptfiguren müssen Federn lassen

Lesezeit 5 Minuten
Jan Pawlak schaut bestürzt in Richtung der Kamera. Er steht an einer Straße, der Hintergrund ist verschwommen.

Jan Pawlak (Rick Okon) in der neuen Folge des Tatort „Love is Pain“

Im Dortmunder Tatort „Love is Pain“ ist das Gesicht des Täters kein Geheimnis, seine Identität dagegen schon. Die Folge zeichnet sich durch ihre hervorragende Kamera aus.

Dass Liebe schmerzhaft sein kann, wird bereits in Scharen von Liebesliedern besungen. Der Dortmunder Tatort geht noch einen Schritt weiter und erklärt: Liebe ist Schmerz, was auch der Titel der Folge am 23.04. ist („Love is Pain“).

Die Folge beginnt dann mit viel Schmerz und spart sich die Liebe. Der Straßenbahnfahrer Hamza Arkadas (Mehmet Daloglu) wird kurz vor seinem Feierabend erstochen, als er gerade die Wagons durchgeht. Der Täter, ein zunächst unscheinbarer Mann mit Mütze und Kapuzenpulli, zeigt sein Gesicht der Überwachungskamera. Dabei deutet er mit dem Finger auch auf sein Gesicht, am Auge hat er sich eine Träne tätowiert.

Die Rückkehr von Ermittler Peter Faber birgt Irritationen für das „Tatort“-Team

Was zunächst nach leichtem Spiel für die Ermittler klingt, entpuppt sich als eine langwierige Suche nach dem Mann, dessen Identität sie auch mit Überwachungsbildern seines Gesichts nicht herausfinden können. Das Ermittlerteam kann auf die volle Unterstützung von Peter Faber (Jörg Hartmann) setzen, der nach dem Tod seiner Kollegin Martina Bönisch krankgeschrieben war und nun offiziell wieder im Dienst ist.

Das sorgt aber auch für Irritationen – die Leitung hat mittlerweile Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) übernommen, und wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht, die mit Faber so ihre Probleme hatte, soll das auch so bleiben. Herzog wiederum ist abgelenkt von ihrer Mutter, die durch die Stadt geistert und wegen Beziehungen zur RAF gesucht wird. Auch Jan Pawlak (Rick Okon) leidet an persönlichen Konflikten. Seine Schwiegermutter kreidet ihm das Verschwinden seiner Partnerin an und droht, das Sorgerecht für seine Tochter anzufechten. Faber selbst ist immer noch in Trauer um Bönisch und erzürnt darüber, dass sein Kaktus an Bönischs Gedenkstätte in einer Kirche entfernt wurde.

In „Love is Pain“ muss Jan Pawlak um das Sorgerecht seiner Tochter bangen

Da die Befragung der Familie des Opfers nichts zutage fördert, bittet Herzog Beate Gräske (Sar Adina Scheer) um Hilfe. Gräske verfügt über ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Gesichter und soll den Täter anhand von Überwachungskameras ausfindig machen. Dieser lauert plötzlich Jan Pawlak auf, der ihm zwar hinterherläuft, aber nicht stellen kann. Daraus dreht ihm seine Schwiegermutter im Sorgerechtsstreit einen Strick: Er hat seine Tochter alleine im (abgeschlossenen) Auto gelassen, und das, obwohl ein Mörder frei herumläuft.

Der Täter schnappt ein weiteres Mal zu, diesmal trifft es einen Barbesitzer namens Lars Ramme. Dieser war ein Schulfreund des ersten Opfers. Faber kehrt also wieder zu Hamza Arkadas Familie zurück und Enise Sahnintürk (Pinar Erincin) gibt dem Ermittler einen entscheidenden Hinweis: die beiden Opfer gehörten einem Trio an, dessen drittes Mitglied Tom Heinrich heißt. Die Polizei stürmt Heinrichs Wohnung, der noch bei seiner Mutter gemeldet ist. In Wahrheit lebt dieser aber bettlägerig in einem Pflegeheim und ist seit eines Unfalls nicht mehr ansprechbar. Tom soll sich als autoerotisches Spiel mit seinem Gürtel erhängt haben und hat gerade so überlebt.

Die Auflösung zum „Tatort“ aus Dortmund

Die Mutter bezweifelte diese Lesart der Ereignisse schon damals, und Pawlak und Herzog stoßen bei der Rekonstruktion des Falls auf Ungereimtheiten und schlechte Polizeiarbeit. In die Vorfälle war auch eine weitere Person, Tanja Zietmann (Johanna Polley) verwickelt, und wie die Ermittler vorhersehen, ist sie auch die letzte auf der Liste des Täters. Bei diesem handelt es sich um Mike Majewksi (Nils Hohenhövel), der mit Tom Heinrich eine Liebesbeziehung führte. Wie die Ermittler von Zietmann erfahren, waren die beiden Opfer Lars und Hamza Schuld an Toms „Unfall“. Die Ermittler können verhindern, dass auch Zietmann zum Mordopfer wird, und finden Mike Majewski schließlich unbewaffnet an Tom Heinrichs Bett.

Auch die anderen Handlungsstränge werden an ihr Ende geführt. Faber freundet sich mit dem Gedanken an, die Leitung an Herzog abzugeben. Herzog liefert ihre Mutter der Polizei aus, Jan Pawlak verliert das Sorgerecht für seine Tochter Mia. Und am Ende sitzt Faber wieder in der Kirche, umgeben von Blumen zum Gedenken an die Toten – und einem Kaktus für Bönisch.

Fazit zum „Tatort“ aus Dortmund

Der Fall beginnt spannungsreich mit dem Rätsel um einen unbekannten Täter, dessen Gesicht man kennt. Er verliert das thrillerhafte aber zusehends, da Mike Majewski immer wieder auftaucht und im Endeffekt wenig tut. Zwar ist eindrucksvoll, wie er am Arm verwundet in einem Badezimmer seine Wunde auswäscht und seinen Schmerz zum Ausdruck bringt. Letztlich führt die Empathie für den Täter, der scheinbar sinnlos den Ermittlern über den Weg läuft und sich damit ankündigt, zu einem verminderten Gefühl von Bedrohung. Und damit ist es um die Spannung eigentlich geschehen.

Herausragend ist aber die elegante Kameraführung (Philipp Sichler), die mit einem Reichtum an filmischen Mitteln glänzt. Mit klugen Schwenks setzt die Kamera mehrere Figuren und Teile des Sets in Szene setzt und lässt sie wieder im Hintergrund verschwinden, setzt sich auch immer wieder in Kontrast zu den Bewegungen der Figuren. Unter der Regie von Sabine Bernardi avanciert der Tatort zu einem visuellen Gaumenschmaus.

Thematisch bewegt sich die Handlung in einem klaren Rahmen: Wer zu Lieben wagt, riskiert verletzt zu werden. Ob nun Pawlak und seine Tochter, Herzog und seine Mutter oder Faber und Böhnisch, sie alle müssen Federn lassen. Auch der Täter, der als verletzter Liebhaber in einem Racheakt den Schuldigen gewaltig wehtut, spiegelt selbst in seinem Tattoo - eine Träne - diese Konnotation aus Liebe und Schmerz wider. Insgesamt besonders für Dortmunder Fans ein sehenswerter Tatort.