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So war der „Tatort“ aus SaarbrückenEin Industriewestern in den Prärien des Saarlands

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Männer stehen in einem Garten.

Bastian Barthel (Lorris Andre Blazejewski) wird von Adam Schürk (Daniel Sträßer) vorläufig festgenommen in einer Szene aus „Tatort: Die Kälte der Erde“

In seinem vierten Fall ermittelt das Saarbrücker Tatort-Quartett in der Hooliganszene. In „Die Kälte der Erde“ geht es aber nicht nur um Fanrivalitäten, sondern vor allem um Familie und Zugehörigkeit.

Der Fall

Einmal im Jahr verschlägt es die „Tatort“-Dreharbeiten ins Saarland, genauer gesagt nach Saarbrücken. Aber auch wenn es sich bei Saarbrücken um die zweitkleinste Landeshauptstadt handelt – dass im neuesten Fall wirklich alle mit allen irgendwie verstrickt sind, verblüfft dann doch ein wenig.

Dr. Friedemann Lech (Till Butterbach) versucht in der Notaufnahme vergeblich, das Leben des leiblichen Vaters seiner Pflegetochter zu retten. Die Kommissarin Esther Baumann (Brigitte Urhausen) als jetzt geouteter FC-Saarbrücken-Ultra kennt das Opfer und dessen Hooliganfreunde aus der Eckkneipe. Der Sohn der Eckkneipenbesitzerin wiederum will den Kommissar Adam Schürk (Daniel Sträßer) um Geld erpressen - und samstags sehen sich sowieso alle im Stadion.

Der Tatort „Die Kälte der Erde“ wagt sich also in die Hooliganszene, mit viel Gewalt, Faustkämpfen in verlassenen Industriebrachen und der bekannten „Wir regeln das unter uns“-Mentalität. Beim Mord an Andreas Schneider (Nils Bannert) geht es aber nicht primär um die Streitigkeiten verfeindeter Fangruppen. Die vielschichtig gezeichneten Figuren kämpfen um das Sorgerecht für ihre Tochter, gegen ihre eigene Wut oder die Abgründe ihrer Vergangenheit an.

Das Ermittlerteam

Der vierte „Tatort“ des aktuellen Saarbrücker Ermittlerteams nimmt sich Zeit, die Kommissare nochmal einzuführen. Das funktioniert gut, weil sich die Figuren ohnehin noch in einer Kennenlernphase untereinander befinden. Melanie Waelde (Drehbuch) und Kerstin Polte (Regie) ging es vor allem um die Entwicklung der beiden Frauenfiguren, die inzwischen zu gleichberechtigten Kolleginnen von Schürk und Hölzer aufgestiegen sind.

Als Gegenpol zu den komplizierten, schicksalsschwangeren Szenen der Kommissare und alten Freunde Schürk und Hölzer tun die beiden Kolleginnen dem Saarbrücker „Tatort“ sehr gut. Da ist die Kölnerin Ines Marie Westernströer als Pia Heinrich - einerseits Workaholic, die sich kurzerhand im Büro die Zähne putzt, weil sie es vor lauter Ermittlungsarbeit nicht nach Hause schafft. Andererseits hält sie aber auch mit ihrer besonnenen Art das Team zusammen. Und Esther Baumann, die sich - als sie im Fußballtrikot zur Arbeit kommt, erstmal behaupten muss: „Nur weil ich regelmäßig ins Stadion gehe, heißt das nicht, dass ich hier nicht sauber ermittle.“

„Es gibt Dinge, da ist es besser, wenn die Polizei sich darum kümmert, und es gibt Dinge, da ist es besser, wenn sich jemand anderes darum kümmert.“ Ein Satz, der im „Tatort“ fällt und für das Selbstverständnis der rivalisierenden Hooligan-Gruppen genauso gilt wie für die Vergangenheitsbewältigung von Adam Schürk, der auch gegenüber seinen Kollegen einige Geheimnisse verbirgt.

Die Auflösung

Schritt für Schritt gelingt es dem Ermittlerteam dann doch, die Beziehungen und Streitereien um Alina Barthel (Bineta Hansen) und ihre Tochter Stella zu entwirren. Dank eines Vaterschaftstests und einer Spy-App auf dem Handy kommen die Kommissare den verschiedenen Mordmotiven im Laufe des Films auf die Spur. Und mehr oder weniger nachvollziehbare Motive haben viele. Dass es am Ende Alina Barthel war, beobachtet von Friedemann Lech, spielt keine große Rolle mehr. Umso spektakulärer die Festnahme - zwischen Schürk und Barthel kommt es in alter Western-Manier zum Showdown.

Fazit

Den Macherinnen von „Die Kälte der Erde“ ist es wunderbar gelungen, die Rollen divers zu besetzen und klischeehafte Milieu- und Rollenbilder weitgehend zu vermeiden. Andere Tatorte könnten sich da gut ein Vorbild nehmen. Sowohl beim Cast als auch bei den Storylines wurde großen Wert auf diverses Erzählen und facettenreiche, unstereotype Frauenfiguren gelegt. Alina Barthel, die von Bineta Hansen verkörpert wird, ist eine von ihnen. Die Wucht und Unberechenbarkeit in ihrem Spiel geben dem Film eine gewisse Würze.

Große Spannung kommt nicht auf, hat man sich einmal an die Gewaltausbrüche gewöhnt, in denen einige Szenen gipfeln. Erwähnenswert bleibt eine erstklassige Szene, in der eine Verfolgungsjagd in einer riesigen Kiesgrube spektakulär gefilmt wird. Hier haben die Szenenbildnerinnen Winnie Christiansen und Anne Storand bei der Auswahl der Location einen tollen Job gemacht. Das junge Ermittlerteam macht Lust auf mehr. Schade, dass man jetzt wieder ein Jahr warten muss.