Tatort-NachkritikÜberzeugende Darsteller, starker Schnitt und Berliner Schnauze
Köln – Der Fall
Katharina Werner wird in der Tiefgarage von einem Jeep überrollt. Sie erliegt nicht ihren schweren Verletzungen, wie wir erfahren, sondern dem Schock.
Die Ermittler
Die Berliner Kriminalhauptkommissarin Nina Rubin (Meret Becker) und ihr Kollege Robert Karow (Mark Waschke). Es ist ihr dritter Fall. Wer die beiden ersten Filme nicht gesehen hat, rätselt eine Weile über Karows Recherchen in eigener Sache.
Das Thema
Jugendliche, die für ihre Eltern – in diesem Falle handelt es sich um Alleinerziehende – nur schwer zu erreichen sind. Nicht aus einer sozialen Notlage heraus, sondern aus einer emotionalen. Suggeriert wird, dass die digitalen Verlockungen die Kommunikation innerhalb der Familien erschweren – oder dass sie vielleicht doch nur der Fluchtpunkt sind.
Die Schauspieler
Meret Becker und Mark Waschke als Hauptkommissare machen ihre Sache gut. Zumal Becker viele Psycho-Brüche zeigt. Waschke bleibt fast durchweg im Stahlgesicht-Modus. Überzeugend auch die Darsteller der Jugendlichen.
Die Lösung
Die drei Mädchen aus der Smartphone-Gruppe – Louisa (Cosima Henman), Paula (Emma Drogunova) und Charlotte (Valeria Eisenbart) – bezichtigen sich zunächst jeweils selbst, am Steuer gesessen zu haben. Blieben sie dabei, könnten sie damit durchkommen. Doch die Rekonstruktion der Tat, bei der jede der drei Tatverdächtigen noch einmal mit dem Jeep über ein Dummy rollen soll, sorgt für Klarheit. Paula war’s – die „Anführerin“ der Gruppe. Ihr Hinweis: Die Frau, die da plötzlich aufgetaucht sei, habe die Party gestört.
Die beste Szene
Die arrogante Paula wird vom Kaugummi kauenden Karow verhört. Statt zu kooperieren, fordert sie einen Kaugummi ein. Beiläufig spuckt Karow seinen aus und reicht ihn der jungen Frau. Die greift tatsächlich zu und kaut den Gummi weiter. Punktsieg für Paula im Psychospiel.
Die schlappste Szene
Allzu schlicht ist die Szene, in der zwei Mädchen aus der Gruppe zum Jeep schleichen, der versteckt in einem Unterstand steht, um diesen anzünden. Der liebe Zufall will es, dass der Hauptkommissar vorbeischaut, als gezündelt wird: Das sollten sie mal bleiben lassen, meint er.
Der besondere Schnitt
In der zweiten Halbzeit ein Furioso aus parallel verlaufenden Handlungen an verschiedenen Schauplätzen. Das kommt plötzlich zum Stillstand und löst sich auf in ruhigen Betrachtungen. Gut anzuschauen. Regie: Torsten C. Fischer.
Das Lokalkolorit
Von der Hauptstadt sieht man wenig. Nicht nur, weil viele Szenen von der düsteren Art sind. Der Berliner Look ist kühl, nicht cool. Die Ortssprache wird gepflegt: „Na, kieck ma eener!“
Der beste Satz
Hauptkommissarin Rubin telefoniert mit dem Partner, von dem sie getrennt lebt: „Victor, Deine selbstgerechte Verletztheit kotzt mich an.“ In der Sprüche-Wertung siegt hier „Laber-Rhabarber“ (Paula) vor „Quid pro quo“ (Karow).
Das Finale
Aufbruch in eine neue Zeit. Da sagt der Hauptkommissar zur Hauptkommissarin: „Wir sollten uns duzen – ich bin Robert.“
Die Randbemerkung
Ein witzfreier „Tatort“ tut auch mal gut.
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