AboAbonnieren

„Ted Lasso“Toxische Positivität oder die Serie, auf die wir gewartet haben?

Lesezeit 4 Minuten
Ted Lasso (Jason Sudeikis) sitzt in der ersten Folge der dritten Staffel der gleichnamigen Serie in einer Pressekonferenz. Er trägt einen dunkelblauen Trainingsanzug.

Jason Sudeikis als Ted Lasso in der ersten Folge der dritten Staffel der gleichnamigen Serie.

Die Serie „Ted Lasso“ startet in eine dritte Staffel. Der Fußball-Trainer ohne Sachverstand begeistert die Fans mit seinem unerschütterlichen Optimismus.

Die Ausgangslage von „Ted Lasso“ klingt nach einer echten Schnapsidee: Ein amerikanischer College-Football-Coach kommt nach England, um dort ein abstiegsbedrohtes Premier-League-Team zu trainieren. Von dem, was die Amerikaner Soccer und der Rest der Welt Fußball nennt, hat er noch weniger Ahnung als von den Gepflogenheiten im Königreich. Oder wie er es selbst ausdrückt: „Man könnte zwei Internets damit füllen, was ich nicht über Fußball weiß.“

Und in der Tat hatte Hauptdarsteller und Produzent Jason Sudeikis zu Beginn rund um diesen Ted Lasso keinesfalls eine Serie im Kopf. Er erfand den Coach für kurze Werbeclips, in denen der amerikanische Sender NBC dafür warb, alle Spiele der Premier League zu zeigen.

Aus einer Werbefigur wurde ein vielschichtiger Charakter

Schaut man sich diese kurzen Videos an, ist das zwar höchst amüsant, aber man hätte dieser Figur wohl nicht zugetraut, eine ganze Serie über mehrere Staffeln zu tragen. Doch aus der Werbewitzfigur Ted Lasso wurde tatsächlich ein vielschichtiger Charakter.

Nun ist die dritte Staffel bei Apple TV+ zu sehen. Und Ted Lasso ist längst kein Geheimtipp mehr, sondern eine der erfolgreichsten Produktionen der vergangenen Jahre. 2021 erhielt die Serie bei den Emmy-Awards 20 Nominierungen, so viele wie kein anderes Comedy-Format zuvor. Gewinnen konnten Sudeikis und seine Kollegen sieben Trophäen, er selbst wurde zudem mit einem Golden Globe ausgezeichnet

Doch woher kommt dieser Erfolg? Vordergründig natürlich aus der „Fish out of Water“-Konstellation, in der sich Ted wiederfindet. Doch Missverständnisse und Witze über die Ahnungslosigkeit des Trainers sind nett, aber nicht abendfüllend.

Ted Lasso hat sein Publikum nicht mit Fußballfachwissen, sondern mit seinem großen Herzen gewonnen. Das klingt vielleicht ein wenig pathetisch, ist aber wahr. Klub-Besitzerin Rebecca Welton (Hannah Waddingham) hatte nach der Scheidung den Verein ihres Ex-Mannes, den fiktiven AFC Richmond, erhalten. Und weil Rupert sie mit unzähligen Affären verletzte, will sie sich nun rächen und den Verein, der ihm am Herzen liegt, zugrunde richten.

Ted Lasso geht es nicht ums Gewinnen

Doch selbst sie kann sich Lassos Charme und seinem unerschütterlichen Optimismus nicht entziehen. Er bringt ihr nicht nur selbstgebackene Kekse ins Büro, er verzeiht ihr sogar, als er schließlich erfährt, warum sie ihn engagierte.

Ted geht es nicht so sehr ums Gewinnen, sondern viel mehr darum, den Spielern dabei zu helfen, „die beste Version ihrer selbst auf und neben dem Platz zu sein“. Damit stößt er zuerst auf Skepsis, doch zeitigt seine Herangehensweise Erfolg. Er erkennt das taktische Talent von Zeugwart Nathan „Nate“ Shelley (Nick Mohammed), den zu Beginn alle herumschubsen. Er baut ihn auf und macht ihn schließlich zum Co-Trainer.

Es gibt Kritiker, die werfen der Serie toxische Positivität vor. Ted lasse aufgrund seines übersteigerten Optimismus keinerlei negative Gefühle zu, negiere sie vielmehr. Wer zwanghaft nur gute Gefühle sucht, kann nicht zu einer realistischen Einschätzung der Lage kommen.

Doch diese Kritik greift zu kurz. Die Serie zeigt, gerade in der zweiten Staffel, woher dieser Zwang zur Fröhlichkeit bei Ted rührt und welche Folgen er für ihn hat. Und der Wandel von „Nate the Great“ zum Bad Guy, der Ted am Ende verrät und Chef-Trainer des verhassten Konkurrenten West Ham United wird, erinnert nicht durch Zufall an die Coming-of-Age-Geschichte von Darth Vader.

Einladung ins Weiße Haus

Es ist also längst nicht alles rosarot in der Welt des AFC Richmond. Doch nachdem wir uns über Jahre daran gewöhnt hatten, gebrochene Charaktere wie Walter White in „Breaking Bad“ bei ihrem moralischen Niedergang zu begleiten, war „Ted Lasso“, deren erste Staffel im Sommer 2020 erschien, genau das Gegengift, das wir in Corona-Zeiten brauchten.

Es ist fast schon rührend zu sehen, wie jemand trotz aller Niederschläge und Verletzungen weiterhin unbeirrt an das Gute im Menschen glaubt. Wir wollen ihn nicht zu einer Erlöser-Figur verklären - wobei Ostern ja nicht weit ist - aber Ted Lasso liebt auch die, die ihn nicht lieben.

Und er liebt eine Welt, die wir alle nicht mehr so recht lieben können. Ihm gelingt es, den Zuschauern die Zuversicht zu vermitteln, dass eben doch vielleicht am Ende alles gut werden kann. Das kann man naiv finden. Oder sehr heilsam. „Ted Lasso“ ist die Serie, von der wir nicht wussten, wie dringend wir sie brauchen.

Das hat auch der amerikanische Präsident Joe Biden erkannt. Er postete am Wochenende das Foto einer Tür, die ins Oval Office führt. Über dem Türsturz leuchtet gelb ein Plakat mit der Aufschrift „Believe“. Dieses Schild hängt auch Ted Lasso über dem Eingang zu seinem Büro auf.

Jason Sudeikis, Hanna Waddinghahm und andere Darsteller besuchten das Weiße Haus am Montag, um darüber zu diskutieren, „wie wichtig es ist, sich mit der psychischen Gesundheit zu befassen“, wie es in einer Mitteilung hieß. Ted Lasso coacht jetzt also den Präsidenten. Da sage noch einer, Glaube könne keine Berge versetzen.