Oliver Masucci spielt im neuen Film „The Palace“ von Roman Polanski mit. Im Interview spricht er über seinen Beruf als Schauspieler.
Interview zum Kinofilm „The Palace“So bekam Oliver Masucci die Rolle, die Polanski ihm nicht geben wollte
Herr Masucci, Sie nehmen für Ihre Filmrollen bisweilen eklatante Gewichtsschwankungen in Kauf. Auf was ist dabei zu achten?
Oliver Masucci: Viel Disziplin und starker Wille, so ist das nun mal im Leben. Nach der Hitlerrolle in „Er ist wieder da“ ging das noch vergleichsweise leicht. Bei „Enfant Terrible“ und vor allem bei „Schachnovelle“ war das nicht mehr so. Am Anfang des Films bin ich ja ein Wiener Großbürger, der noch richtig gut im Saft steht. Dann verliert er im Laufe des Films immer mehr Gewicht.
Wie haben Sie das geschafft?
Mit Nordic Skating, also Cross Country Skiing. Wenn man das zwei Stunden am Tag macht, den Berg hoch und wieder runter, dafür braucht man den Willen – das ist das Allerentscheidende – und einen Termin.
Wieso?
Seit ich meinen Anfängen auf der Bühne bin ich Premierenschauspieler. Ich funktioniere auf Termin hin. Bei „Schachnovelle“ hatte ich dafür zwei Monate Drehpause, um 20 Kilo abzunehmen und dann weiterzudrehen.
Oliver Masucci spielt in Roman Polanskis „The Palace“ einen Hoteldirektor
Man sieht Sie nun im Kino in „The Palace“ unter der Regie von Roman Polanski als Hoteldirektor. Wie kam es dazu?
Der Kontakt kam über den Produzenten Dietmar Güntsche zustande, der mir beim Dreh zu der Serie „German Crime Story: Gefesselt“ von dem neuen Projekt mit Polanski erzählte. Da schaltete ich hoch und meinte: Dann sag dem doch mal, dass es mich gibt. Und Güntsche hat mich tatsächlich zur Sprache gebracht. Ausschlaggebender aber war es, dass am Projekt auch ein italienischer Produzent beteiligt ist. Der kannte mich aus der Serie „Dark“, die in Italien enorm beliebt ist, und fand, dass es ein Gewinn für den Film sein würde, wenn ich mit dabei bin. So wurde ich dann in Gstaad Polanski vorgestellt und der bot mir eine Rolle, die ich aber nicht spielen wollte.
Wieso das?
Es ging um die Rolle des Hochstaplers, die dann mit Mickey Rourke besetzt wurde. Und ich sollte auch dessen tschechischen Sohn spielen, also eine Doppelrolle.
Und das war nicht genug?
Darum geht es nicht. Ich sah mich viel besser in der Rolle des Hoteldirektors besetzt, die alle anderen Figuren und Erzählstränge miteinander verbindet. Ich wollte einfach mit diesen ganzen wunderbaren Schauspielern spielen. Fanny Ardant, John Cleese. Aber Polanski sagte, er bräuchte jemand Kleineren und Filigraneren als mich. Darauf sagte ich, ich könnte es ja mit Schauspielen versuchen. Da musste er lachen. Am Ende bekam ich die Rolle.
Der Film ist mehrsprachig. Stört es Sie, wenn Sie im Kino Untertitel lesen müssen?
Nein, denn das ist eine reine Frage der Gewohnheit. Der Satz „Das haben wir noch nie gemacht“ ist dabei für mich eine ganz präzise Umschreibung für – neu. Und deshalb bin ich überzeugt, dass man Sehgewohnheiten auch umtrainieren kann. Meinen Kindern habe ich verboten, deutsch synchronisierte Filme zu schauen.
Das macht für Oliver Masucci einen guten Regisseur aus
Sie haben fürs Kino mit starken Regiepersönlichkeiten gearbeitet. Wie haben Sie diese Leute als Schauspieler wahrgenommen?
Hm, ein guter Regisseur führt die Schauspieler gar nicht so sehr, der lässt sie eher machen. In der Arbeit mit Oskar Roehler zu „HERRliche Zeiten“ und „Enfant Terrible“ ging mir dazu einiges auf. Wenn Schauspieler Roehler fragen, wie sie die Rolle spielen sollen, dann sagt der: „Was fragt ihr mich? Ihr seid doch die Schauspieler. Ich bin der Regisseur.“ Schauspieler müssen sich schon selber führen.
Wie meinen Sie das?
Die nehmen dich, weil die dich gut finden. Und dem muss man vertrauen. Ich habe im Kino einige krasse Rollen gespielt, und nun traut man mir offenbar gewisse Dinge zu. Also lässt man mich machen. Lenkung ist da nur ganz wenig.
Sie waren in großen internationalen Produktionen dabei, „Der Schwarm“ und „Fantastische Tierwesen“. Sie wollten wohl gern bei den Großen dabei sein?
Ja, denn da wollte ich ja hin. Ich saß als Junge im Kino, und da wollte ich hin. Ich wollte auf die Leinwand.
Das kann ich nachfühlen.
Man kommt aber nicht dahin, wo man hin will, wenn man Dinge tut, die man nicht will. Also ist es ganz entscheidend, dass man solche Dinge halt nicht tut. Dass man im Blick aufs Wesentliche auch Nein sagt.
Der Schauspieler hat mit „Träumertänzer“ auch ein Buch veröffentlicht
Sie wären also gern Filmstar?
Interessante Frage, würden Sie das auch einen französischen oder amerikanischen Schauspieler fragen? Das ist doch Teil des Spiels. Man ist als Schauspieler eine Projektionsfläche. Das gilt vor der Kamera ebenso wie, wenn man über den roten Teppich läuft und sich dafür fein angezogen hat.
Sie haben Ende letzten Jahres ein Buch veröffentlicht, „Träumertänzer“.
Ja, so hat mein Vater mich genannt. Träumertänzer, weil ich als Kind schon Schauspieler werden und auf der Kinoleinwand erscheinen wollte. In dem Buch gehts darum, wie wir über italienische und deutsche oder Küche den Rassismus in der Familie überwunden haben. Um Italien und Deutschland. Es geht um diesen Wahnsinn in unserer Familie, ganz viel Essen, italienische Friedhöfe, und wie ich als Adolf Hitler für „Er ist wieder da“ durch Deutschland und bis nach Tokio gereist bin und was ich dabei erlebt habe. Vor allem aber: Wie Träume wahr werden.
Als Schauspieler müssen Sie sich ja mit geschriebenem Wort auseinandersetzen. Wie ist es denn, selbst etwas zu schreiben?
Das Buch war eine schöne Erfahrung. Der Prozess des Schreibens ist in meinem Beruf aber zwangsläufig der Fall. Das kommt öfters vor, dass man einen Dialog umschreibt, damit er spielbar wird und man ihn gut sagen kann. Es ist ein Beiwerk, das dadurch entsteht, weil man Sachen besser machen möchte.
Beim Film geht das einfach so?
Naja, ein Drehbuch ist nicht zwangsläufig hohe Literatur. Und wenn da ein Dialog ist, der sich im Mund nicht richtig anfühlt, oder eine Szene hängt noch in der Luft, dann schreibt man das um. Bei Projekten, die man mitentwickelt, ist es deshalb gut, ein Mitspracherecht vertraglich zu vereinbaren. Zur Gestaltung der Rolle gehört auch die des Textes dazu. Das ist schon etwas, wofür ich mich sehr interessiere, wenn ich gute Filme machen möchte.
Zur Person
Oliver Masucci, 1968 in Stuttgart geboren, in Bonn aufgewachsen, spielte an renommierten deutschen Theatern, ab 2009 gehörte er fest zum Ensemble des Burgtheaters Wien. Der Durchbruch beim Film kam 2015 mit der Hitler-Farce „Er ist wieder da“. Eine Hauptrolle in der Serie „Dark“ schuf internationale Aufmerksamkeit. Für seine Darstellung als R.W. Fassbinder in Oskar Roehlers „Enfant Terrible“ wurde er mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Auf dem Film Festival Cologne erhielt er im Oktober 2023 den International Actors Award.