Ein alter Romantiker auf Tinder. Das Theater am Dom holt einen Witwer auf die Bühne, der zum ersten Mal mit der Welt des Online-Datings in Kontakt kommt. Von Michael Bengel.
Theater am DomMonsieur Pierre geht online und findet die Liebe

Witwer Pierre sitzt mit einem Glas Wein vor dem Laptop und erfreut sich der Welt des Online-Datings.
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Fehlt einem Witwer die Gattin oder bloß die Beschäftigung? Sylvie (Simone Pfennig) sucht die Antwort im Experiment und geht daran, in ihrer Umwelt ein paar lose Enden zu verknüpfen – und zwar mit ihrem Papa Pierre (ein umjubelter Christian Wolff als noch sehr vorzeigbarer Witwer, Misanthrop und Geizhals). Sie schenkt ihm einen Computer, auf dass er sich im Internet die Zeit vertreibe. Denn wo sie recht hat, hat sie recht: „Du weißt gar nicht, was man alles damit machen kann.“ Was ihm dazu fehlt, soll Alex ihm vermitteln (noch ein Wolff, Patrick, in ödipaler Verstrickung: im Leben der Sohn, auf der Bühne Rivale), erfolgloser Verfasser von Splatter-Exposés und Freund der Tochter Juliette (Eva Hermann).
„Monsieur Pierre geht online“, heißt das neue Stück im „Theater am Dom“, und auf dieser Ebene der Inszenierung gibt es die metaphorische Büroveranstaltung all der „Windows“ in das „Wild World Web“, den „Arbeitsplatz“, die „Ordner“ und die Suchmachine „Gockel“ wohlverdientem Gelächter preis. Als Drama, griechisch: Handlung, hetzt es einen halben Abend lang, Licht aus, Licht an, durch das sich absehbar entwickelnde Geschehen, für das Tom Grasshoff ein herrlich adäquates Bühnenbild entworfen hat mit einem Fenster auf Paris, das leicht zum Desktop des Computers wird, und kinogleichen Rückprojektionen für eine Liebesfahrt nach Brüssel und zurück.
Theater am Dom zeigt in der Aufführung einen Romantiker der alten Schule in einer neuen Welt
Denn als der Alte aufgeschlossen in die Falle tappt, nämlich ein Datingportal mit einem jungen Köder namens Flora (Katarina Schmidt) und rasch Gefallen an dem virtuellen Techtelmechtel findet, beginnt die Schussfahrt der Verhältnisse. Monsieur ist ein Galan der alten Schule, auch hier, da ihm die Tastatur genügen muss. Mit empfindsamen Sentenzen nimmt er Floras Herz im Sturm und ist partout nicht davon abzubringen, dass Alex ihn beim fälligen Rendezvous doubelt. Sie haben schließlich „Ein Profil für zwei“, dafür hat Pierre schon gesorgt. „Un profil pour deux“: So heißen auch Kinovorlage und Stück im französischen Original Stèphane Robelins, das Folke Braband, schnippschnapp, für die Bühne eingerichtet hat, dass man mitunter denkt, man hätte auch zu Pierre Richard ins Kino gehen können.
Nach der Pause, soviel sei versprochen, verliert die Inszenierung Horst Johannings ihren hoppelnden Drive und rollt wie ein Daimler mit Eleganz und Szenenapplaus dem Finale entgegen: „Ich glaube, ich liebe Dich“, heißt es zuletzt. Wer wen?: Das soll hier nicht verraten werden. Und so steigert sich das Stück, dank eines bestens eingespielten Teams, von Schritt zu Schritt bis in die Bravos eines wohlverdienten Schlussbeifalls.