Regisseur Zafer Tursun inszeniert die Erzählung „Der Bau“ als paranoides Psychodrama. Unsere Kritik.
Theater der KellerKafkas kuriose Mischwesen
„Ich habe den Bau eingerichtet und er scheint wohlgelungen.“ So beginnt eine der letzten enigmatischen Erzählungen, die Franz Kafka hinterlassen hat. Für das Theater der Keller inszeniert Regisseur Zafer Tursun die Parabel als paranoides Psychodrama. Auf der nahezu leeren Bühne sind zahlreiche Sandsäcke zu einem kleinen, runden Schutzwall aufgetürmt. Als ob sich der unbekannte Held des Stückes – eines jener bei Kafka auftretenden nicht greifbaren Mischwesen aus Mensch und Tier – vor einer kommenden Flut schützen will.
Wie bei einem Maulwurf, befindet sich der eigentliche Bau allerdings, für das Auge des Zuschauers verborgen, unter der Erde. Ein gewaltiges Labyrinth aus Gängen und Höhlen, dessen Ausmaße und Funktion dem Publikum in einem nimmer endenden wollenden Monolog beschrieben werden. „Der Bau“ ist eine Übung in Sinngebung. Die Regie verzichtet auf simple Deutungen des Textes und überlässt es lieber dem Zuschauer, sich auf das Gesagte und Gesehene einen Reim zu machen. Wie ein paranoider Prepper kommt der Protagonist daher. Permanent darum bemüht, sämtliche Risiken auszuschalten, ohne gewahr zu werden, dass sein angstbesetzter Wahn um totale Sicherheit, zum größten Risikofaktor wird.
Thomas Brandt spielt meisterhaft den des Bau
Thomas Brandt spielt zu Beginn meisterhaft den Hüter des Baus. Von einer weiblichen Traumgestalt (Chaymae M'stfa) aus dem Schlaf gerissen, huscht er wie ein nervöser Clown über die Bühne. Animalisch in seinen Gesten, mitunter dennoch scharfsinnig seine Lage reflektierend, treibt ihn der Gedanke voran, seinen Bau für alle Eventualitäten zu rüsten. Starke Stimmungsschwankungen begleiten sein Reden und Tun, bis Brandt kongenial von dem jungen Schauspieltalent Chaymae M'stfa abgelöst wird, die nahtlos die Rolle weiterführt.
Überhaupt unternimmt die Regie einiges, um den starren Monolog in der Rezeption des Publikums aufzufächern. Videoprojektionen (Lamyae M'stfa) zeigen die beiden Darsteller jenseits des Baus auf Streifzügen im Wald, bei der Jagd oder der Beschaffung von Vorräten für den Bau. Die Zwillingsschwester von Chaymae taucht auch kurz auf der Bühne auf, und befeuert als stummer Geist die surreale Szenerie. Wenn sich Chaymae M'stfa und Thomas Brandt dann auf der Bühne wahrnehmen, kommunizieren sie in Liedern (u.a. von Tom Odell und Kate Bush) und bringen so noch eine virtuose Musical-Komponente ein.
Schade nur, dass die Regie das über weite Strecken gelungene Stück zu sehr in die Länge zieht. Das ständige Kreisen des Protagonisten um noch mehr Absicherung und die Angst vor einem ominösen bösen Wesen führt unweigerlich zu Wiederholungen. Mag sein, dass die Inszenierung den Zuschauenden Geduld abverlangt, damit diese sich noch unmittelbarer in den getriebenen Baumeister hineinversetzen können. Allerdings geht sie so das Risiko ein, ihr Publikum mit Fortdauer des Stückes zu verlieren. „Kill Your Darlings“, möchte man der Regie zurufen, damit Kafka leben kann.
Nächste Termine: 12., 13.9., 4. ,5., 12.10., jeweils 20 Uhr, Theater der Keller