Konzert im GloriaTom Misch zwischen Hip-Hop, Jazz und Lagerfeuermusik
Köln – Es passiert etwas Seltsames in diesen Momenten, in denen Fans vor der Bühne auf den Beginn eines Konzerts warten. Selten vergeht die Zeit so langsam, wie in den Sekunden, in denen sich die erste Welle aus Applaus und Zurufen aufbaut — von der ersten Reihe, die die auf die Bühne steigenden Musiker entdeckt hat, bis hin zum Ausgang der Location, wo die letzten Nachzügler mit der Taschenlampenfunktion ihrer Smartphones versuchen, sich einen sicheren Weg in die Menge zu bahnen.
Raus aus dem Gloria
Als Tom Mischs Gitarre im Gloria zum ersten Mal verzerrt aufschreit und der Drummer die Show mit einem markerschütternden Beat á la J-Dilla eröffnet, bricht der Zauber und aus der wartenden Masse wird ein kopfnickender und euphorisch tanzender Pulk. Die anderthalbstündige Live-Show wirkt wie ein gut inszenierter Film. Nicht zu lang, nicht zu kurz und niemals ohne Spannung.
Die Songs gehen nahtlos ineinander über und die kuriose Mischung aus Keyboard, Geige, E-Gitarre, Schlagzeug und der hypnotisierenden Stimme Mischs transportieren das Publikum weit weg. Raus aus dem Gloria, raus aus Köln. Hinein in eine eigene Welt, die für jeden Fan anders auszusehen scheint. Manch einer steht kopfnickend an der Theke, andere springen hysterisch vor der Bühne auf und ab, und wieder andere sitzen auf den Stufen des Theaters und wippen mit geschlossenen Augen zu den Melodien. Es scheint, als wäre in diesem Moment jeder für sich und doch alle zusammen.
Hip-Hop meets Jazz meets Soul meets Lagerfeuermusik
Sein erstes Beat-Mixtape veröffentlichte Misch schon 2014 – im Alter von gerade mal 18 Jahren. Nur ein Jahr später folgte das zweite. Die Fanbase wuchs, und mit ihr der Wunsch nach einem kompletten Album. Mittlerweile tourt der Brite durch Europa und Amerika und seine Anhänger feiern den Multiinstrumentalisten für seine atmosphärischen Live-Shows. Die Show im Gloria Theater in Köln ist hier keine Ausnahme.
Das Highlight des Abends ist der Auftritt von Mischs Schwestern Laura und Polly. Während Laura ihren Bruder auf dem Saxophon begleitet, ist der Einsatz ihrer Schwester geradezu außergewöhnlich. Polly Misch kommt lediglich für den Song „Movie“ auf die Bühne, den sie schauspielerisch mit einem Monolog einleitet, der einem Liebesfilm der 50er Jahre entnommen sein könnte. Das Publikum ist derart begeistert, eine so simple und doch wirkungsvolle Interpretation eines Intros zu sehen, dass es plötzlich still wird. So still, dass nur die zerbrechliche Stimme von Polly Misch den Raum füllt.
Braucht das Konzert die schauspielerische Einlage? Nein. Aber sie passt ins grenzüberschreitende Konzept des Künstlers. Smooth-Jazz mit live gespielten Hip-Hop-Beats und Singer-Songwriter-Flair zu mischen, mag gewöhnungsbedürftig klingen und eingefleischte Fans von klassischem Jazz werden bei dieser Art der Interpretation wohl eher die Nase rümpfen. Aber für Mischs Fans ist es genau diese scheinbar widersprüchliche Mischung, die das Ausnahmetalent ausmacht.