Einen Blick in die Lebensrealität von Jugendlichen aus Chorweiler können Besucherinnen und Besucher nun im Käthe Kollwitz Museum Köln werfen: „Transit – Chorweiler x Kollwitz“ ist die letzte Ausstellung, bevor das Museum für Umbauarbeiten lange schließen muss.
„Transit – Chorweiler x Kollwitz“Graffiti und Streetart im Käthe Kollwitz Museum
Wenn die 16-jährige Khadija gefragt wird, wo sie wohnt, lautet ihre Antwort ganz klar: Chorweiler. „Und ich sage das mit Stolz. Chorweiler ist mein Zuhause.“ Die Reaktionen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler darauf sei häufig: „Da war ich noch nie, aber da würde ich auch nie hingehen.“ Der als „Problem-Viertel“ bekannte Stadtteil Chorweiler ist von Stereotypen geprägt, hohe Arbeitslosenzahlen, hoher Migrantenanteil. Aber auch viele Kinder und Jugendliche wohnen hier. Sie haben Wünsche, Meinungen, eine Stimme. Die kann man seit Donnerstag im Käthe Kollwitz Museum Köln bei der Ausstellung „Transit – Chorweiler x Kollwitz“ hören und auch sehen.
Größer könnte der Kontrast kaum sein: Hinten die Lithografien, Radierungen, Zeichnungen und Holzschnitten von Käthe Kollwitz. Schwarz, weiß, grau, nur vereinzelt verblasste Farbe. Vorne Farbfotografien, ein riesiges Graffiti an der Wand, daneben läuft über Beamer ein Rap-Musikvideo. Verschiedene Kunstformen, verschiedene Zeiten – und doch finden sich Gemeinsamkeiten. Käthe Kollwitz hat mit ihrer Kunst Menschen ein Gesicht gegeben, Menschen, die sonst wenig Beachtung fanden.
Im Käthe Kollwitz Museum Köln können Besucherinnen und Besucher seit Donnerstag und noch bis zum 11. Dezember einen Blick in die Lebensrealität von Jugendlichen aus Chorweiler werfen. Der Kölner Fotograf Damian Zimmermann, Kurator der Ausstellung, hat fast 50 Jugendliche in ihrem Viertel fotografiert. Für Zimmermann waren die Fotosessions dabei auch eine Reise in seine eigene Vergangenheit: Knapp 20 Jahre hat er selbst in Chorweiler gewohnt, ist in dem Viertel aufgewachsen.
Die Porträts, die deshalb auch eine Art Selbstporträt für ihn seien, sind authentisch und ehrlich – ungeschönt. In Parks, auf einer noch geschlossenen Kirmes, auf dem Fahrrad, sitzend oder stehend schauen die Jugendlichen mal in die Kamera, mal in die Ferne, sie lächeln, wirken nachdenklich, entspannt oder ernst.
Auch Kunst der Jugendlichen ausgestellt
Eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind Teilnehmer der Kreativwerkstatt „Outline“ in Chorweiler, die von Puya Bagheri geleitet wird. Bagheri ist Künstler und Bildungsreferent. Und: „Vor allem bin ich ein Junge aus Chorweiler.“ Bei „Outline“ können sich die Jugendlichen kreativ austoben: Hier rappen sie, machen Graffitis und Streetart oder schreiben. Und ihre Kunst ist jetzt auch im Museum zu sehen.
Bagheri wollte, dass sich die Fotografierten auch aktiv beteiligen. Neben den Fotografien von Zimmermann sind etwa Texte der Jugendlichen ausgestellt. Über Kopfhörer erzählen drei Jugendliche, darunter Khadija, von ihrem Leben in Chorweiler und ihrer Verbindung zur Kunst. Auf einem wandhohen Graffiti sind ein Affe mit Kappe, das Gesicht eines Mädchens im Mangastil, ihr Kopf gefangen in einem Vogelkäfig, aber auch Schriftzüge, sogenannte Styles, zu entdecken. Und mittendrin das Gedicht des 17-jährigen Murtada. Er spielt bei „Outline“ in der Basketball-AG, wollte sich für das Projekt aber auch kreativ beteiligen und hat sich eben für Lyrik entschieden. „In Chorweiler wohn ich im 19. Stock / der Fahrstuhl hat leider nicht immer Bock“ heißt es da etwa.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 11. Dezember, ab dem 12. Dezember ist das Käthe Kollwitz Museum aufgrund von Umbauarbeiten voraussichtlich bis August 2023 geschlossen. Für Erwachsene kostet der Eintritt 3 Euro, beziehungsweise ermäßigt 1 Euro. Darüber hinaus gibt es am 3. Dezember einen Workshop für Jugendliche, am 10. Dezember einen Stadtspaziergang durch Chorweiler und donnerstags und sonntags öffentliche Führungen mit Damian Zimmermann und Puya Bangheri. Mehr Informationen und Tickets finden Sie auf der Webseite des Museums.