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Trotz einiger Irritationen am SchlussFestival „Acht Brücken“ endet eindrucksvoll

Lesezeit 4 Minuten
Das WDR-Sinfonieorchester spielt, im Fokus des Bildes sind die Dirigentin sowie die Streicher und Bläser zu sehen.

QZum Abschluss des Festivals wurde in der Kölner Philharmonie Elena Schwarz' „Musik der Zeit – Blut“ aufgeführt.

Die 14. Ausgabe des Festivals „Acht Brücken“ fuhr zum Abschluss internationale Künstler und einige originelle Kompositionen auf. Eine Kritik.

Wie zur Eröffnung bot das Musikfestival Acht Brücken auch zum Abschluss Werke des Hauptkomponisten Enno Poppe sowie eine Fülle an Musik zum Thema „Mikrotonalitäten“. Die unterschiedlichsten Stile und Herkünfte, türkisch, kretisch, arabisch, persisch, indisch, deutsch, europäisch, amerikanisch, zeigten bei aller Verschiedenheit eine Gemeinsamkeit: sie basieren auf Tonsystemen, Skalen und Intonationen jenseits von Dur- und Moll-Tonleiter. Zwischen- und Nebentöne sorgen für andere Farbe, Melodik, Harmonik, Energetik, Expressivität. Das Motto „Feine Unterschiede“ entfaltete auch politische Implikationen als Plädoyer für Vielfalt statt Einfalt, Horizonterweiterung statt Dogmatik, Nuance statt Gegensatz.

Indisches Trio unter Partitur-Zwang

Musik egal welcher Kultur und Weltgegend wird immer begeistern, sofern die Musikerinnen und Musiker mit ihren Instrumenten und Singstimmen eine vollkommene geistig-körperliche Einheit bilden. Im Stadtgarten staunte man über das Trio Swaralayaamaaya mit traditioneller karnatischer Musik aus dem südindischen Bangalore. Fantastische Melismen der ausstrahlungsstarken Sängerin wechselten mit rasend schnellen Hand- und Fingeraktionen der beiden Trommler und ebenso perkussiven Silbenfolgen. Bei aller rhythmischen Varianz kam man immer wieder auch punktgenau zu kraftvollen Schlagfolgen zusammen.

Auf dem Foto zu sehen ist im Vordergrund das WDR-Orchester, im Hintergrund das indische Trio an Trommeln und Percussion-Instrumenten.

Das indische Trio Swaralayaamaaya performte im WDR Funkhaus gemeinsam mit dem Orchester „Mahābhārata“ nach dem gleichnamigen indischen Epos.

Riccardo Novas einstündiges „Mahābhārata“ im WDR-Sendesaal legte das indische Trio dann jedoch in Fesseln. Statt hellhörig und frei seine einzigartige Intensität zu entfalten, musste das Trio strikt Partitur, Clicktrack und Dirigent Peter Rundel folgen. Alle Details wurden vom lautstarken Bombast des elektronisch verstärkten Ensemble Musikfabrik erdrückt. Während Sängerin Varijashree Venugopal sonst jeden Ton mit Stimme und Flöte individuell formt, zwang der italienische Komponist nun zu minimalistischen Wiederholungen: in der Tat eine Musik des Todes, die hier dargestellt werden sollte.

Feinste Ton-Unterschiede erklingen in einzigartigen Aufführungen

In der Lagerstätte für Hochwasserschutzelemente in Rodenkirchen spielte Klarinettistin Nina Janßen-Deinzer ekstatisch ausgreifende Melodien, die Sopranistin Peyee Chen mit umso größerer Ruhe beantwortete. Der türkische Komponist Onur Türkmen vertonte im Zyklus „Morn of Silence“ Verse des „Hohelieds“, zu denen sich ein Instrument sanft in das andere schmiegt als wärʼs ein Liebesakt. In Arda Bayrams „Package and Message“ wird in die Kontrabassklarinette zunächst nur gewispert, bevor das riesige Instrument wirkungsvoll seine tiefsten Register erdröhnen lässt.

Das Remix Ensemble aus Porto stimmte in der Philharmonie nach elektronisch zugespieltem Kammerton a = 440 Hertz. Der Ton bleibt dann jedoch liegen und führt direkt in James Tenneys „Critical Band“. Die Instrumente kommen mit minimalen Differenzen 443 und 437 Hertz hinzu, was den Liegeton umfärbt und in Schwebungen versetzt. Wachsende Abweichungen lassen irgendwann zwei Töne unterscheiden, schließlich Drei- und Mehrklänge. In Klaus Langs „Der pythagoräische Fächer“ sorgt die Orgel für droneartige Akkorde, die vom Instrumentalensemble mikrotonal umgestimmt werden.

Von Enno Poppe gab es als Uraufführungen „Strom“ mit dem Gürzenich-Orchester (Bericht in Montagsausgabe) und „Laub“ mit dem Ensemble Recherche im Festsaal der Wolkenburg. Ein Streichtrio variiert denselben sanften Liegeton rhythmisch, spieltechnisch und gleitet schließlich zu anderen Tönen und einem Bläsertrio. Die Melodik besteht aus der für Poppe typischen Teilung der kleinen Terz in zwei Dreivierteltöne, in die man sich so gut einhört, dass plötzlich das wohltemperierte Klavier wie verstimmt klingt. Mehrmals eskaliert das Spiel zu wilden Steigerungen, um irgendwann lapidar abzubrechen.

Befremdlicher Festival-Abschluss

Das WDR-Sinfonieorchester unter Elena Schwarz setzte mit „Musik der Zeit“ den Schlusspunkt. Sopranistin Sarah Maria Sun sang Poppes Zyklus „Augen“: 25 ebenso kurze wie in Gestik, Melodik und Instrumentation sprechende Miniaturen über Verse von Else Lasker-Schüler. Miroslav Srnkas uraufgeführtes „Is This Us“ zielte auf Schwarmverhalten des Tutti, das Individualaktionen in flirrenden Gesamttexturen aufgehen lässt. Und auch den beiden Solohornisten Přemysl Vojta und Saar Berger wurden ihre Instrumente durch wildes Schnattern und halb gedrückte Ventilen fremd.

Gemäß der Moderation von Comedian Martin Zingsheim gab es anschließend mit Arnulf Herrmanns erschütterndem Orchesterwerk „manische Episode“ kräftig „etwas auf die Fresse“ und brach angeblich den als „Schwarzwurzeln“ veräppelten Oboen bei Clara Ianottas „in purple fuchsia“ der „kalte Angstschweiß“ aus. Wortbeiträge bei WDR3 zeichneten sich sonst durch fachliche Kompetenz und freundlich-unterhaltende, auch humorvolle Ansprache aus. Nun sind billige Witzeleien und ein paar müde Lacher wichtiger als informative Zugänge zu Musik. Dass dabei alle verulkt werden, die hoch professionell Musik komponieren, aufführen und gekommen sind, diese zu erleben, ist nicht lustig, sondern peinlich, deplatziert und demütigend.