AboAbonnieren

Uraufführung in der Kölner KinderoperDemenz als Tierfabel

Lesezeit 3 Minuten
Fuchs1.jpg

Die anderen Tiere tanzen um den hilflosen alten Fuchs herum.    

Köln – Ist Altersdemenz ein geeignetes Thema für die Kinderoper? Leichter fällt die Antwort auf die Komplementärfrage: Muss diese immer „lustig“ sein? Dazu darf man getrost „nein“ sagen – die Kölner Kinderoper hat immer wieder gezeigt, dass und wie man auch „ernste“ Stoffe (nicht zuletzt Wagners „Ring“) so umsetzen kann, dass das junge Publikum nicht heulend und auf Nimmerwiedersehen den Saal (jetzt genauer: den Saal 3 des Staatenhauses) verlässt.

Die jüngste Uraufführungs-Produktion aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens, in der tatsächlich das Thema Demenz im Zentrum steht, ist mit dieser Auskunft allerdings noch nicht „aus dem Schneider“ – um es einmal so zu sagen. Das liegt nicht an Brigitta Gillessens Regie, die Martin Baltscheits „Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor“ mit Liebe und Leidenschaft auf die Bühne bringt; das liegt auch nicht an der vorzüglichen, vitalen, anspielungs- und abwechslungsreichen Originalmusik von Johannes Wulff-Woesten. Nein, es liegt schon am Gegenstand selbst, an der in eine Tierfabel gekleideten Geschichte eines nicht aufhaltbaren individuellen Verfalls ohne Happyend, der hier eben den alten Fuchs heimsucht: Er vergisst zunächst dieses und jenes, verlernt die Jagdtechniken, auf dass ihn die von ihm verfolgten Tiere verspotten, sitzt schließlich hilflos, wenn auch von der „Familie“ (seinem Rudel) empathisch betreut, im Sessel.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nun konfrontiert die Kinderoper damit ihr Publikum sozusagen propädeutisch mit Geschehnissen, die es in vielen Fällen demnächst selbst zu gewärtigen hat – wenn die Großeltern dement werden. Und ihr Projekt „Oper für jung und Alt“ richtet sich bekanntlich auch an Demenzkranke, die jetzt explizit die Gelegenheit erhalten, ihre eigene Verfallsgeschichte in Märchenform ästhetisch sublimiert zu erleben. All diese Kontexte in Ehren: Die Frage nach der Kindereignung des Stoffes hat sich damit nicht erledigt.

Auf dem Weg zur Katastrophe bleibt das Stück auf halbem Weg stehen – von den Grässlichkeiten eines Alzheimer-Spätstadiums vermittelt es, immerhin genreadäquat, keine Vorstellung. Zu lachen gibt es dennoch wenig bis gar nichts.

Vor allem aber: Die lineare Abwärtsbewegung der Handlung lässt eigentlich nirgendwo jene Umschwünge, Überraschungen, dramatischen „Knaller“ zu, die Kindertheater erst attraktiv machen. Im Staatenhaus breitete sich darob auch gediegene Langeweile aus, ablesbar an der hier und dort vernehmbaren Frage „Wie lange dauert es denn noch?“

Noch einmal: Gillessen und ihr Team tun alles, um diesen Effekt zu neutralisieren: Die Bühne (Jens Kilian) mit dem hölzernen Fuchshaus vor Landschaft ist herzig, und in ihren herrlichen Tierkostümen agieren die Darsteller gewohnt vital, engagiert und professionell. Sie seien hier summarisch gelobt: Matthias Hoffmann als alter Fuchs, Dustin Drosdziok als Fuchs-Erzähler (dies eine leicht verwirrende Doppelung), Anna Rollinger, Leonel Schleiwies und Marco Olinger als junge Füchse, Ye Eun Choi, Maike Raschke, Luzia Tietze, Leilei Xie und Frederik Schauhoff als die übrigen Tierinsassen dieses Märchenzoos: als Hühner, Gänse, Amseln, Hasen, Schafe und Hunde.

Und mehr als nur ein Sahnehäubchen liefert eben auch das Gürzenich-Orchester unter Rainer Mühlbach mit Wulff-Woestens einfallsreicher Musik. Da erklingen verfremdet, aber allzeit wiedererkennbar bekannte Kinderlieder, da zerfällt – musikalische Demenz-Darstellung – eine Zwölftonreihe, da kommen der Comedian Harmonists-Schlager „Ich wollt, ich wäre ein Huhn“, Tanzeinlagen und ein Choral auf der E-Orgel. Überhaupt sind die Instrumentaleffekte vom Feinsten. Fazit: Allein als Soundtrack ist diese Musik schlicht großartig.

Nächste Aufführungen: 23., 24., 26., 28., 29., 30. November