Die US-Moderatoren Jimmy Kimmel, Stephen Colbert und Seth Meyers machten sich monatelang über Donald Trump lustig. Jetzt war ihnen das Lachen vergangen.
US-WahlWarum Jimmy Kimmel in seiner Late-Night-Show weinen muss
Sechs Minuten lang hatte Late-Night-Moderator Jimmy Kimmel tapfer Witz an Witz über die US-Wahl gereiht, obwohl ihm sichtlich nicht nach Lachen zumute war.
Dann brach seine Stimme: „Lassen Sie uns ehrlich sein. Letzte Nacht war eine schreckliche Nacht. Es war eine schreckliche Nacht für Frauen, für Kinder, für die hunderttausend hart arbeitenden Einwanderer, für die Gesundheitsversorgung, für unser Klima, für die Wissenschaft, für den Journalismus, für die Gerechtigkeit, für die Meinungsfreiheit.“ Zur Aufzählung klatschte er rhythmisch in die Hände. „Es war eine schreckliche Nacht für arme Menschen, für die Mittelschicht, für Senioren, für unsere Verbündeten in der Ukraine, für die NATO.“ Die Stimme bracht erneut, seine Augen füllten sich mit Tränen, einen Moment lang wirkte es, als könne Kimmel nicht mehr weitermachen. „Für die Wahrheit und die Demokratie und den Anstand.“
Seine Vorgesetzten bei ABC forderten Jimmy Kimmel auf, die Trump-Witze einzudämmen
Knapp zehn Jahre zuvor hatten Jimmy Kimmels Vorgesetzte beim Sender ABC ihn aufgefordert, sich mit Witzen über Donald Trump – damals noch im Anfangsstadium seiner politischen Karriere – zurückzuhalten. Man wolle keine republikanischen Zuschauer verschrecken. Der Moderator lehnte ab. Dann müssten sie sich eben jemand anderen suchen. Kimmel blieb, seine Trump-Witze wurden zunehmend schärfer. Als der Ex-Präsident im vergangenen März während der Academy-Awards auf seiner Plattform „Truth Social“ gegen den Oscar-Moderator polterte, las Kimmel den Post während der Live-Übertragung vor und richtete sich dann direkt an Trump: „Ich bin überrascht, dass Sie noch wach sind. Ist es für Sie nicht längst Zeit, ins Gefängnis zu gehen?“
Kimmels Eröffnungsmonologe in den Wochen des Wahlkampfs wirkten wie ein endlos langer Roast, also jene in den USA seit rund 50 Jahren äußerst beliebte Veranstaltungsform, in der ein Prominenter von seinen Freunden und Kollegen mit gepfefferten Reden bedacht wird, deren Inhalt von der ironischen Spitze bis zur derben Beleidigung reicht. Nur, dass im Falle des Kimmel'schen Dauer-Roasts noch der letzte Rest gutmütigen Neckens moralischer Abscheu und Empörung gewichen war.
Exakt so könnte man auch die allabendlichen Stand-ups von Stephen Colbert in der „Late Show“ auf CBS und die von Seth Meyers in der „Late Night“ auf NBC beschreiben. Die der Aufklärung verpflichteten Comedians wähnten sich und ihr Publikum ganz offensichtlich auf der richtigen Seite der Geschichte und richteten monatelang ein Sperrfeuer an Pointen auf das orange Objekt ihrer Verachtung. Die Lacher waren garantiert, aber auch ein bisschen billig. Und in der Summe wirkte das zwangsläufig ermüdend.
Gestern folgte dann die große Nacht der Zerknirschung: Colbert eröffnete seinen Monolog mit einem (zensierten) „Well, fuck“ und fragte sich dann selbst, ob er sich nicht auch klammheimlich freue, weil ihm Trump als Comedian so viel Material zuliefere. Aber jetzt hatte es sich ausgewitzelt: „Niemand sagt zu dem Mann, der die Toiletten putzt: ‚Wow, du bist sicher ganz begeistert, wenn jemand explosiven Durchfall hat. Da hast du so viel Material, mit dem du arbeiten kannst.‘“
Seth Meyers bemühte sich in seinem beliebten „A closer look“-Segment („eine nähere Betrachtung“), erfolgreicher als Kimmel und Colbert, um Fassung und um Einordnung. Er beschwor sein Publikum, den Blick ins Historische zu weiten: „Der Kampf für eine gerechtere und barmherzigere Welt ist nicht aussichtslos, er ist nur verdammt hart und herzzerreißend und quälend, und er hört nie auf.“ Allzu zuversichtlich klang das freilich nicht.
Es gibt Leute, die der festen Überzeugung sind, dass sich Donald Trumps Entschluss, in die Politik zu gehen, nach dem „White House Correspondent's Dinner“ des Jahres 2011 verfestigt hatte. Dort hatte sich zuerst der damalige US-Präsident Barack Obama in seiner Ansprache über ihn lustig gemacht. Anschließend setzte Seth Meyers als Gastredner zum Gnadenstoß an: „Ich habe gehört, dass Donald Trump als Republikaner fürs Weiße Haus kandidieren will. Ich hatte immer gedacht, er kandidiert als Witzfigur.“ Die Washingtoner Elite im Saal des Hilton schüttelte sich vor Lachen. Nur einer blieb starr und verzog keine Miene. Später erklärte Trump der „New York Times“, dass Meyers sich selbst geschadet habe – und dass er nicht gern gemeinsam mit seinen Feinden lache.
Jon Stewart, der einst als Moderator von „The Daily Show“ auf dem Sender Comedy Central die Tradition des Stand-up-Monologs als besseren Leitartikel begründet hatte, war im Februar 2024 nach neun Jahren Abwesenheit in die Moderatorenrolle zurückgekehrt. Er schwor sein Publikum bereits in der Wahlnacht, als sich ein Sieg Donald Trumps abzuzeichnen begann, auf harte Jahre ein: „Das ist nicht das Ende. Wir müssen weiterkämpfen und Tag für Tag um eine bessere Gesellschaft ringen, für unsere Kinder, für diese Welt, für dieses Land. Es ist möglich.“ Lacher gab es dafür keine.