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US-WahlkampfWie Komikerin Maya Rudolph unser Bild von Kamala Harris geprägt hat

Lesezeit 5 Minuten
Maya Rudolph erscheint bei der Time100 Gala in New York am 25. April 2024, links, und Vizepräsidentin Kamala Harris erscheint bei einem Mittagessen für den japanischen Premierminister Fumio Kishida im Außenministerium in Washington am 11. April 2024.

Maya Rudolph (l.) wird für „Saturday Night Live“ erneut die Rolle von Kamala Harris (r.) übernehmen.

Maya Rudolph hat bereits zur letzten US-Wahl Kamala Harris parodiert. Jetzt wird sie die Rolle für „Saturday Night Live“ erneut übernehmen.

Nur Vizepräsidentin? „Oh nein, das wird nicht ausreichen“, winkt Maya Rudolph ab. Dann wird das Licht gedimmt und Martin Short in der Rolle des schüchternen First Gentlemans Doug Emhoff wirft sich erregt auf seine machthungrige Gattin. Der Sketch wurde im März 2021 ausgestrahlt, es war Rudolphs vorerst letzter Auftritt als Kamala Harris in der Comedyshow „Saturday Night Live“ (SNL).

Am 28. September läuft die 50. Staffel der amerikanischen Fernseh-Institution an – und Maya Rudolph wird, pünktlich zur heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs, in ihrer Paraderolle als Harris zurückkehren. Das berichtete zuerst die Plattform „deadline.com“.

„Time“ zählt Maya Rudolph zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt

Kaum, dass Joe Biden zurückgetreten war und seine Vizepräsidentin als seine Nachfolgerin vorgeschlagen hatte, baten Fans die beliebte Comedienne und Schauspielerin („Bridesmaids“) – „Time“ zählte sie 2024 zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt –, ihre mit einem Emmy ausgezeichnete Harris-Parodie wieder aufzunehmen. Ihr Sparringpartner wird dann wahrscheinlich James Austin Johnson, der bereits in der 49. Staffel die Rolle von Donald Trump übernommen hatte. Wer dessen Co-Kandidaten J.D. Vance geben wird, steht noch nicht fest.

Eigentlich wäre Maya Rudolph mit den für Ende August angesetzten Dreharbeiten zur dritten Staffel ihrer Apple-Serie „Loot“ voll ausgelastet gewesen – die sollen nun aber zugunsten des Comedy-Hochamts um ein halbes Jahr in den Januar 2025 verschoben werden. Praktischerweise spielt Rudolph nicht nur die Hauptrolle, sondern fungiert auch als Produzentin der Serie, ebenso wie „SNL“-Mastermind Lorne Michaels.

Jim Carrey zog nach New York, um Woche für Woche Joe Biden zu spielen

Denn häufig waren es die „SNL“-Parodien, die das Bild eines Präsidenten oder einer Kandidatin nachhaltiger prägten als die Vorlage. Etwa, indem sie bestimmte Idiosynkrasien betonen, oder – besser – eine Wahrheit über die Gemeinten in einer Zeile, einer Geste auf den Punkt bringen.

Wahrscheinlich hätte sie auch sonst einen Weg gefunden: Im Samstagsnachtprogramm von NBC als Präsident oder Präsidentschaftskandidatin aufzutreten, kann für Komiker den Weg in die Geschichtsbücher bedeuten. Als Jim Carrey im vergangenen US-Wahlkampf die Rolle von Joe Biden übernahm, zog der Hollywood-Star dazu eigens nach New York, wo „Saturday Night Live“ aus dem Studio 8H im berühmten Comcast-Hochhaus an der 30 Rockefeller Plaza gesendet wird.

Der Spruch „Ich kann Russland von meinem Haus aus sehen“ ist das erste, was vielen Amerikanern in den Sinn kommt, wenn man von Sarah Palin spricht, der republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin des Jahres 2008. Der stammte allerdings von Tina Fey. In einem Sketch hatte Amy Poehler als Hillary Clinton staatstragend verkündet: „Ich glaube, dass Diplomatie der Eckpfeiler jeder Außenpolitik sein sollte“ geäußert, woraufhin Tina Feys Palin mit ebenjenen Unsinns-Satz herausplatzte. Das damalige „SNL“-Ensemblemitglied hatte sich selbst kein allzu großes Talent als Parodistin bescheinigt, aber ihre Version der volkstümelnden und oft wenig kompetent wirkenden Gouverneurin von Alaska blieb die einzig Gültige.

Dana Carvey, der wohl begnadetste Parodist in der Geschichte von „Saturday Night Live“, hatte Ende der 1980er die undankbare Aufgabe übernommen, George. H. W. Bush, den 41. Präsidenten der USA in der Show zu verkörpern. Die Manierismen, die Carvey Bush zuschrieb, vor allem das expressive Spiel mit den Händen, schärften das öffentliche Image des Bürokraten. Als Bush die Wiederwahl 1992 verlor, bat er Carvey, im Weißen Haus auf der Abschiedsfeier für seine Mitarbeiter aufzutreten. Carvey parodierte Bush, Bush stand neben ihm und parodierte sein eigenes Zerrbild. Es war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.

Bushs Nachfolger Bill Clinton dürfte weniger amüsiert gewesen über Phil Hartmanns Porträt von ihm als rotwangiger Schwerenöter mit ungezügelten Gelüsten: „Bitte erzählen Sie nichts Mrs. Clinton“, fleht in einem berühmten gewordenen Sketch ein Secret-Service-Mann, als der Präsident ihn zwingt, gegen das ausdrückliche Verbot der Gattin eine McDonald's-Filiale aufzusuchen: „Es wird eine ganze Reihe von Dingen geben, die wir Mrs. Clinton nicht erzählen“, strahlt der Präsident.

Hillary Clintons empathieloser Ehrgeiz und Anspruchsberechtigung wurde dann später von „SNL“-Mitglied Kate McKinnon aufs Korn genommen: „Warum lassen mich die Leute nicht einfach führen“ ächzt ihre Kandidatin: „Gebt mir einfach den Hammer und die Nägel und ich bringe alles in Ordnung!“

Maya Rudolph hatte Kamala Harris zuerst im Jahr 2019 als aufmerksamkeitsheischende Bewerberin um die demokratische Präsidentschaftskandidatur porträtiert. Es ist keine besonders bösartige Darstellung, die 52-Jährige hat sich auf mütterliche Diven spezialisiert, legendär ist etwa ihre Beyoncé.

Sie sei die Tante, mit der man verrückte Sachen unternehmen kann, stellt sich Rudolphs Harris bei ihrem ersten „SNL“-Auftritt vor: eine „fun aunt“, kurz „funt“. Sie sei zudem eine „cool aunt“, fügt Rudolph beim nächsten Auftritt raunend hinzu – aber die Abkürzung lässt sie dann lieber weg. Die überspitzte Senatorin redet vorzugsweise über die eigene Person, kündigt fiktive TV-Shows mit sich selbst in der Hauptrolle an oder wirft sich in Meme-fähige Posituren: „Moma needs a GIF.“

Kamala Harris' Team war damals jedenfalls klug beraten, das unausgesprochene Angebot anzunehmen und Rudolphs Auftritte selbst in Memes zu verwandeln. „Ich bin dieses Mädchen“, überschrieb die Kandidatin Bilder der Performerin in Harris-Perücke. Derzeit sind es „Brat“-Verweise, Kokosnuss-Emojis oder zuletzt von ihr hochgehaltene Plattencover, aber die erstaunliche Meme-Fähigkeit der Demokratin begann mit Maya Rudolphs Parodie. Sie sei fest entschlossen, Rudolph für die nächsten acht Jahre einen festen Job zu verschaffen, protzte Kamala Harris damals in der Late-Night-Show von Seth Meyers.

Selbst nachdem Harris' eigene Kandidatur für die 2020er-Wahlen dann eher kläglich gescheitert war – Internetruhm lässt sich nicht ohne weiteres in Stimmen übertragen – platzte Maya Rudolph weiterhin in ihrer Paraderolle in die satirisch nachgestellten Debatten der verbliebenen Bewerber herein, ganz einfach, weil ihre Auftritte beim „SNL“-Publikum so gut ankamen.

Als kecke Übermutter kanzelt sie die auf dem Podium streitenden bleichen weißen Männer – Bernie Sanders, Mike Pence, Joe Biden, Donald Trump – genüsslich ab, bevor „Momala“ ungeduldig wird und fragt, wo denn bloß ihr eisgekühlter Martini bleibt.