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Vergessene Kunst in KölnBezahlt, gelobt, vergessen

Lesezeit 3 Minuten

Otto Pienes kinetische Plastik „Licht und Bewegung“ steht seit Jahren still.

Köln – Im Grunde braucht Köln weder Kunst auf den Straßen noch in den Parks, denn es ist ein Freilichtmuseum der örtlichen Lebensart: Jede Schmutzecke authentisch, jeder Trinkhallensteher ein Original. Trotzdem leistet sich die Stadt den Luxus zahlreicher Skulpturen, vom kaiserlichen Reiterstandbild bis zur abstrakten Was-bin-ich?-Denkaufgabe aus gebogenem Stahl. Weit mehr als 450 Objekte sind über den gesamten Stadtraum verteilt, freilich gilt für die überwiegende Zahl von ihnen eine Lieblingsweisheit von Kasper König: „Es gibt nichts Unsichtbareres als Kunst im öffentlichen Raum“, sagt der ehemalige Direktor des Museum Ludwig gerne.

Streit um die Kreuzblume

In Köln wurde und wird einiges gegen diese Einsicht getan. Es gibt Stadtrundgänge und Radführungen entlang imaginärer Kunstrouten, eine vom Kulturdezernat gepflegte Datenbank, und vor einigen Jahren finanzierte die Stadt sogar eine Initiative zur Wiederentdeckung der öffentlichen Kunst. Allerdings wollten sich die Macher damals an der Kreuzblume vergreifen, die am Fuß der Domplatte den von Ewald Mataré 1953 geschaffenen wunderbaren Taubenbrunnen buchstäblich in den Schatten stellt – eine billige, bei Einheimischen und Touristen gleichwohl äußerst beliebte Betonkopie der beiden Domspitzen. Am Ende stand die kölsche Lösung: Die Kreuzblume blieb, von ihren Feinden hat man nie wieder gehört.

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So wundert es einen nicht, dass es im Kölner Stadtraum weiterhin viele verkannte, übersehene oder vergessene Skulpturen und Objekte gibt – teilweise von weltberühmten Künstlern. In den nächsten Wochen greifen wir in loser Folge einige dieser Werke heraus und erörtern an ihrem Beispiel, was wir von Kunst im öffentlichen Raum erwarten und erhoffen dürfen – und was möglicherweise auch besser nicht. Schließlich träumt heute kaum noch jemand davon, mit Kunst die Welt oder wenigstens die eigene Stadt zu verändern.

Verblasste Utopien

Was bleibt also von der öffentlichen Kunst? Ist sie nur bildungsbürgerliches Graffiti einer verblassten Utopie? Schaut man auf den renovierten Ebertplatz, könnte man das Gegenteil behaupten. Seit die „Wasserkinetische Plastik“ von Wolfgang Göddertz wieder sprudelt, hat der heruntergekommene Ort an Charakter gewonnen, das Leben ist auf die urbane Steinwüste zurückgekehrt. Allerdings lässt sich Göddertz’ attraktive Riesenskulptur kaum als Maßstab nehmen, denn sie war für den Ort geplant und sollte als Zwitter aus Kunst und Volksbelustigung von Anfang an eine städtebauliche Funktion erfüllen. Solche Planspiele sind aber die Ausnahme. In der Regel kommen Skulpturen nachträglich und werden dort abgestellt, wo es einen Ort aufzuwerten gilt – oder wo eben gerade Platz ist.

Manchmal findet Kunst aber auch genau den richtigen Fleck und wird dann zum Test dafür, was sich die Stadtbevölkerung von einem Künstler gefallen lässt. Als Wolf Vostell seinen „Ruhenden Verkehr“, einen alten, in Beton gegossenen Opel, auf der Straße abstellte, war unter Autofahrern die Empörung groß, galt aber mehr dem blockierten Parkplatz als dem Mord am motorisierten Fetisch – ein sicheres Zeichen dafür, dass die Botschaft verstanden worden war. Trotzdem wurde der Betonklotz auf den Mittelstreifen versetzt und damit auf den Sockel gehoben, den Vostell nicht gewollt hatte.

Stillstand auf der Hohe Straße

So leicht bekäme man „Licht und Bewegung“ von Otto Piene nicht fort. Die großformatige Plastik hängt an der Fassade des ehemaligen Wormland-Kaufhauses an der Hohe Straße und sollte wie ein musikalisches Uhrwerk den steten Fluss der Menschen kurz zum Stocken bringen und von der Konsummeile weg in künstlerische Bahnen lenken. Leider wartet Pienes Werk seit Jahren vergeblich darauf, wieder in Betrieb genommen zu werden. Gerade an ihm ließe sich studieren, was Kunst im öffentlichen Raum heute am ehesten sein kann: ein kurzes Aufmerken, eine Ablenkung, von der man nicht zu sagen weiß, wohin sie einen vielleicht noch führt.