"Vertrauen ist das Entscheidende"
Professor Baldus, es gehört zu Ihrem Beruf als Arzt, mehr zu wissen als Ihre Patienten. Wie gehen Sie mit diesem Informationsgefälle um?
Für die Behandlung einer Krankheit nützt mir mein ganzer Wissensvorsprung nichts, wenn mein Patient den von mir vorgeschlagenen Behandlungsweg nicht aus Überzeugung und Vertrauen mitgeht. Dafür wiederum braucht der Patient einen Überblick, der sowohl dem Kenntnisstand der Wissenschaft als auch der Urteilsfähigkeit des Laien gerecht wird. Der Patient kann ja nicht Medizin studieren, um zu verstehen, was ich als sein Arzt mit ihm vorhabe. Ich bin also auf eine Form der Vermittlung angewiesen, die komplexe Sachverhalte vereinfacht, ohne sie zu verfälschen - genau das ist nach meiner Auffassung auch die Aufgabe der Medien.
Wie leisten Sie diese Vermittlung?

Stephan Baldus
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Schlicht und einfach zunächst einmal mit dem Grundsatz, den Sie im Volontariat oder in der Journalistenschule auch lernen: möglichst wenig Fachchinesisch. Aber mit "leichter Sprache" ist es natürlich nicht getan. Oft helfe ich mir, indem ich einen Therapieweg buchstäblich aufzeichne - in Form eines Schemas. Also das, was in den Medien als "Infografik" verwendet wird. Und noch etwas erinnert an die Mechanismen der Medien: Erfahrungsgemäß ist es sehr hilfreich, Gespräche über oft komplizierte Therapien nicht allein mit dem Patienten zu führen, sondern zum Beispiel mit seinen Angehörigen. So haben alle einen gleichen Kenntnisstand und können sich anschließend darüber austauschen. Solch eine kommunikative Plattform errichten auch die Medien.
Sie haben Wissen und Vertrauen vorhin in einem Atemzug genannt. Wie setzen Sie in Ihrer Arbeit beides ins Verhältnis?
Menschliches Vertrauen ist am Ende das Entscheidende, auch und gerade in einem so hoch technisierten Fach wie meinem, der Kardiologie. Die allermeisten Gespräche über die Techniken, die ich bei einem Eingriff anzuwenden gedenke, enden mit der Frage des Patienten: "Aber Sie sind dann auch derjenige, der mich operiert?" Da geht es letztlich nur noch um das Vertrauen des Patienten zu seinem Gegenüber, das er kennengelernt hat.
Welche Bedeutung haben die Medien nach Ihrer Erfahrung für den Kenntnisstand Ihrer Patienten?
Eine sehr große Bedeutung! Es gibt kaum noch einen Patienten, der sich nicht schon in Zeitungen, Zeitschriften oder im Internet "schlaugemacht" hätte, bevor er zu mir in die Sprechstunde kommt. Ich finde es deshalb sehr wichtig, dass die Presse auf Probleme in Diagnostik und Therapie aufmerksam macht, sie aber so in den Kontext stellt, dass es nicht zu Verunsicherungen oder Schieflagen in der Beurteilung kommt.
Könnten Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen wir an, Sie zitieren bei einem neuen Medikament zur Behandlung von Schlaganfällen aus klinischen Studien, dass das Präparat zu Blutungen führen könne. Dann müssten Sie aber auch hinzufügen, dass das in der Natur der Sache liegt: verminderte Gefahr von Blutgerinnseln hier, erhöhtes Blutungsrisiko dort. Und wenn das Blutungsrisiko dann insgesamt niedriger ist als bei bisher verfügbaren Medikamenten, so ist dieses eine ganz wesentliche Information. Ohne diesen Zusammenhang entstünde aus einem korrekt wiedergegebenen Sachverhalt ein falsches Bild.
Stöhnen Sie, wie viele Kollegen, über "Dr. Google" - also die Selbstdiagnose mit Hilfe des Internets?
Im Grundsatz halte ich den vereinfachten Zugang zu Informationen über Gesundheit und Krankheit für etwas sehr Positives. Niemand braucht heute mehr das Gefühl zu haben, er sei dem Fachwissen seines Arztes hilf- und ahnungslos ausgeliefert. Eine wirklich ausgewogene Information aber kommt nach wie vor nur im direkten Arzt-Patienten-Verhältnis zustande, weil nur dann die individuellen Gegebenheiten des konkreten Falls Berücksichtigung finden können.
Ist die Mediengesellschaft mit ihrer Informationsbeschleunigung und Datenüberflutung ein Treiber für Herzkrankheiten?
Das wird oft behauptet. Ich sehe - ehrlich gesagt - keinen ursächlichen Zusammenhang. Gefährdungen sehe ich da eher für das seelische Befinden des Einzelnen und für das gesellschaftliche Miteinander. Unsere Sprache weist, was den Umgang mit Medien betrifft, vielleicht eher in eine entgegengesetzte Richtung.
Inwiefern?
Wenn wir den offenen Zugang zu Information, Presse- und Meinungsfreiheit als "Herzensanliegen" der Gesellschaft oder "Herzstück" der Demokratie bezeichnen, dann nimmt das einerseits die Metapher vom Herzen als dem emotionalen Zentrum des Menschen auf. Es sind aber auch Aussagen, die biologisch einleuchten: Mit Ausfällen der allermeisten Organe kann unser Körper zunächst einmal überleben. Mit einem Ausfall des Herzens nicht. Aus meiner Sicht haben die Medien als Impulsgeber eine ähnliche Bedeutung für die Vitalität der Gesellschaft.
Zur Aktion und zur Person
Seriös, zuverlässig, glaubwürdig - unter diesem Titel steht die Kampagne, die derzeit die redaktionelle Arbeit des "Kölner Stadt-Anzeiger" begleitet. Mit der Bedeutung glaubwürdiger Berichterstattung haben sich auch prominente Zeitungsleser auseinandergesetzt und machen sich für seriösen Journalismus stark. Sie tun dies für den "Kölner Stadt-Anzeiger" und die "Kölnische Rundschau", die beim Thema Glaubwürdigkeit mit dieser gemeinsamen Initiative an die Öffentlichkeit gehen. Unter dem Button "Seriös, zuverlässig, glaubwürdig" finden Sie alle Berichte und Interviews auch unter: ksta.de/glaubwuerdigkeit
Stephan Baldus, geboren 1969, ist Direktor der Klinik III für Innere Medizin am Herzzentrum der Uniklinik Köln. Er hat in Ulm und Hamburg studiert, war als Stipendiat der Max-Planck-Gesellschaft in den USA und vor seiner Berufung nach Köln an der Universitätsklinik in Hamburg tätig. Der Kardiologe ist unter anderem Spezialist für die kathetergestützte Herzklappen-Therapie.