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Vhs-Forum"Ich rieche das Gefängnis"

Lesezeit 3 Minuten

Asli Erdogan und Dogan Akhanli am Montagabend im Forum der Kölner Volkshochschule

Dogan Akhanli stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als er am Montagabend im überfüllten VHS-Forum im Museum am Kölner Neumarkt auf dem Podium Platz nahm, um über das Thema "Die Türkei. Von der Literatur zur Anklage" zu sprechen. Vor zwei Wochen war der Kölner Schriftsteller aus Spanien zurückgekehrt, wo er im August während seines Urlaubs festgenommen worden war, weil die türkische Justiz über Interpol einen Auslieferungsantrag gestellt hatte. Nach einer langen Hängepartie wurde das Ersuchen abgelehnt.

Vor allem wegen der großen Solidarität, die er zumal aus Köln erfahren habe, sei er nun in Freiheit, bedankte sich Akhanli. Wieder einmal hätten ihn die Kölner gerettet. Das erste Mal, als er vor fast genau sieben Jahren am Flughafen in Istanbul verhaftet worden war und - Ironie des Schicksals - ebenfalls im VHS-Forum eine Solidaritätsveranstaltung für ihn stattfand. Anfang September war es dann ein Abend im Kölner Literaturhaus. "Ein drittes Mal möchte ich nicht, dass wir um dich kämpfen müssen", sagte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes in Ihrem Grußwort. "Entweder nimmt du uns alle mit in den Urlaub, oder du machst nur noch Urlaub im Kölner Süden". Es sei die Kölner Zivilgesellschaft gewesen, lobte Scho-Antwerpes, die "auf vielfältige Art" gegen die Verhaftung protestiert hatte.

Im Gespräch mit Osman Okkan vom KulturForum TürkeiDeutschland und an der Seite der türkischen Schriftstellerin Asli Erdogan, die im August 2016 von einem Großaufgebot bewaffneter Sicherheitskräfte in ihrer Wohnung in Istanbul festgenommen worden war (erst am 29. Dezember kam sie wieder frei), blickte Akhanli auf die letzten Monate zurück: "Mein Körper und meine Seele haben rebelliert in Madrid", zumal er nach seiner Verhaftung zunächst den Ernst der Lage nicht verstanden habe. Dann sei er nur noch schockiert gewesen. Aber er habe wieder Mut gefasst und "Widerstand zeigen können", als er mit dem Schreiben eines Buches begonnen habe. Und er habe sich gesagt: "Ich komme erst zurück, wenn das Buch fertig ist."

Asli Erdogan und Dogan Akhanli am Montagabend im Forum der Kölner Volkshochschule

Mit den Worten "Freiheit ist alles, aber auch nichts" erinnerte sich Asli Erdogan an ihre Verhaftung. Jedes Mal, wenn einer ihrer Freunde verhaftet werde, gehe sie mit ihm wieder ins Gefängnis: "Ich rieche das Gefängnis." Die Türkei handele inzwischen wie ein "Mafiastaat", so Asli Erdogan, allen Oppositionellen würden "die Stimmbänder durchgetrennt". Sie selbst sollte für vier kritische Artikel zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Sie bezweifelte indes die offizielle Zahl von 56 000 Inhaftierten, die Dunkelziffer liege wohl über 100 000.

Auf die Frage, warum so viele Autoren und Journalisten inhaftiert werden, lieferte Akhanli eine deutliche Antwort: "Wir sind Objekte für die Regierung, um die Zivilgesellschaft einzuschüchtern". Carlos Collado Seidel, Generalsekretär des deutschen PEN-Zentrums, bestätigte in einer kurzen Rede: "Die Türkei ist das größte Gefängnis der Welt für Schriftsteller und Journalisten." Asli Erdogan glaubt zwar, dass der türkische Staatspräsident langsam an Macht verliere, "aber die Gewaltspirale wird höher drehen." Auch sei ohne eine Lösung der Kurdenfrage keine Besserung in Sicht. Und man wisse nicht, ob es nach Erdogan vielleicht noch schlimmer werde.

In einer weiteren Gesprächsrunde mit Akhanlis Anwalt Ilias Uyar sagte der Journalist Günter Wallraff, der gerade von einem Türkeiaufenthalt zurückgekehrt ist, es herrsche in dem Land "Willkür" und ein "Hetzjournalismus". Gleichwohl habe er sich gewundert, wie viele Bürger es dennoch wagen, ihre Meinung zu sagen.