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Vor dem Blackpink-Konzert in KölnWas Sie über K-Pop wissen müssen

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 13.04.2019, USA, Indio: Die Mitglieder der K-Pop Band "Blackpink" stehen beim "Coachella Music & Arts" Festival im Empire Polo Club auf der Bühne. (zu dpa «Japan feiert koreanische Popstars - Award-Spektakel nach langer Pause») Foto: Amy Harris/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die K-Pop-Band Blackpink tritt am Donnerstag in der Lanxess-Arene auf.

Am 8. Dezember tritt Blackpink, die erfolgreichste Girlgroup der Welt, in der Kölner Lanxess-Arena auf. Aber warum ist Pop aus Südkorea derzeit überhaupt so erfolgreich?

„Time“ hat sie gerade zu den „Entertainern des Jahres“ erklärt. Aber wie viele der jungen Fans, die am Donnerstag das Konzert von Blackpink in der Lanxess-Arena besuchen, kennen wohl das altehrwürdige Magazin? Gegen die Marktmacht der südkoreanischen Girlgroup – oder des K-Pop generell, zu dessen prominentesten Vertretern Jisoo, Jennie, Rosé und Lisa gehören – wirken amerikanische Medien-Institutionen aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts reichlich blass.

Auf Youtube folgen mehr als 80 Millionen Menschen Blackpink. Fünf ihrer Videos haben jeweils die Milliarde an Views überschritten. Zahlen, die von der Boyband BTS noch übertroffen werden. Die sieben Porzellan-häutigen Pop-Prinzen sind laut Schätzung der Bank von Korea für 0,5 Prozent des südkoreanischen Bruttoinlandsproduktes verantwortlich.

So einfach lässt sich der weltweite Erfolg von K-Pop freilich nicht bilanzieren. Wie konnte es dazu kommen, dass populäre Musik aus Südkorea die Charts dominiert, Trends vorgibt und Türen für andere ostasiatische Kulturexporte öffnet? Man denke an Hwang Dong-hyuks Serienhit „Squid Game“ oder Bong Joon-hos „Parasite“, den ersten fremdsprachigen Film, der den „Best Picture“-Oscar gewann. „Hallyu“ nennt man diese globale Welle koreanischer Kultur.

Die Geschichte des modernen K-Pops beginnt nicht mit „Gangnam Style“, dem Überraschungshit des Rappers Psy aus dem Jahr 2012. Sondern bereits am 11. April 1992, als das Trio Seo Taiji and Boys seinen Song „Nan Arayo“ in einer TV-Talentshow vorstellte. Seo Taiji war Bassist einer Heavy-Metal-Band, bevor er in einem radikalen Stilwechsel Rap, Eurodance, Rock-Riffs und New-Jack-Swing-Beats mit DJ-Bobo-artigen Tanzschritten verbindet. Die Jury ist entsetzt und verweist Seo Taiji and Boys auf den letzten Platz, das Publikum sieht das ganz anders und macht „Nan Arayo“ zum Millionenseller, der – wie es eine amerikanische Musik-Publikation formuliert – Morgendämmerung des K-Pop.

Yang Hyun-suk, einer der beiden Boys von Seo Taiji gründet ein paar Jahre später das Unternehmen YG Entertainment, zu dem auch Blackpink gehören. Genauer gesagt, dessen wertvollstes Produkt sie sind. Denn K-Pop-Bands werden weniger gecastet, als dass sich ihre Mitglieder einem jahrelangen Auswahl- und Trainingsprozess unterwerfen. Sie müssen groß und schlank und wortgewandt sein, sexy und blitzsauber, niedlich und androgyn. Sie müssen Single bleiben und ihren Fans mit ausgesuchter Höflichkeit begegnen. Und selbstredend müssen sie auf höchstem Niveau rappen, singen, tanzen können.

Schauspielern zudem – viele südkoreanische Pop-Idole verfolgen eine Zweitkarriere in populären Fernsehserien. Jisoo von Blackpink ist zurzeit etwa im romantischen Historiendrama „Snowdrop“ zu sehen. Wenigstens ein Mitglied jeder K-Popband ist in einem englischsprachigen Land aufgewachsen und vertritt das Produkt im westlichen Ausland. Als Markenbotschafter empfehlen sich freilich alle K-Pop-Idole. Um bei Blackpink zu bleiben: Jisoo vertritt Dior, Jennie Chanel, Rosé Yves Saint Lauren und Lisa Bulgari und Celine.

Ein K-Pop-Idol auszubilden kostet mehrere Millionen Dollar

Performer auszubilden, die auf der Bühne und vor den Kameras auf Michael-Jackson-Niveau agieren, ihren Fans jedoch die netten Jungs und Mädchen von nebenan zumindest vorspielen können, bedeutet für die Unternehmen jeweils eine Investition von mehreren Millionen Dollar. Dementsprechend hart und unnachgiebig ist das System.

Westliche Beobachter erinnern diese Pop-Zuchtanstalten an Leistungssport-Trainingscamps in der Ostblock-Variante. Oder gleich an den tödlichen Sozialdarwinismus des „Squid Game“.

Junge Bewerber und Bewerberinnen gibt es dennoch zuhauf, hinter jedem Idol stehen Zehntausende, die es nicht geschafft haben. Und Millionen von Fans betonen ungeachtet dieser hyperkapitalistischen Form der Musikindustrie das emanzipatorische Potenzial von K-Pop. Wie kann das sein? Nun, es ist nicht anders als bei Elvis Presley, der eine ganze Generation befreite, in dem er eine erstarrte Gesellschaftsordnung per Hüftschwung hinwegfegte – und zugleich Gefangener seines kontrollsüchtigen Managers war.

Anders als Elvis, der seinen Fans bald nur noch auf der Leinwand in zweitklassigen Komödien begegnete, herrscht zwischen den einzelnen Idolen und ihre Fans reger Austausch über die sozialen Medien. Den mag man als Stalkertum (der Fans) oder vorgespielte Intimität (der Idole) diskreditieren, doch die Stars verbreiten in ihren Fan-Familien Botschaften der Selbstachtung und Inklusion. Fans spenden für Altenheime, Waisenhäuser und Wiederaufforstungsprojekte. Die „Army“ von BTS hat einen Arena-Auftritt Donald Trumps ausverkauft, um den Demagogen vor leeren Sitzen reden zu lassen.

Vielleicht macht aber gerade die absolute Marktkonformität des K-Pop seinen revolutionären Kern aus. Wie er die alte Strophe-Refrain-Dramaturgie zugunsten einer Aneinanderreihung von Attraktionen auflöst. Wie er das Zusammenspiel von Tanz, Musik und Video-Bilderwelten perfektioniert hat. Und, nicht zuletzt, wie er Pop als hybrides Puppentheater inszeniert und so die Lüge der Authentizität in warmer Künstlichkeit entlarvt.