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West-Eastern Divan Orchestra in KölnZwei Barenboims in einem Konzert

Lesezeit 3 Minuten

Brahms’ Doppelkonzert, mit den Solisten Michael Barenboim und Kai Soltani (l.) und Daniel Barenboim am Pult     

Köln – Am Mittwoch spielte es in der Philharmonie, aber in Köln befand sich das West-Eastern Divan Orchestra schon seit dem 31. August. Die komplette Probenphase für die gerade gestartete Europa-Tournee (mit dem traditionellen Auftritt auf der Berliner Waldbühne zum Abschluss) fand in Köln statt – der philharmonische Leerstand machte es möglich, und wer tagsüber zufällig über den Hackenberg-Platz ging, konnte die arabischen und israelischen Musiker mit ihren Instrumenten aus Hotel Mondial oder City dem Konzerthaus zustreben sehen.

Sehr zufrieden mit Probenbedingungen und Arbeitsatmosphäre war, wie zu hören ist, Daniel Barenboim, der Gründer und Leiter des Orchesters. Mit Standing Ovations das Resultat zu feiern, war schließlich den Zuhörern überlassen – coronabedingt reichten 900 von ihnen, die Philharmonie ausverkauft sein zu lassen. Schon lange vor Konzertbeginn hatten sich zwei lange Schlangen rechts und links des Eingangs gebildet – zweifellos eine suboptimale Situation, über deren Verbesserung nachzudenken wäre.

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Der ideelle Hintergrund des West-Eastern Divan Orchestra ist die Völkerverständigung – dort spielen Menschen gemeinsam klassische Musik, die andernfalls vielleicht, in Jerusalem oder auf der Westbank, aufeinander schössen. Diese Konditionen könnten bei der Musikkritik eine Beißhemmung provozieren. Die wäre aber deplatziert – allein Barenboim am Pult steht fordernd für jene genuin künstlerischen Qualitätsansprüche, die sich mit einem Rabatt für politische Gutmenschen schlecht vertrügen. Und dass das Orchester ohne Abstriche diesen Ansprüchen genügen will – und weithin auch kann –, das zeigte jetzt erneut der Kölner Auftritt.Am Beginn stand mit Brahms’ Doppelkonzert ein Werk, das dem jüngeren Barenboim-Sohn Michael, der auch als Konzertmeister der Formation amtiert – die Gelegenheit bot, an der Seite seines Cello-Freundes und Trio-Partners Kian Soltani, als Kammermusiker mit orchestraler Rückendeckung zu glänzen.

Ein großartig eingespieltes Team

Tatsächlich sind die beiden ein großartig eingespieltes Team, inszenieren sich, nachtwandlerisch aufeinander reagierend, im Dialog als ein einziges „Großinstrument“. Dabei sind die Unterschiede in Temperament und Klanggebung beträchtlich: Soltanis Spiel ist von der „süffigen“ Art, er reizt die warme Kantabilität seines Instruments voll aus. Barenboim hingegen – ein Musiker, der erfreulich auf jegliche show-nahe Selbstdarstellung verzichtet – wartet mit einem zwar nicht ausgezehrten, aber doch sehr feinen, schlanken, introvertierten Ton auf (zu dem die teils recht üppigen Portamenti nicht recht passen wollen).

Kein Wunder, dass da die dynamische Balance angesichts des mitunter pastos, zu fett und zu laut aufspielenden Orchesters manchmal missriet. Überhaupt ist Barenboim (jetzt der am Pult) kein Dirigent vergrübelter Zurückhaltung, ließ es gerade in den lyrischen Seitenthemen immer wieder sinnlich schwelgen. Das hat auch starke Vorzüge: Vor allem der langsame Satz wurde zu einem Moment erfüllter Musikromantik.

Diese Interpretationslinie grundierte auch das zweite Werk, César Francks späte d-Moll-Sinfonie – ein schönes Stück, in dem sich Französisches und Deutsch-Romantisches bis hin zu starken Wagner-Anmutungen originell kreuzen. Barenboim inszenierte die suggestiv drängenden Steigerungen, die große Apotheose und (im dritten Satz) die nostalgische Erinnerung genauso wirkungsvoll, wie er die motivische Konstruktion (mit dem immer wiederkehrenden initialen Dreinoten-Motiv) gebührend deutlich herausstellte.

Sparsame Bewegungen

Seine Bewegungen sind übrigens sparsam, er fasst ganze Taktgruppen unter einen Schlag zusammen und macht streckenweise auch gar nichts. Er weiß halt, was er den Seinen zutrauen kann – und die große Linie erblüht eh nur unter Verzicht auf kleinteiliges Gefuchtel.

Als Zugabe dann die Einkehr in die Klassik mit Beethovens „Prometheus“-Ouvertüre, die vor allem der Piano-Agilität der Streicher ein gutes Zeugnis ausstellte. Ein Erfolg war das Konzert auch als Benefizveranstaltung: Für die Aktion „Deutschland hilft“ (den Flutopfern) kamen 25 000 Euro zusammen.