„Wetten, dass..?“, „Geh aufs Ganze“, „TV Total“, „Der Preis ist heiß“ – Die TV-Sender beleben alte Show-Formate neu. Warum nur? Das Geld wäre an anderer Stelle besser investiert.
„Wetten, dass..?“ und Co.Was soll der Griff in die Mottenkiste?
Es gab eine Zeit, irgendwann Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre, da musste man abends vor dem Fernseher sitzen und Pro Sieben schauen, wenn man am nächsten Tag auf dem Schulhof mitreden wollte. Stefan Raab gab mit „TV total“ den Ton an. Ob er im „Raabigramm“ Prominenten wenig schmeichelhafte Ständchen von der Ukulele begleitet vorspielte, sich für „Raab in Gefahr“ bei der Rhythmischen Sportgymnastik zum Affen machte oder Regina Zindlers „Maschendrahtzaun“ in die Charts brachte - Raab bot reichlich Gesprächsstoff.
2015 war Schluss mit der Karriere vor der Kamera, der Kölner zog sich aus dem Fernsehen zurück. „TV Total“ nahm er mit in den Ruhestand. Doch vor einem Jahr kehrte die ehemalige Late-Night-Show als Primetime-Format auf den Bildschirm zurück, wenn auch nicht mit Raab, sondern mit dem Sebastian Pufpaff. Der Neue setzte dabei von Beginn an auf den Nostalgie-Faktor. Ob Nippelboard, die prägnante Stimme aus dem Off oder die Band Heavytones. Alles ist, wie es einmal war.
Für heutige Jugendliche bietet das, was in der Sendung passiert, aber wohl keinen Gesprächsstoff. Lineares Fernsehen ist bei den Jüngeren häufig kein Thema mehr. Zu einer bestimmten Uhrzeit auf das Programm zu warten, finden sie genauso absurd wie die Vorstellung, nur an einem PC ins Internet zu können. Da drängt sich die Frage auf, warum Pro Sieben die Show aus der Mottenkiste holt.
Rückgriff auf Altbewährtes
Doch mit diesem Rückgriff auf Altbewährtes steht der Münchener Privatsender nicht allein da. Wohl kaum ein Unterhaltungsformat hat in diesem Jahr so viel Aufmerksamkeit erhalten, wie die Geburtstagsshow von „Wetten, dass…?“ im vergangenen November. Fast 14 Millionen Zuschauer, ein Dauerfeuer bei Twitter, das Interesse war riesig. So groß war der Erfolg, dass das ZDF der Versuchung nicht widerstehen konnte. Einmal im Jahr gibt es künftig den Show-Dino. An diesem Samstag wird Thomas Gottschalk dann in Friedrichshafen wieder mit großer Geste die Showtreppe hinabschreiten. Und Michelle Hunziker wird ihm erneut zur Seite stehen.
Bei Sat.1 kann man seit geraumer Zeit Jörg Draeger wieder dabei bewundern, wie er in der Gameshow „Geh aufs Ganze“ im schlimmsten Fall den Kandidaten den Zonk präsentiert. Und Harry Wijnvoord erfreut bei RTL in „Der Preis ist heiß “ Kandidaten mit allerlei Spielen und Sachpreisen. Fast hat man das Gefühl, die 90er seien zurück
Man kann die Reden vom letzten Lagerfeuer der TV-Unterhaltung nicht mehr hören, aber offensichtlich ist, dass die Sender im Kampf gegen die allzeit verfügbare Streaming-Konkurrenz plötzlich zur Geheimwaffe auserkoren haben, was lange Zeit als verstaubt und piefig galt. Die große Show, am besten live, die wieder alle vor dem Fernseher versammelt - oder zumindest diejenigen, die da vor vielen Jahren schon einmal saßen. Der Erfolg von „Wetten, dass…?“ etwa fußte zu ganz großen Teilen darauf, dass schon die Eurovisions-Hymne bei denen, die das Format noch von früher kennen, für ein wohliges Gefühl sorgt. Da ist sie dann eben doch wieder, die viel beschworene Nostalgie.
In einer zunehmend komplexer werdenden Welt sehnen sich offenbar viele Zuschauer nach etwas Vertrautem. Weil die TV-Zuschauer im Schnitt älter werden, sind sie für solche Format besonders empfänglich. Und vergessen darüber auch, dass Gottschalks mitunter arg sexistische Sprüche völlig aus der Zeit gefallen sind und sich eine „Wetten, dass..?“-Sendung früher gerne mal wie Kaugummi zog. Bleibt nur die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, die finanziellen Mittel für das Retro-TV in neue Formate zu stecken.
Sehnsucht nach Vertrautem
Erfolge wie das „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann oder „Die Carolin Kebekus Show“ zeigen, dass moderne Unterhaltung anders und relevanter aussieht als die alten Kamellen. Auch das Publikum ist gespalten in der Frage, ob die Show-Dinos dauerhaft wiederbelebt werden sollen. Laut einer Online-Umfrage aus dem Jahr 2021 waren 40 Prozent der Erwachsenen in Deutschland dafür, „Wetten, dass…?“ wieder regelmäßig auszustrahlen. 35 Prozent waren gegen weitere Shows aus der Reihe, wie das Meinungsforschungsinstitut Yougov am Dienstag mitteilte. 22 Prozent machten in der Umfrage keine Angabe.
Yougov zufolge waren die Befragten im Alter zwischen 35 und 44 Jahren mit einem Zustimmungswert von 25 Prozent am häufigsten für ein Dauer-Comeback. Das sind eben genau die, die „Wetten, dass..?“ mit ihrer Kindheit verbinden. Drei Prozent der Befragten kennen nach eigenen Angaben die ZDF-Show übrigens gar nicht. Wetten, dass man die auch mit einer neuerlichen Ausstrahlung nicht vor den Fernseher locken kann? Nach dem Samstag werden wir es wissen.