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„Worth Fighting For"Köln zeigt ukrainische Kunst zum Krieg

Lesezeit 5 Minuten
Eine Industriehalle mit verschiedenen Kunstwerken, etwa Teppichen und einer stilisierten Landkarte.

Blick in die Ausstellung ukrainischer Künstler in Köln

Ihre Premiere feierte diese Ausstellung während des russischen Kriegs gegen die Ukraine im Kiewer Kunstzentrum des Oligarchen Wiktor Pintschuk. Jetzt ist „Worth Fighting For“ mit ergreifender Kunst und erschütternden Kriegsbildern in Köln zu sehen.

Exakt 143 Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, am 17. Juli 2022, wurde im Kiewer Kunstzentrum des ukrainischen Sammlers und Multimilliardärs Wiktor Pintschuk wieder eine Ausstellung eröffnet. Sie trug das gläubige Staunen über den Kriegsverlauf im Titel, „When Faith Moves Mountains“, und war sowohl eine patriotische Sendung als auch eine symbolische Rückkehr zur Normalität – soweit dies im Krieg eben möglich ist. In der Ausstellung zeigte Björn Geldhof, künstlerischer Direktor des „Pinchuk Art Centres“, Arbeiten ukrainischer Künstler über den Krieg und dazu Leihgaben aus dem Antwerpener Museum für zeitgenössische Kunst M HKA, darunter Werke von Marlene Dumas, Berlinde De Bruyckere und Francis Alÿs. Die doppelte Botschaft lautete: Wir werden als Nation überleben, und wir werden es als Teil Europas tun.

Die Ausstellung enthält sich jeder Propaganda und Kriegstreiberei

An diesem Montag, dem 14. November 2022, wurde die Kiewer Ausstellung ein zweites Mal eröffnet, fernab des Krieges, mitten in Köln, in den weitläufigen Industriehallen eines ehemaligen Autohandels, gleich beim Friedhof Melaten. Mit dem Ort hat sich auch der Titel geändert. Jetzt versetzt nicht mehr der nationale Glaube Berge (und verschiebt die Frontlinien im Krieg), sondern die Ukraine ist „Worth Fighting For“, wert, für sie zu kämpfen. Einem Bürger Kiews muss das selbstredend nicht gesagt werden. Der deutschen Öffentlichkeit hingegen offenbar schon.

Jedenfalls betont Björn Geldhof, wie wichtig es ihm ist, dass die deutsche Öffentlichkeit nun die Gelegenheit hat, etwas über die ukrainische Kultur zu erfahren, eine Kultur, die, anders als von Wladimir Putin behauptet, eigenständig und zutiefst europäisch sei. Allerdings ist „Worth Fighting For“ eine im Krieg entstandene Ausstellung, die vornehmlich den Krieg zum Inhalt hat. Also erscheint die Ukraine in den Kölner Industriehallen vor allem als Teil eines europäischen Schlachtfelds, angefangen bei den Pferdekadavern, die Berlinde De Bruyckere den vergasten Schlachtrössern des Ersten Weltkriegs nachempfunden hat.

Zum Auftakt dieser eindrucksvollen Ausstellung betritt der Besucher gleichsam die historischen Vorläufer der blutigen Felder, auf denen nach Hitler und Stalin nun auch Putin einen grausamen Krieg gegen die Zivilbevölkerung führen lässt. Die historische Blutlinie führt dabei von De Bruyckeres seltsam gekrümmten Tierleichen über die Gemälde, mit denen Jan Cox die Grauen des Zweiten Weltkriegs bannen wollte, bis hin zu den Videos, in denen das ukrainische Künstlerduo Yarema Malashchuk & Roman Khimei zu einer Zeit, als die russische Armee noch keine Verluste zugab, die verdrehten Leiber getöteter russischer Soldaten nachstellte. Diese Bilder sind zugleich eine Geisterbeschwörung (sie zeigen die Toten, die es nach Putins Willen nicht gab) und die Fortsetzung psychologischer Kriegsführung mit künstlerischen Mitteln. Geldhof erzählt dazu die Anekdote einer alten ukrainischen Frau, die einem russischen Soldaten empfahl, sich Blumensamen in die Hosentasche zu stecken: „Damit etwas aus dir wächst.“

„Worth Fighting For“ ist keine freundliche Ausstellung, wie könnte sie es sein?

„Worth Fighting For“ ist keine freundliche Ausstellung, wie könnte sie es angesichts ihres Themas sein? Aber sie ist auch weit entfernt von Propaganda, von Kriegstreiberei und selbst von Russlandfeindlichkeit (auch wenn Geldhof den Deutschen ein „romantisches“ Bild von Russland unterstellt). Stattdessen zeigt die Ausstellung das schreckliche Gesicht des modernen Krieges, sei es aus unmittelbarer Erfahrung in die Sprache der Kunst übersetzt, wie bei vielen ukrainischen Arbeiten, oder vermittelt, etwa in Metaphern der Angst oder der Verletzlichkeit, wie bei den Leihgaben aus Belgien. So sieht man in Köln die großformatigen Antiheldenbilder, die Lesia Khomenko von ihrem Ehemann, einem Musiker, der zum Soldaten wurde, machte, im selben Raum wie ein Gemälde von Marlene Dumas, das eine nackte Frau vor einer Wand aus Beinen zeigt, oder einen goldenen Mann von Jan Fabre, dem die Spitzen von Nadeln und Reißzwecken wie Haare von der Haut abstehen.

Spielt es eine Rolle, dass die ukrainischen Arbeiten, meist geschaffen von Künstlern, deren Namen man im Westen noch nie gehört hat, durchgehend von verblüffender Qualität sind, dass praktisch alles davon auch auf der Art Cologne, die am Mittwoch eröffnet wird, zum Verkauf stehen könnte? Das Staunen darüber ist eher ein erwünschter Nebeneffekt, denn die Ukraine wäre auch dann ein Teil Europas, wenn die gezeigten Werke weniger marktgängig, im Westen weniger anschlussfähig wären. „Worth Fighting For“ präsentiert die Ukraine als Kulturnation, als ein Land, das sich über die Sprache der Kunst definiert, auch und gerade im Angesicht der Barbarei. Diesen Gegensatz betont Geldhof vielleicht etwas über Gebühr, wenn er im zweiten Teil der Ausstellung die Kunstwerke gemeinsam mit dokumentarischen Aufnahmen aus den Kriegsgebieten zeigt.

Skulpturen toter Pferde liegen seltsam verkrümmt auf dem Boden. Ein Kunstwerk von Berlinde De Bruyckere.

Pferdekadaver von Berlinde De Bruyckere

Die Ausstellung aus Kiew nach Köln zu bringen, war ein Kraftakt, berichtete der Kunstversicherer Stephan Zilkens, einer der Organisatoren, erst Mitte Oktober habe ihm Kulturstaatsministerin Claudia Roth die entscheidenden Fördermittel zugesagt. Allerdings könne der Bund sein Geld nicht einfach einem Privatunternehmer überweisen, und so sprang der Verein ArtAsyl als Mittelsmann ein. Zilkens trägt das finanzielle Risiko, das sich für ihn weitgehend auf die Energiekosten beschränkt; das Areal der Projektentwickler bema und ABG Real Estate steht im Rahmen einer kulturellen Zwischennutzung mietfrei zur Verfügung.

In einer Nebenhalle der Ausstellung werden russische Kriegsverbrechen in der Ukraine auf einer riesigen Landkarte dokumentiert. Auf einer ähnlich großen Videowand reiht Oleksii Sai 6400 Bilder aus dem Krieg in elf Minuten aneinander, auf der Tonspur hört man russische Soldaten in die Heimat telefonieren. Man könnte meinen, dass in diesem Stakkato das einzelne Opfer in der Bedeutungslosigkeit versinken muss. Aber das Gegenteil ist der Fall: Erst so wird einem das ungeheuerliche Ausmaß des Leids und der Verbrechen annähernd bewusst.

„Worth Fighting For“, Oskar-Jäger-Str. 97-99, Köln, Mo.-So. 10-18 Uhr, bis 14. Dezember. Eintritt frei.