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Zum Tod von Alain DelonDas war die größte Rolle der französischen Kino-Legende

Lesezeit 3 Minuten
Der eiskalte Engel. Profi-Killer Jeff Costello (Alain Delon, re.) in einer prekären Situation.

Alain Delon (r.) in „Der eiskalte Engel“

Alain Delon, Frankreichs Kino-Ikone, ist mit 88 Jahren gestorben. Wir würdigen ihn noch einmal in seinem besten Auftritt als eiskalter Engel.

Was verbergen die wässrig blauen Augen des Killers? Verletzte Gefühle? Eine schwere Kindheit? Einen brodelnden Vulkan, den nur ein strenger Ehrenkodex am Ausbruch hindert? Nein, nein und nein. Die Antwort ist viel einfacher. Und verstörender. Diese Augen verbergen nichts. Ihr Blick ist leer. Verweigert jede Beziehung, jedes Urteil. Die totale Negation aller Werte. Dieser Mann tötet nicht aus Leidenschaft. Er hat einen Vertrag abgeschlossen, den er einzuhalten gedenkt.

Alain Delon, der schönste Mann des europäischen Nachkriegsfilms, war durch die Darstellung eines charmanten, kaltblütigen Mörders in „Nur die Sonne war ihr Zeuge“ 1960 zum Star geworden. Sieben Jahre später hatte er die Rolle des Killers perfektioniert. Der wortgewandte Tom Ripley hatte Charme und Ehrgeiz abgeschüttelt und sich in den fast stummen Jef Costello verwandelt. Nur seine überirdische Schönheit konnte Delon nicht ablegen. Doch nun hatte sie etwas Schreckliches, Raubtierhaftes dazugewonnen. „Der eiskalte Engel“: Der deutsche Titel von Jean-Pierre Melvilles Meisterwerk in Grau und Blau sollte Delon zeitlebens anhängen.

Er konnte völlig andere Typen spielen. Den sensiblen Gutgläubigen in Luchino Viscontis „Rocco und seine Brüder“, den arroganten Mitläufer in Robert Loseys „Mr. Klein“. Aber diesen Jef Costello verkörperte Delon bis zur Schemenhaftigkeit reiner Präsenz. Bis zu dem Punkt, an dem sein stoischer Ultramachismo in katzenhafte Weiblichkeit umschlägt.

Ein Enigma aus einem wie in Sandstein gehauenen Trenchcoat, einem auf den Millimeter genau sitzenden Borsalino-Hut und den weißen Handschuhen, die Cutter damals beim Filmschnitt benutzen, Jef aber zum Töten. Ein Enigma, an dem sich seither etliche Schauspieler abgearbeitet haben: Ryan O'Neal in „Driver“ und Ryan Gosling in „Drive“, Chow Yun-fat in „The Killer“ und Forest Whitaker in „Ghost Dog - Der Weg des Samurai“. „Le samouraï“ heißt Melvilles Film im französischen Original.

Alain Delon identifizierte sich mit dem schweigenden Killer Jef Costello

Um den Star zu umwerben, mit dem er nie zuvor zusammengearbeitet hatte, las ihm der Regisseur persönlich aus dem Drehbuch vor. Nach zehn Minuten, erzählt der Filmhistoriker David Thomson, unterbrach ihn Delon: „Diese Geschichte hat keine Dialoge. Ich mache es.“ Woraufhin ihm Melville den Titel des Films verriet und Delon ihn, wie in einer geheimen Zeremonie, in sein Schlafzimmer führte. Dessen einzige Dekoration bestand aus einem über dem Bett hängenden Samuraischwert.

Es steckt einiges von Delon in diesem Jef Costello. Der Stolz, die Unnahbarkeit, der Halbweltgeruch. Er identifizierte sich mit dem schweigenden Killer wie mit keiner anderen Rolle. Brachte ein Parfum namens „Samouraï“ auf den Markt. Nach der Szene, in der sich Jef von seiner Geliebten verabschiedet, soll sich Delon von deren Darstellerin, seiner Frau Natalie, getrennt haben.

Doch an den wässrigen Augen des Engels prallt jede Psychologie ab. Sie markieren den Moment, in dem sich Schauspielhandwerk zur großen, metaphysischen Kunst erhebt.

Am Sonntagmorgen (18. August) teilten Alain Delons drei Kinder in einer gemeinsamen Erklärung der Nachrichtenagentur AFP mit, dass der eiskalte Engel im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in Douchy südlich von Paris gestorben ist.