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Leserbriefe zu Lied-Zensur„Beschämend und nicht nachvollziehbar“

Lesezeit 5 Minuten
Udo Lindenberg, mit Hut und dunkler Brille, singt mit Mikro in der rechten Hand während eines Konzerts im Juni 2022 in der Kölner Lanxess Arena. Die linke Hand hat er erhoben; ein grünes Armband schmückt sein Handgelenk.

Udo Lindenberg im Juni 2022 während eines Konzerts in der Lanxess-Arena

Berliner Chöre empfinden den Begriff „Oberindianer“ im Lindenberg-Hit „Sonderzug nach Pankow“ als diskriminierend und wollen ihn streichen.

Stiftung zensiert Lindenberg-Hit –„Diskriminierend“ – Begriff „Oberindianer“ aus „Sonderzug nach Pankow“ gestrichen (31.10.)

„Oberindianer“-Zensur: Fehlen jeglicher Verhältnismäßigkeit

Bei allem Respekt vor dem Leid, das indigenen Völkern in der Geschichte zugefügt wurde, wirkt es geradezu grotesk, aus dem Lindenbergschen „Oberindianer“, der damals wahrscheinlich den Großteil der DDR-Bevölkerung geradezu königlich amüsiert haben wird, nun einen „Oberiiii“ zu machen. Man sollte hier doch auch die Bevölkerungsteile, die sich möglicherweise durch den weggelassenen „Oberindianer“ übergangen fühlen, in ein Verhältnis setzen zu den in Deutschland lebenden Häuptlingen der Apachen, Cheyenne und anderen Stämmen, die sich diskriminiert fühlen könnten.

Als alter Lindenberg-Fan möchte ich auch darauf hinweisen, dass Lindenberg, als er diesen wunderbaren Text schrieb, dem DDR-Staatsratsvorsitzenden in seiner grenzenlosen deutschen Spießigkeit einen überbraten wollte, aber bestimmt keinem Indigenen. Die Tatsache, dass Lindenberg sich selbst als „Jodeltalent“ bezeichnet, könnte zudem den Verdacht erhärten, dass der Barde sich hier über alpine Sangeskunst lustig macht und damit ohne Zweifel nicht nur große Teile süddeutscher, nein auch österreichischer und schweizerischer Nachbarn in diskriminierender Weise zu verballhornen schien. Warum haben diese in tatsächlich großer Zahl vorhandenen Menschen eigentlich keine Lobby, die sie vor Diskriminierung schützt? Sven Dullin Köln

Streichung in Lindenberg-Text: „Schwachsinn“

Haben wir eigentlich keine anderen Probleme, als uns über solchen Schwachsinn Gedanken zu machen? Der von Udo Lindenberg verwendete Begriff „Oberindianer“ hatte und hat rein gar nichts mit der Herabwürdigung einer indigenen Volksgruppe zu tun. Jedem, der sich mit dem Liedtext befasst, ist bewusst, dass mit dem Begriff Erich Honecker gemeint war. Und daran hat sich nichts geändert.

Jetzt hier einen indigenen Zusammenhang herzustellen, ist schlicht und ergreifend bescheuert. Die Konzerte der Berliner Chöre haben noch nicht stattgefunden. Woher leitet man dann die Erkenntnis ab, dass der „Oberindianer“ von vielen Besuchern als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen wird? Herr Lindenberg sollte verbieten, dass sein Lied bei den Konzerten verwendet wird. Wolfgang Roebsteck Köln

Zensur von Lindenberg-Hit: „Beschämend und nicht nachvollziehbar“

Aus dem Hit „Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg, der mehr als 40 Jahre alt ist, soll das Wort „Oberindianer“ bei Auftritten von Chören gestrichen werden. Gemeint war hiermit der damalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker. Dieser Hit von Udo Lindenberg hat eine genial witzige und zutiefst tragische Ironie in seinem Text, wie sie kein anderer Künstler zu Zeiten der Ost-West-Teilung jemals ausdrücken konnte. Diese künstlerische Arbeit nun nachträglich zensieren zu wollen und mit heutigen Formulierungsmaßstäben zu beurteilen, ist beschämend und nicht nachvollziehbar.

Ich kann den Äußerungen von Ottilie Klein (CDU) und Wolfgang Kubicki (FDP) nur uneingeschränkt zustimmen! Wo sind wir nur hingekommen? Dann müsste man auch über sämtliche Bully-Herbig-Filme diskutieren, in denen er als schwuler Indianer diese ethnische Minderheit tatsächlich lächerlich macht. Da stellt sich die Frage: „Wo fängt man an und wo hört man auf mit dieser Diskussion?“ Wir sollten die Kirche im Dorf lassen und uns wichtigeren Themen zuwenden, denn davon gibt es einige in unserem Land.

Für den Hit von Udo Lindenberg gibt es jedoch eine einfache Lösung: Die Chöre sollen doch bitte ein anderes Lied singen, mit dessen Text sie sich wohler fühlen, und auf die verschandelte Interpretation von „Sonderzug nach Pankow“ verzichten. Im Übrigen hoffe ich, dass Udo Lindenberg so hinter seiner eigenen Kunst steht, dass er diese Farce auch weiterhin nicht öffentlich kommentiert. Matthias Bauer Troisdorf

Liedtext-Streichung: Publikum für unmündig erklärt

Circa 40 Jahre ist der Liedtext nunmehr alt und er hat viele Jahre mehr bewirkt als manche politischen Aktionen. Allein vor dieser Leistung sollte man Respekt haben; der Text hat sehr vielen Menschen in der damaligen DDR etwas bedeutet und auch zu Denkprozessen angeregt. Es besteht daher kein Anlass, eine derartig groteske Zensur an ihm vorzunehmen. Hier wird die an sich gute Absicht, eine diskriminierende Bezeichnung für die Ureinwohner der USA zu vermeiden, lächerlich gemacht und dieses Ziel somit ins Gegenteil verkehrt.

Die Folge wird sein, dass auch an anderer Stelle, wo vielleicht ein anderes Wort angebracht wäre, das Wort „Indianer“ verwendet werden wird, denn so einen Unsinn möchte man ja wirklich nicht mitmachen. Das Publikum wird mit dieser Zensur-Aktion für unmündig erklärt, weil es anscheinend derart abstruse Zensuren benötigt, um zu einer richtigen Einschätzung des Originaltextes und des Wortes „Indianer“ zu gelangen. Michael Buschmann Köln

„Oberindianer“-Zensur: Hoffnungslos übertrieben

Das wurde auch Zeit, dass man an diesem rassistischen Machwerk die nötigen Korrekturen vorgenommen hat! Ich selbst singe in der Badewanne auch schon seit langem nicht mehr den Schlager „Da sprach der alte Häuptling der Indianer“ in der empörenden Fassung von Gus Backus. Vielmehr bevorzuge ich die Formulierung: „Da sprach die Senior-Führungskraft amerikanischer Ureinwohner“, obwohl es zugegebener Maßen dabei nicht ganz einfach ist, Rhythmus und Versmaß einzuhalten.

Etwas leichter wird es beim Bläck-Fööss-Hit „Indianer kriesche nit“, bei dem ich einfach singe: „Indijene kriesche nit“. So wird auf einfache Weise das Aufreißen postkolonialer Wunden vermieden. Merkwürdigerweise nennen die Abkömmlinge amerikanischer Ureinwohner ihren eigenen Interessenverband aber „American Indian Movement“. Irgendwie seltsam! Vielleicht sollten die tüchtigen Stiftungsvertreter da einmal tätig werden und den „Indianern“ erklären, wie sie sich selbst zu nennen haben. Peter Schmitz Pulheim

Hit-Zensur grotesk

Und was ist mit den offenbar abgewerteten Affen im Sonderzug nach Pankow? „All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen …“, kommt auch drin vor. Petermann, geh Du voran! Dr. Karl Faßnacht Köln

Lindenbergs „Oberindianer“ auf dem Index: Falscher Fokus

Also hat man jetzt, nahezu 40 Jahre nach der Entstehung des Textes, dieses Riesenproblem entdeckt. Respekt! Dann bin ich aber auch dafür, dass das gesamte Lied von Udo ein für allemal strikt verboten wird. Denn er behauptet darin ja auch: „... ich bin ein Jodeltalent“. Und das, ohne den Nachweis zu erbringen, die Loriotsche Jodelschule erfolgreich absolviert zu haben. Das darf man nicht einfach unter den Teppich kehren.

Diskriminiert er doch so ganze Heerscharen von Sängerinnen und Sängern, sogar Chöre, aus dem gesamten Alpenraum, die diese Kunstform, mühsam geschult, unters Volk bringen. Man denke nur an das herrliche Kufsteinlied der Tiroler. Aber ich bin froh, dass es aufmerksame Menschen gibt, die auf die wahren Abgründe unseres Lebens aufmerksam machen – und den Krieg in der Ukraine und das Massaker in Israel auf die hinteren Plätze verweisen. Jürgen Trimborn Köln