Für die Ukraine schließt sich das Zeitfenster, in dem sie dem russischen Aggressor standhalten kann. Und was machen die Verbündeten im Westen? Sie streiten über Soldaten, Marschflugkörper und Munition. Das ist fatal.
Debatte um Taurus und SoldatenOhne Munition lässt sich kein Krieg gewinnen
Die Pariser Unterstützungskonferenz für die Ukraine ist ein weiterer Beleg dafür, dass das demokratische Europa immer noch nicht begriffen hat, was die Stunde geschlagen hat. Die russische Armee ist wohl unter hohen Verlusten dabei, in der Ukraine in die Offensive zu kommen. Das Zeitfenster schließt sich, in dem die Ukraine die so häufig von ihren westlichen Verbündeten vorgetragenen hehren Sätze noch einlösen kann, wonach die Ukraine wahlweise den Krieg nicht verlieren dürfe oder gar gewinnen müsse. Ohne Munition aber lässt sich kein Krieg gewinnen.
Allein die Ankündigung von Waffenlieferungen hilft den Soldaten, die in der Ostukraine schlecht ausgerüstet im Schlamm liegen, auch nicht dabei, den Krieg nicht zu verlieren.
Und was machen die vor allem in großen Worten Verbündeten im Westen? Sie treffen sich zu einer Unterstützungskonferenz und anstatt dass von dieser Veranstaltung ein Signal von Einigkeit, Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit ausgeht, wirkt jeder Hühnerhaufen sortierter als die Ukraine-Unterstützer. Insbesondere das deutsch-französische Verhältnis befindet sich in einem desaströsen Zustand.
Atommacht Frankreich: Strategie, die Gegner im Ungewissen zu lassen
Der Reihe nach: Zuerst zum französischen Präsidenten, der die Unterstützerkonferenz kurzfristig einberufen hat. Frankreich stellt der Ukraine zwar Marschflugkörper zur Verfügung, liefert aber kaum die so dringend an der Front benötigte Munition. Wenn Emmanuel Macron nun öffentlich über den Einsatz von Soldaten der westlichen Allianz spricht, dann stecken mindestens zwei Gründe dahinter. Zum einen gehört es zur Strategie der Atommacht Frankreich, den Gegner im Ungewissen zu lassen, was man alles bereit ist zu tun. Zum anderen ist die Soldaten-Debatte auch eine prima Ablenkung davon, dass Frankreich bisher trotz seiner Größe beschämend wenig Waffen für die Verteidigung der Ukraine bereitstellt.
Dann der Blick auf Deutschland: Nach anfänglichem Zögern liefert Deutschland reichlich Waffen und Munition an die Ukraine. Den Marschflugkörper Taurus will der Kanzler allerdings nicht abgeben. Es gibt eine Reihe von hohen Hürden für die Lieferung: Soldaten der Bundeswehr müssten den Einsatz der Waffe programmieren. Eventuell braucht es ein Mandat des Bundestags.
Deutschland verringert eigene Stärke
Deutschland könnte als Kriegspartei wahrgenommen werden. Keine der Hürden ist unüberwindbar. Mindestens aber muss die Option offen bleiben, dass der deutsche Taurus fliegt, bevor die Ukraine von Russland eingenommen wird. Mit den sehr klaren Worten des Kanzlers gegen einen Einsatz des Taurus hat Deutschland also die eigene Stärke verringert. Derweil schwächt auch die von Frankreich angezettelte Debatte über westliche Soldaten für die Ukraine die Bündnispartner.
Das macht die Lage fatal: Die Ukraine ist dabei, in die Defensive zu geraten und anstatt dass Europa die Reihen noch einmal schließt, mindern die Verbündeten der Ukraine durch ihren offenen Streit ihre Schlagkraft. Warum ist es nicht möglich, dass nach einer solchen Konferenz die führenden Nationen geschlossen in der europäischen Öffentlichkeit und gegen Russland ein Signal setzen? Die einfache Botschaft hätte lauten müssen: Die Ukraine wird diesen Krieg nicht verlieren und wir tun das Notwendige dafür.
Europa verfällt in alte Muster
Es ist bitter: Russland wandelt sich gerade von einem autoritären Staat in eine Diktatur. Dadurch kann Putin sein Land noch stärker in den Krieg und die Kriegswirtschaft zwingen. Europa wiederum, das vor zwei Jahren vorbildlich gegen den Aggressor zusammengerückt war, verfällt nun wieder in alte Muster. Das aber ist brandgefährlich. Die bräsige Uneinigkeit der Europäer ist für Putin eine offene Flanke, über die er die Ukraine erobern und möglicherweise danach noch weitergehen kann auf dem europäischen Kontinent.