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Kommentar

Kommentar zur Zinserhöhung
Die Zentralbank muss etwas beweisen – leider

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Lesezeit 2 Minuten
EZB-Präsidentin Christine Lagarde erklärt am Donnerstag die erneute Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde erklärt am Donnerstag die erneute Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank.

Die Preise sollen maximal knapp unter zwei Prozent im Jahr steigen, ist der Auftrag der Europäischen Zentralbank. Dazu erhöht sie jetzt die Leitzinsen – nicht zu unrecht.

Es war eine der schwierigsten Entscheidungen, vor denen die Europäische Zentralbank je stand. Manche waren dramatischer, aber im Krisenmodus hatten die Notenbanker bald Routine. Dieses Mal war abzuwägen: Zum zehnten Mal die Zinsen erhöhen – mit dem Risiko, eine Rezession zu provozieren? Oder eine Pause einlegen – wohl wissend, dass der Ruf als Inflationsbekämpferin endgültig ruiniert wäre, falls die Teuerung wieder zulegt?

Sie haben sich für die Erhöhung entschieden, denn nichts ist schlimmer für Notenbanker als eine beschädigte Glaubwürdigkeit. Sachlich gäbe es gute Gründe, den Effekt der bisherigen Leitzinserhöhungen abzuwarten. Immerhin wirken sie erkennbar. Doch die jüngsten Daten haben gezeigt, dass die Teuerung hartnäckig ist, und das hinterließ Spuren in den Köpfen: Die Inflationserwartungen sind gestiegen.

Das ist fatal, denn wenn Unternehmen und Konsumenten mit stark steigenden Preisen rechnen, handeln sie entsprechend – und treiben selbst die Inflation: Lohnforderungen fallen höher aus, Verkaufspreise werden in Erwartung steigender Kosten erhöht. Die Erwartungen in den Griff zu bekommen, ist die wichtigste Aufgabe einer Notenbank.

EZB: Eigenen Auftrag deutlich vor andere Interessen gestellt

Das war der EZB nur zum Teil gelungen – auch, weil sie wirklich keinen beeindruckenden Ruf in dieser Richtung hatte. Zehn Jahre lang hat sie lockere Geldpolitik zum Allheilmittel erhoben und Inflation für erledigt erklärt. Lange dauerte es, das Gegenteil zur Kenntnis zu nehmen. Auch gegen dieses Versäumnis muss die EZB jetzt anarbeiten.

Sie geht dafür ein erhebliches Risiko ein. Höhere Zinsen sollen die Nachfrage bremsen – also die Konjunktur schwächen. Die EZB hat demonstrativ ihren Auftrag über andere Interessen gestellt: Die Inflation wird bekämpft, auch wenn die Wirtschaft dafür vielleicht in die Rezession rutscht. Seit gut einem Jahr agiert die Zentralbank in dieser Hinsicht sehr konsequent. Hätte sie es früher getan, müsste sie ihre Entschlossenheit jetzt vielleicht gar nicht mehr beweisen.

Die Folgen dürften der ohnehin angeschlagenen deutschen Wirtschaft zu schaffen machen. Für Sparer könnten dagegen bessere Zeiten anbrechen, denn während Anlagezinsen steigen, lässt die Geldentwertung nach. Auch die berühmten „Häuslebauer“ können entspannen: Trotz Leitzinserhöhung wird die Hypothek nicht mehr wesentlich teurer, vielleicht sogar im Gegenteil: Am Kapitalmarkt sind die langfristigen Zinsen nach dem EZB-Beschluss gefallen.

Die scheinbar paradoxe Reaktion zeigt, dass die Zentralbank ihr wichtigstes Ziel erreicht hat. Sie hat nun endlich die nötige Glaubwürdigkeit als Kämpferin gegen die Inflation erlangt. Der Zinsgipfel ist wohl erreicht, das Vertrauen in einen nachhaltigen Rückgang der Inflation wächst. So hat die EZB viel richtig gemacht – nur zu spät.